TamS Schad um die Hasen. Obwohl. von Beate Faßnacht


 

Alles Gewohnheit

Der Brauch trägt eine Vorstellung des Behagens für die Menschen über die Zeit, wie es etwa der Frühschoppen nach dem sonntäglichen Kirchgang tut. Mit ihm werden ethisch religiöse Grundbegriffe weitergegeben, Gesellschaftsrecht als zweite Natur dem Menschen antrainiert. Mittlerweile scheint die erste Natur, das Entstandene vergessen ... Schad um die Hasen. Obwohl ... Leben wider die erste Natur ist ziemlich ungesund. Zudem offenbart sich Absurdität, setzt man eine Natur über die andere.

Unauffällig mit Theke, Tisch und Bank und damit unverkennbar als Kneipe, war die Bühne gestaltet. Das Bühnenbild wirkte irgendwie „originalgetreu“ und konnte doch überall stehen. Vier Männer, zwischen ihnen die Wirtin und Anni, die Kellnerin standen um einen Fernseher, in welchem die Nachrichten liefen. Die neuesten Sensationen sollten Gesprächsstoff liefern in die kahle gewohnte Umgebung. Man kannte sich, kannte Schwächen und Stärken, bestätigte sich in den geübten Verhaltensmustern, suchte Anreiz. Dann betrat eine fremde Frau die lokale Szene. Neugier und Skepsis brachen hervor, als sich die auffallend Schöne mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses rückte. Was wollte sie hier? Catalina Navarro Kriner stand alsbald in Unterwäsche vor den Gästen und forderte selbstbewusst Begleitung ein. Doch die Männer ließen sich die Gläser füllen. Selbst der vitale weltgewandte Axel Röhrle blieb in sich gefangen, ließ sich nicht überzeugen. Dabei ist alles nur ein Prozess der Anpassung an Reize, die bisher als Tabu galten und nun als Leitbild stehen. Wird die Bereitschaft zu einem Verhalten durch zu häufige Wiederholung überstrapaziert, so erfordert es immer stärkere Reize um eine Reaktion zu erfahren. Obwohl ... die Sinne sich längst abgestumpft verhalten. Die Wirtin führte das Kommando, während die Männer nur wie unnütz in der Kneipe herumstanden, dazu verdammt den, als heilsbringend bzw. erlösend deklarierten Stoff zu konsumieren. Reden ja, ein wenig reden wurde ihnen gestattet, nur nicht zu viel, oder gar zu auffällig. Denn sonst zückte die Wirtin (Helmut Dauner) resolut die Bratpfanne und die Androhung zuzuschlagen. Ein anderes Bild der Frau, als das der in kurzem schwarzem Lederkleid sich in Pose setzenden Fremden. Klischees und damit Gewohntes. Unbeeindruckt davon schien der Naive, Burchard Dabinnus, der zwar die nette brave Kellnerin Anni (Judith Huber) liebte, doch dem der Mut zur Konsequenz abhanden gekommen war. Obwohl ... die Rede ist auch schon ein Handeln. Und für das „Obwohl“ war im Stück der abseits sitzende ruhige Maria Peschek zuständig. Stets auf der Suche nach einem plausiblen Gegenargument, blieb er ohne weitere Äußerungen auf der Suche. Allein das gefüllte Glas bot ihm Ausflucht. Der Junge mit dem Spitznamen „Shakespeare“  zeigte Interesse an der schönen Fremden, ließ sich aber unaufwändig von den anderen in die Schranken weisen. Aufmerksamkeit suchend produzierte sich Christoph Theussl. Die Sprache in dieser Gesellschaft ist mittlerweile auf den Endreim reduziert, wie die Dichter in den Kneipen angekommen sind und als Anhänger der Flasche entlarvt. Klischees und damit Gewohntes. Regisseur Lorenz Seib gelang in der Inszenierung bravourös die Wanderung auf dem schmalen Grat zwischen Klischee und Kunst und Doppeldeutigkeit. Immer wieder hielten die Schauspieler die Zeit an, verharrten starr in eindringlichen Bildern, den Reiz des Augenblickes voll auszudrücken. Obwohl ... die Zeit nicht angehalten werden kann.

     
 

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© Hilda Lobinger

 

Biederkeit regiert. Eine Biederkeit, die eine nach außen gestülpte Intimität als vermeintliche Weltoffenheit propagiert und die doch nur in Voyeurismus und Exhibitionismus gleichzeitig gefangen ist – sich selbst in ihrer Unzulänglichkeit über die Medien narzistisch in den Mittelpunkt stellt. „.Einen Scheißdreck bringen die heutzutage.“  (Dazu das Bild einer Sanitäranlage aus der Überwachungskamera.) Auch daran hat man mittlerweile die Gesellschaft gewöhnt. „Schalt aus. Ich mag das nicht mehr sehen.“  Es wäre zum Heulen, doch dann hörte auch der Regen vor dem Fenster auf. „Mir fällt nichts mehr ein.“ ... „Draußen gibt es nicht mehr.“

Die Zerstörung der ersten Natur geht weiter, und dazu erklang traurig lakonisch von der Kellnerin Anni: „Schad um die Hasen.“  ... Obwohl ... es dient der Bequemlichkeit und ist somit legitim. Wie paralysierte Marionetten führten die Darsteller das Stück dem Publikum vor Augen, ganz so, wie das aktuelle gesellschaftliche Programm durchgezogen wird. Die Phrasen aus dem Lautsprecher des Fernsehers beschränken sich auf die kleinen Katastrophen, einen Flugzeugabsturz, während die eigentliche unaufhörlich voranschreitet und es längst rot, feuerrot vor den Fenstern brennt. Beate Faßnacht und das Ensemble des TamS holten den Brand ins Haus, auf die Bühne und boten außergewöhnliches Theater mit den Mitteln des scheinbar Gewöhnlichen. Dafür erhielten sie anerkennenden anhaltenden Applaus!

C.M.Meier

 


Schad um die Hasen. Obwohl

von Beate Faßnacht

Judith Huber, Catalina Navarro Kirner, Maria Peschek, Burchard Dabinnus, Helmut Dauner, Axel Röhrle, Christoph Theussl

Regie: Lorenz Seib

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