Metropol Theater Selber fremd von Beckett / Valentin


 

 

Gentest: Negativ

Das Metropol Theater wartete wieder einmal mit einem ungewöhnlichen Projekt auf. Valentin in München auf die Bühne zu bringen, kann als solches kaum gelten, ihn aber mit Beckett paaren zu wollen, verdient Anerkennung.

"Beide (Valentin und Beckett - Anm. W.B.) waren geistige Geburtshelfer des 20. Jahrhunderts, ohne sie sähe es heute in der Kunst ärmer aus. In clownesker Verzweifelung über das Sagbare und Unsagbare spähten sie Situationen am Rande des Gesellschaft aus, schifften illusionslos in den Fahrwassern der Tiefenpsychologie und Sprachkritik an den Rändern des Nichts." (Programmheft zur Inszenierung) An dieser Stelle sei nebenher angemerkt, dass Becketts literarische Öffentlichkeit und Wirkung eindeutig in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts angesiedelt war, was ihn kaum zu einem Geburtshelfer des Jahrhunderts machte, vielmehr zu einem Sargträger. Genauigkeit im Umgang mit Tatsachen ist heute scheinbar keine Tugend mehr.

Regisseur Gerd Lohmeyer war aufgebrochen, um die Verwandtschaft der beiden herausragenden Künstler des 20. Jahrhunderts zu beweisen - und scheiterte. Nicht jeder, der sich mit den Absurditäten des Lebens befasste, war Autor des Theaters des Absurden. Beckett geht es um die Absurdität des Lebens, nicht um deren Absurditäten. Spätestens wenn im Programmheft die Ziele beider Dichter definiert wurden, offenbarte sich eine tiefe Kluft: "Der eine (Valentin - Anm. W.B.) lebte davon, mit seiner nackten Weltsicht die Leute zum Lachen zu bringen, der andere (Beckett - Anm. W.B.) schuf lupenreine Gebilde aus Sprache und Theater." War letzteres ein Ziel oder doch eher das Ergebnis seiner Bemühungen im geistigen Überlebenskampf? Beckett wollte nichts, denn er war zutiefst von der Untauglichkeit seiner Bemühungen überzeugt. Beckett: "Wo du nichts giltst, da sollst du nichts wollen."

 

   
 

Adolf Adam, Wolfgang Bauschmid, Julia Breun, Marisa Burger, Johannes Herrschmann, Thomas Kollhoff, Monika Manz

© Hilda Lobinger

 

 

Nein, die Komik beider Dichter ist keineswegs zu vergleichen, da helfen auch keine Ratespiele im Programmheft. Valentin stilisierte sich selbst zum Objekt der humoristischen Betrachtung, wobei er die Realität zur Hilfe nahm. Zum Beispiel: "Wenn ein Delinquent, der am Montag zum Galgen geführt wird, die Äußerung tut: "Na, die Woche fängt gut an", so entwickelt er selber den Humor, der humoristische Vorgang vollendet sich an seiner Person und trägt ihm offenbar eine gewisse Genugtuung ein." (Sigmund Freud: Der Humor) Das war das Valentinsche Prinzip, über welches er Absurditäten offen legte. Becketts Vorstellung vom Dasein war eine tiefe Überzeugung von der Absurdität an sich. Er meinte, man müsse die Dinge nur mit aller Konsequenz zu Ende bringen, dann stelle sich Lachen ein. Dieses Lachen mit Humor in Zusammenhang zu bringen, bleibt ein Wagnis. Nein, Valentin und Beckett sind nicht verwandt, auch wenn letzterer eine tiefe Sympathie für den Münchner hegte.

Dennoch ist die Arbeit von Gerd Lohmeyer eine sehenswerte. In dem er beide Dichter einander näher rückte, veränderte sich auch die Sichtweise auf die jeweiligen Texte. Die Beckettsche "Katastrophe" als einen Valentinschen Vorgang zu betrachten, hatte seinen Reiz. Der Text erwies sich für komödiantisches Spiel als tauglich, auch wenn sich Beckett selbst jeglichen mimischen und gestischen Kommentar verbeten hätte. Er hätte es mit Sicherheit als Sinnentstellung empfunden. Bei "Ohio Impromptu" hingegen folgte man den Anweisungen des Autors und prompt wurde die Kluft zu allen anderen Texten sichtbar. Ein Lachen kam im Publikum nicht auf. Wie auch, wartete man doch auf Valentinschen Witz und nicht auf Beckettsche Einsichten, die erst in der letzten Konsequenz Lachen hervorbringen.

Die Valentinschen Texte, hier weitestgehend von physisch gestalteter Komik befreit, bestachen durch den Witz, der den Texten innewohnte. Lohmeyer erzielte Momente der höchsten Konzentration und aller Klamauk, der allzu gern bei Valentin entwickelt wird, fiel ab. Hilfreich für diese Vorgänge war das Bühnenbild von Bernhard Gross. Aus erzfarbenen Würfeln hatte er einen Berg gestaltet, der immer wieder erklommen werden wollte. Das Leben ist halt eine einzige "Bergsteigerei". Die schauspielerische Leistung bewerten zu wollen, wäre unangebracht. In schmutziggrauen Unterkleidern gehüllt, waren alle gleichermaßen in die existenzielle Anonymität gedrängt und erfüllten ihren Part vorbildlich. Es war ein perfektes Ensemblespiel. Die Kostümbildnerin Martina Bieräugel leistete dabei ganze Arbeit.

So mag diese Inszenierung als Diskussionsangebot gewertet werden, das einen unterhaltsamen Charakter hatte. Der genetische Test allerdings fiel negativ aus, was Scheitern bedeutet. Doch Scheitern auf hohem Niveau ist allemal zu begrüßen.

 
 
Wolf Banitzki

 

 


Selber fremd

von Beckett / Valentin

Adolf Adam, Wolfgang Bauschmid, Julia Breun, Marisa Burger, Johannes Herrschmann, Thomas Kollhoff, Monika Manz, Gerhard Wittmann

Regie: Gerd Lohmeyer
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