Metropol Theater Das Bildnis des Dorian Gray von Oskar Wilde


 

 

Alle Kunst ist völlig nutzlos

Oder: „Kein Kunstwerk vertritt jemals eine Absicht. Absichten haben nur Leute, die keine Künstler sind.“ Diese Quintessenz filterte Vyvyan Holland, jüngster Sohn Oscar Wildes, in seiner Biografie über den Autor des „Dorian Gray“ aus dem Werk seines Vaters heraus. Das meint in Bezug auf die Theaterstücke des großen Dubliners, dass Gesellschaftskritik lediglich ein untergeordneter Teil des Amüsements ist. Wenn Oscar Wilde tatsächlich dieser Ansicht war, so hat er sich schon mit der Formulierung dieses Leitsatzes selbst widerlegt. Allein seine Hinwendung zu ästhetisierenden Form ist bereits ein Statement und charakterisiert eine Epoche der Dekadenz. Diese Dekadenz spiegelte sich bei Wilde in höchster künstlerischer Intelligenz wider, die so entlarvend war, dass sich seine Bonmots noch heute höchster Beliebtheit erfreuen. Man sollte davon ausgehen, dass es eher eine Schutzbehauptung, denn eine Maxime war, die ihm das viktorianische England abverlangte und die ihn dennoch nicht rettete.

Mit „Dorian Gray“ schuf er ein der Ästhetik seiner Zeit verhaftetes, zugleich aber inhaltlich zeitloses Werk. Dorian Gray ist ein narzisstischer Mensch, den die Vorstellung des Alterns beinahe in den Wahnsinn treibt. Geliebt und begehrt zu werden ist sein höchstes Ziel. Wem das nicht bekannt vorkommt, der lebt vermutlich nicht in dieser Welt. Grays Malerfreund Basil Hallward hat ein Porträt geschaffen, das an Schönheit nicht zu überbieten ist. Gray, der die meisten seiner Konterfeis erstanden hat, und in das besagte Bildnis hingebungsvoll verliebt ist, muss erkennen, dass das Abbild den Alterungsprozess verschweigen kann, er selbst aber vergehen wird. Angestachelt von der zynischen Weltsicht seines epikureischen Freundes und Verehrers Lord Henry Wotton wird seine Sehnsucht nach ewiger Jugend übermächtig. Dann verkehren sich die Dinge. An Stelle Dorians altert sein Porträt. Seine Schönheit bleibt makellos und eröffnet ihm ein Leben, das seine Gier danach immer wieder anstachelt. Leichen pflastern schließlich seinen Weg. Er bleibt unentdeckt bis zum Ende ...

Regisseur Gil Mehmert setzte die Parabel um das Thema „ewige Jugend“ im Metropol Theater weitestgehend schnörkellos in Szene. Er vertraute durchaus auf die dramatische Fassung John von Düffels, die sich deutlich an der Romanvorlage orientiert, und tat gut daran. Heike Meixners Spielraum war ein glattpoliertes Terrain mit einem breiten Steg in den Zuschauerraum, wie man es aus Revuefilmen kennt. Einziger konkreter  Hinweis auf das Heute waren die Vorhänge aus Zelluloid und Magnetbändern, Stofflichkeiten, die zur Konservierung von Augenblicken dienen. Es war ein gelungener Entwurf, der den Raum auf erstaunliche Weise veränderte und erweiterte.
 
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Judith Toth, Thorsten Krohn

© Hilda Lobinger

 

Gil Memert besetzte die Rolle des Dorian Gray mit Judith Toth, die wieder einmal souverän agierte. Allerdings war ihrer Darstellung eine (faustische) Schwere eigen, die das auf Genuss zielende und darum leichte Spiel, als solches sollte das tödliche Treiben laut Oskar Wilde verstanden werden, beinahe durchgängig als emotionale Mühsal erscheinen ließ. Diese Besetzung förderte immerhin die Entgrenzung aller Geschlechtlichkeit, denn wie im Roman, flackert auch in von Düffels Bühnenfassung ein homoerotisches Hintergrundlicht durch den Raum. Thorsten Krohn, der seine Qualitäten in der Rolle Lord Henry Wottons erst im zweiten Teil des Stückes unter Beweis stellen konnte, hatte ein deutliches Handicap. Er war mit einer Perücke ausgestattet, die von so ausgesuchter Hässlichkeit war, dass man den Blick nicht davon wenden konnte. Ähnlich, wenngleich nicht ganz so drastisch, erging es Konstantin Moreth als Malerfreund Basil Hallward, ein Schauspieler, der in etlichen Rollen am Metropoltheater überzeugen konnte. Als beide, zur Erklärung ihres Alterungsprozesses ihre „Fifis“ endlich absetzten konnten, trat ihre ansehnliche Natürlichkeit zutage. Wenn diese Perücken Insignien sein sollten, die Unnatürlichkeit der snobistischen Ästhetik zu definieren, ging das gründlich daneben. Uneingeschränkt überzeugend waren die Darsteller immerhin in den Nebenrollen.

Eine Eindringlichkeit der Vorgänge wurde durch die fabelhafte Musik von „elektra volksbad“ erreicht. (Jakob Haas und Adrian Sieber)  Sabrina Khalil, die auch in verschiedenen Frauenrollen agierte, brachte mit ihrem Gesang einen melancholischen Unterton zum Klingen. Allerdings verwies diese Inszenierung damit auch auf einen Trend im Schauspiel. Immer häufiger gelangt Livemusik zur Aufführung, was die Inszenierungen gefälliger macht, das gesprochene Wort aber nicht selten überdeckt und dessen Sinn verblassen lässt.

Leider gelang es den Darstellern eher selten, den brillierenden Geist Oskar Wildes zum Strahlen zu bringen. Den Schlüsselsätzen, den Bonmots, dem sophistischen Witz wurde zu wenig Raum gegeben. Ein gelegentliches Innehalten hätte vielleicht Wunder gewirkt und so war das intellektuelle, sprachliche und ein daraus möglicherweise resultierendes komödiantisches Feuerwerk eher ein Schwelbrand, den man durch Bespielen des Zuschauerraumes unter die Anwesenden zu tragen suchte. Einige Längen konnten nicht vermieden werden.

Diesen großartigen Stoff auf die Bühne zu bringen, war ein lobenswerter Versuch. Die Inszenierung anzuschauen hatte durchaus den einen oder anderen Reiz. Allerdings wird sie wohl kaum in der Erinnerung ankern.

Wolf Banitzki

 

 


Das Bildnis des Dorian Gray

von Oskar Wilde

Übersetzung und Bühnenfassung von John von Düffel

Judith Toth, Thorsten Krohn, Konstantin Moreth
Musik: elektra volksbad - Sabrina Khalil, Jakob Haas und Adrian Sieber


Regie: Gil Mehmert

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