Cuvilliès Theater Das Ende vom Anfang von Sean O'Casey


 

 

 
Behäbig und wenig überraschend

O'Caseys Farce ist eine echte Kuriosität. Immer wieder scheitern Theatermacher daran und dennoch findet sich immer wieder einer, der das Stück scheinbar zwanghaft auf die Bühne bringen muss. Die Figur des Dichters ist ohne Zweifel der Betrachtung wert, siehe auch "Das Ende vom Anfang" im Theater Viel Lärm um Nichts, und einige seiner Stücke sind unbestritten Weltliteratur. "Das Ende vom Anfang" allerdings ist eine Chaplineske, die kaum noch jemand so auf die Bühne bringen kann, dass sie das Publikum mitreißt und seine Erwartungen befriedigt. Sean O'Casey schrieb das Stück, das weder einen sozialen, noch einen politischen Anspruch befördert, um vor dem Elend der Welt, und er wusste, wovon er sprach, nicht in die Knie zu gehen. Denselben Anspruch vertrat Chaplin, dessen Gegenstand der Betrachtung stets der "Kleine Mann" war. Erinnert man sich an Chaplin und seine Werke, insbesondere die der Stummfilmzeit, sieht man stets einen heruntergekommenen, vom Leben gedemütigten, nie würdelosen kleinen Mann, der auf quirlige Weise den Härten der Realität widerstand. Ein Happy End gab es nie, und wenn es eines gab, dann konnte man sich darauf verlassen, dass es nicht von Dauer sein würde.
 

Michael von Au, Oliver Nägele

© Thomas Dashuber

 

Der Mensch im Getriebe des Daseins und die Tücken des oder der Objekte bestimmten dabei die Dramaturgien, deren Umsetzungen häufig mit körperlichem Einsatz einhergingen. Slapstick, aus dem Englischen "Holzklapper", mit dem der Schauspieler einen Schlag vortäuschte, nannte man das Genre. Heute sucht man es in der Kunst vergeblich. An seine Stelle ist Action getreten, etwas, worüber nur selten zu lachen und dessen Witz um mindestens eine Dimension platter ist, weil sich die humanistische Komponente dauerhaft als wenig markttauglich erwies.

Die Story, wenn man das Ganze überhaupt als eine solche fassen kann, ist simpel. Darry Berrill gerät mit seiner Frau darüber in Streit, dass die von ihr erbrachte Arbeit im Haushalt lächerlich sei. Lizzie reagiert selbstverständlich sauer und es kommt zum Rollentausch. Eine Wette besiegelt das Unterfangen. Lizzie geht die Wiese mähen und Darry erledigt die, wie er meint, geringfügigen Tätigkeiten im Haus. Doch ehe er zur Tat schreiten kann, gilt es die Körperertüchtigung zu absolvieren. Just in dem Moment stößt der beinahe blinde Nachbar und Freund Barry hinzu, um gemeinsam mit Darry ein Lied zu proben. Die musikalische Probe geht langsam in einen Zerstörungsorgie über, in der sich das Berrillsche Anwesen in ein Schlachtfeld und die Protagonisten in schwer verwundete Krieger verwandeln. Wenn auch für jedermann offensichtlich wird, dass Darry die Wette verloren hat, so behält dieser doch das letzte Wort und stellt fest, dass in jedem Fall die Frau daran schuld sei.

Regisseur Dieter Dorn besetzte die Rollen der beiden Chaoten mit Oliver Nägele (Darry) und Michael von Au (Barry). Eva Schuckardt gibt kraftvoll, lautstark und streitlustig den kurzen Part der Ehefrau Lizzie. Ein wesentlicher Witz resultierte aus der an eine schwere Behinderung grenzenden Kurzsichtigkeit Barrys. Michael von Au brillierte in dieser Rolle, tänzelte nervig von einer Katastrophe in die nächste. Dieter Dorn belies es aber nicht bei einem Behinderten, sondern stellte dem halbblinden Barry den durch die Körperfülle sichtlich eingeschränkten Oliver Nägele gegenüber. Das Konzept ging visuell auf. Allein, im Film kann man Szenen mehrfach drehen, bis sie in Ablauf und Tempo stimmen. Als Oliver Nägele durch den Kamin gezerrt wurde, war der Darsteller sichtlich an seinen (körperlichen) Grenzen. Der uneitle Umgang mit seinem Körper muss ihm hoch angerechnet werden. Doch leider führte das Spiel immer wieder in eine Behäbigkeit, die den Witz voraussehbar machte. Wenn im Slapstick die Dinge berechenbar werden, büßen sie ihre Wirkung ein. Immerhin dauerte die Vorstellung im Cuvilliés Theater eine und eine halbe Stunde. Andere Inszenierungen brachten es gerade einmal auf eine Stunde.

Dass Regisseur Dorn in Zeiten von Sparzwang noch über reichlich Mittel verfügt, bewies das Bühnenbild von Stefan Hageneier. Das Berrillsche Haus stand in Gänze auf der Drehbühne. Gedreht, gewährte es dem Zuschauer Einblicke ins anfänglich noch sehr aufgeräumte Innere. Selbst für eine Prospektlandschaft war Platz auf der vergleichsweise kleinen Bühne. Die Illusion war perfekt, auch dank der sehr guten Lichtregie.

Doch Dieter Dorn setzte auf einen anderen Trumpf. Der stach schon einmal, nämlich in "Androklus und der Löwe". Diesmal brachte er unter Mithilfe der Kung Fu Academy Berlin und den Darstellern Bambang Tanuwikarja und Benjamin Schiegl eine hinreißende Kuh auf die Bühne. Das alte Theatergesetz bewahrheitete sich auch in dieser Inszenierung: Kinder und Tiere stehlen jedem Darsteller die Show. Die Kuh wird zweifellos im Gedächtnis der Zuschauer bleiben, die Geschichte um die beiden chaotischen Unglücksraben wohl nur dank der Kuh.


Wolf Banitzki
 
 

 


Das Ende vom Anfang

von Sean O'Casey

Eva Schuckardt, Michael von Au, Oliver Nägele, von der Kung Fu Academy Berlin Bambang Tanuwikarja und Benjamin Schiegl

Regie: Dieter Dorn
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