Teamtheater Tankstelle Cyrano, Poet und Haudegen von Edmond Rostand / Roets / Vissers


 

 

Wie die Nase eines Mannes, … so auch sein Selbstbewusstsein

Es ist eine romantische Liebesgeschichte, deren Plot zu hemmungslosen Tränen rühren könnte, wäre da nicht das Ding, das stets im Weg ist, dass sich in jedermanns Bewusstsein bohrt und das den wunderbaren und liebenden Helden Cyrano de Bergerac, Poet und Feingeist mit geschliffener Zunge, verstummen lässt im Angesicht der Angebeteten. Das begehrte Weib ist die Cousine Roxane. Das Ding ist die Nase Cyranos, ein wahrhaft gewaltiger Zinken, dessen Anblick manchem Mitbürger das Leben kostet, denn einzig Cyrano ist es erlaubt, Scherze über das Monstrum zu machen. Wer dies vergisst, sieht sich mit der Degenspitze des adligen Hauptmanns konfrontiert. Einer, der sich dergestalt gefordert sieht, ist der Comte de Guiche, Marschall von Frankreich. Der alte Zausel hatte der schönen Roxane den Hof gemacht und um ihre Hand angehalten. Cyranos Degen brachte ihn jedoch vom Freierspfad ab, was den nachtragenden Marschall zutiefst verletzte. Seine Stunde der Vergeltung würde kommen, soviel war gewiss. Roxane indes hatte sich in einen dümmlichen, aber schönen Laffen namens Christian von Neuvillette, wie Cyrano Gascogner Kadett, verliebt. Sie bittet ihren mannhaften Cousin, seine starke Hand über den Neuling im Regiment zu halten.

In seiner tiefen Liebe zu Roxane und angesichts der Tölpelhaftigkeit des auserwählten Christian, leiht Cyrano dem stupiden Liebhaber sein poetisches Talent und seine tiefen Gefühle, um das Mädchen glücklich zu machen. Er schreibt ihr Liebesbriefe und Gedichte und betört sie sogar unerkannt mit eigener Stimme. Christian fährt die Ernte ein und heiratet sie. Doch er kann die Früchte nicht genießen, denn es ist die Stunde des Grafen Guiche, der, gerade zum Oberbefehlshaber der französischen Truppen gegen die Spanier ernannt, Cyrano und Christian an die Front schickt. Cyrano schreibt der Angebeteten im Namen Christians täglich zwei Briefe und bringt diese des Nachts sogar durch die feindlichen Linien. Als Roxane auf dem Schlachtfeld auftaucht, um dem Ehemann ihre Aufwartung zu machen, fällt dieser. 14 Jahre verbringt Roxane in einem Kloster, erfüllt vom Andenken ihres einzigartigen Mannes. Pünktlich jeden Samstag erscheint Cyrano bei seiner Angebeteten. Er vermag die Illusion aufrecht zu erhalten bis zum Tag seines Todes. In einem Attentat schwer verletzt, erscheint er bei Roxane, die in diesem Augenblick erkennt, wen sie tatsächlich geliebt hat. Doch es ist zu spät. Cyrano stirbt in ihren Armen.


Das von Edmond Rostand 1897 verfasste romantisch-komödiantische Versdrama feierte am 28. Dezember 1897 am Pariser Théâtre de la Porte Saint-Martin seine glanzvolle Uraufführung. Das Stück hat alles, was ein Erfolgsstück braucht, eine betörende Liebesgeschichte, Sex and crime und action. Darum ist es auch in seiner mehr als hundertjährigen Geschichte vielfach adaptiert worden. Die Produktion des FRITZ-Theaters Chemnitz mit dem Titel „Cyrano, Poet und Haudegen“ kam am 15. August auf die Bühne des Teamtheaters Tankstelle. Es war eine springlebendige, schmissig-komische und komödiantische Interpretation des Stoffes um den langnasigen Helden. Antonio da Silva verkörperte einen properen Cyrano, dem man sowohl die physische Gefährlichkeit wie auch den poetisch-geistvollen Liebenden abnahm. Da Silva gelang es mit physischer Agilität die Erwartungen, die man gemeinhin an ein Mantel- und Degenstück hat, hinreichend zu entsprechen. Es gelang ihm aber ebenso, sensibel das Leiden des vermeintlich ungeliebten Mannes sichtbar zu machen und Momente voller Tragik zu erzeugen, die nie rührselig wurden. Das war wohl die wichtigste Qualität der gelungen Inszenierung, denn allzu verführerisch ist es bei diesem Stück, das Publikum mit plattem Witz und rüdem Haudrauf zu unterhalten.


Für die Inszenierung zeichnete Hardy Hoosman verantwortlich, der gleichsam fast alle anderen Rollen gestaltete. Dem hageren, hoch aufgeschossenen Schauspieler mit kantigem Charaktergesicht fiel es dabei wahrlich nicht leicht, einen schönen, jungen Liebhaber mit den „Locken eines griechischen Gottes“ zu spielen. Allein, dieser Christian war ein recht blöder Geselle und so stand Hoosman die der Figur innewohnende Komik rettend zur Seite. Die lebte er ebenso hemmungslos als kriegsversehrter, aber immer noch eine wackere Klinge schlagender Comte de Guiche mit Handprothese und ohne jegliche Gefühlsmimik aus. Als grimassieren Soldat indes schien er einem Slapstickfilm entsprungen zu sein. Isabelle Weh spielte ihre Roxane leichtfüßig und erfrischend. Sie war keine vom Aphrodisiakum der Liebe benebelte Barbie, sondern ein bodenständiges Mädchen mit aufrichtigen Träumen.


Der Spielraum war von Elke Scheuermann entworfen und von Carsten Linke und Lars Erik Lang umgesetzt worden. Er bestand aus zwei begehbaren goldfarbenen Türmen mit einem laufstegartigen Möbel, aus dem Podeste herausgelöst werden konnten, das aber auch Schubladen für Spielutensilien und sogar Kanonen beinhaltete. Es war ein wahrhaft praktisches Bühnenmöbel, das viel vorstellen, aber auch viel beinhalten konnte.


Die knapp zweistündige Inszenierung war kurzweilig und unterhaltsam, weil rasant, lebendig und über weite Strecken komisch bis saukomisch. Szenische Lösungen überraschten, Texte berührten und manche Geste sprang als zeitgenössisch über die Rampe. Dem Publikum gefiel es und so bedachte es die guten Leistungen der Darsteller mit viel ehrlichem Applaus. Wer also auch im Sommerloch (Was immer das sein mag?) nicht auf Theater verzichten möchte oder kann, dem sei diese Inszenierung wärmstens empfohlen. Sie ist bis zum 6. September von Mittwoch bis Samstag und ab dem 31. August bis zum 7. September auch jeden Sonntag zu sehen. Also: Nix wie hin!

 

Wolf Banitzki

 


Cyrano, Poet und Haudegen
poetisches Abenteuer von Edmond Rostand / Roets / Vissers
Eine Produktion des FRITZ- Theaters Chemnitz

Isabelle Weh, Antonio da Silva, Hardy Hoosman

Regie: Hardy Hoosman

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