Ensemble Persona Medea von Euripides


 

 

Das Spiel von Plus und Minus

Zwischen diesen beiden Polen breitet sich die Diskrepanz des Lebens aus. Vergeblich versucht mann mit Gesetzen eine Ordnung in und wider die Natur zu erstellen. Es ist und bleibt ein Versuch, bis heute. Die Regeln der Väter, die sie ihren Neigungen gemäß deklamieren und doch einzuhalten nicht wirklich in der Lage sind, dienen als Grundlagen für die menschliche Gesellschaft im bürgerlichen Sinn. Das Ideal als Illusion, die Karotte vor der Nase des Esels. So wie das Wort „Gerechtigkeit“ eine Folge von Lauten ist, die unterschiedlichste Vorstellungen hervorrufen, so stellt sich die Frage nach Recht per se.  

In Thessalien hatte einst Pelias den Thron in Besitz genommen. Den rechtmäßigen Thronfolger Jason schickte er das Goldene Vlies zu erobern, wohl wissend, dass dieser die Aufgabe niemals bewältigen kann. Hauptsache ...  und Jason wäre ein Held. Die Geschichte nahm Gestalt an in der Welt. Vor 2500 Jahren schrieb Euripides die Tragödie „Medea“. Sie erzählt von der Auflösung der in Abenteuern gewachsenen Beziehung zwischen Jason und Medea und von Konsequenz. Kaum ein Mythos wurde so oft wieder aufgegriffen und in neue Formen gefasst wie dieser. Die Gegenüberstellung von kultivierten Griechen und der Barbarin Medea beschäftigt, bis heute.

 

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Jaqueline Le Saunier, Tillbert Strahl

© creActor


Kurt Roeske, ein bekannter Philologe und Autor zahlreicher Werke im Themenkreis griechische Mythologie, übersetzte das Stück „Medea“ neu. Moderne elegante Sprache in klassischem Versmaß zeichnet die Fassung aus. Das Ensemble Persona hat sich dem Motto „Sie lieben Sprache? Wir halten Wort.“ verschrieben und damit einen klaren Schwerpunkt definiert. Um diesen Kern ließ Regisseur Tobias Maehler eine Aufführung in Anlehnung an antike Form entstehen. Die Komponenten fügten sich zu einem außergewöhnlichen Theatererlebnis.

Wortbruch, Rache, Schmerz, Liebe, Gerechtigkeit. Die Worte waren an die weißen Segel der Argo projiziert, welche den Bühnenhintergrund bildeten. Gleichsam auch Haus und Rückzugsraum vorstellten. Die Amme führte über den Prolog in die Geschichte und an das Geschehen heran. In den Gesetzen der Zeit hatte eine Frau vor allem eines zu sein, nützlich. Dies und weitere gesellschaftliche Umstände wurden dargelegt. Dem modernen Zeitgeist folgend, bezog der Chor auch umfassender ein, er agierte im Rücken des Publikums, bewegte sich zwischen Außenraum und Bühne. Mit Klangschalen und Trommel wurden die Urkräfte beschworen, bis heute.

Jaqueline Le Saunier in der Rolle der Medea sprach die ersten Worte aus dem Schutz des Hauses, das zu verlassen von ihr gefordert worden war. Ihre Person geriet in den Focus öffentlichen Interesses, Zuspruch und Ablehnung erklangen im Raum. Chor und Protagonistin im Wechselspiel von Moral, Verstand und Gefühl. Die Schauspielerin, bedacht auf Sprache und Haltung, verkörperte die Figur klar dem Text folgend. Der Moderne geschuldet, zeigte sie Emotion – Enttäuschung, Nachdenklichkeit, Verzweiflung – in ausgewogenem Maße. Sanft und klug gab sie die als Barbarin geschmähte.

Peter Kaghanovitch spielte Kreon als einen machtvollen, doch zurückhaltenden König. Ausgleichend und doch bestimmend um das Wohl seiner Tochter Kreusa besorgt, dem Land und den Untertanen verpflichtet, tat er achtunggebietend seinen Willen kund. Wer Herrschende in ihrer Handlungsweise in Frage stellt, sei auszuschließen, so die Botschaft. Das Gesetz der Einigkeit in der Gemeinschaft stehe über allem Dasein. In der Rolle des Aigeus hingegen kam durch ihn die großzügige und nach Auswegen suchende Seite eines Mannes, Herrschers zum Ausdruck.

Tillbert Strahl zeigte einen ausgeglichenen, doch entschlossen seinen Interessen folgenden Jason. Emotional umgänglich und sich durchaus seiner Schwächen bewusst, suchte er nach der Erfüllung seines Lebenstraumes. Es ist Jasons Wille sein Leben als Held und Flüchtling zu beenden und es ist Medeas Kindstötung, die ihm den Traum erfüllt. Verpflichtung und Bindung an Vergangenheit entfallen. Jasons Traum „König“ zu sein, der rote Faden in seinem Wollen und Tun, führte ihn. Er erreichte sein Ziel. Doch was nützte Jason die Anerkennung in der Gesellschaft, wenn sie auf Trümmern basiert. Innerlich gebrochen blieb der neuzeitliche Jason zurück, als Medea in Helios Feuerwagen (mindest so anmaßend wie mann es gewöhnlich tut) Gericht über ihn hielt.

Die Wahrung von Form und ausgewogener Dimension in Spiel- und Darstellung zeichneten die Inszenierung aus. So wie auch Kreon forderte, „... maßvoll möge Handeln sein ...“. Eine katharsische Botschaft für das Miteinander. Dieses auf der Bühne umzusetzen in ästhetische Bilder, klare Sprache und personifizierende Präsenz ohne Masken gelang dem Regisseur Tobias Maehler.

Für Freunde des klassischen Theaters unbedingt sehenswert. Und nachvollziehbar; die im Spiel angerufenen Götter dienten in der Vergangenheit als Schicksalsmächte, ganz wie es jenen genehm, die einen Himmel, Olymp oder Hades beschwören als Fluchtpunkt wohl vor sich selbst. Solange es diese Verantwortlichen gibt, scheint „die Welt in Ordnung“.


C.M.Meier

 

 
 

Medea

von Euripides
Übersetzung von Kurt Roeske

Jaqueline Le Saunier, Peter Kaghanovitch, Tillbert Strahl
Chor: Lisa Bales, Sara Lynn Bürkle, Sandra Kindt, Clara Luttenberger, Sabrina Ronacher, Stella Sieger
Kinder: Jonathan Becher, Matti Nasko

Regie: Tobias Maehler

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