Theater 44 Ausgestiegen; Hiergeblieben! von Willy Russel




Rebellion im Reihenhaus

Geköpfte Gartenzwerge, bemalte Salatköpfe, die Vorgarten-Venus-von-Milo mit angeklebten Armen - das Grauen geht um im ach so wohlgeordneten Südost-Viertel. Doch all dem "Verbrechen" und der langweiligen Fassade zum Trotz bereitet Pauline die Feier zum 40. Geburtstag ihres Mannes vor. Dennis, von der Krise der Lebensmitte erfasst, versucht vergeblich die Aufmerksamkeit seiner Frau auf sich zu ziehen. Damit meint Dennis auf sich und seine Träume und nicht etwa auf die Fassade die er mittlerweile vorstellt. Doch Pauline, von den Notwendigkeiten des Alltags und den Vorbereitungen für die Feier getrieben, zeigt wenig Verständnis, zumal Dennis Eltern und ein befreundetes Ehepaar erwartet werden. Für sie ist alles bis auf das Grauen geradezu perfekt. Die Eltern, verloren in der großen anonymen Siedlung, finden weder Straße noch Haus. Die Freunde, Musterbild eines modernen Paares, reißen das Geschehen an sich während Dennis erst ruhig, dann immer heftiger aufbegehrt. Es tobt der Sturm im Wasserglas, und schließlich …

Willy Russel, geboren in Whiston, einem Vorort von Liverpool, schrieb aus seinem Leben, thematisiert, was er geschafft hat: Aus dem vorgegebenen Pfad ausbrechen und die Träume Realität werden lassen - vom schlechten Schüler und Friseur mit eigenem Laden, einer etablierten Position, nochmals einen Neubeginn zu wagen mit Nachtarbeit, Studium und dem ehrgeizigen Ziel Schriftsteller zu werden. Er schrieb Theaterstücke, Fernsehspiele, Musicals (Text und Musik). Zahlreiche Preise, unter anderem 1980 der "Preis für die beste Komödie des Jahres" für "Educating Rita" säumen seinen Weg. Die Krönung: 1990 verlieh ihm die Universität Liverpool den Ehrendoktor.
Es ist eine brillante Komödie die der Autor, ein sehr aufmerksamer Beobachter, in leichter heiterer Sprache verfasst hat und das, ohne jemals seicht zu sein. Humorvoll greift er den sozialkritischen Inhalt auf, formuliert die moderne Welt und das zeitlose Thema "Midlife Crisis". Die Inszenierung ist angenehm unaufdringlich. Die feinsinnige Regiearbeit von Irmhild Wagner lässt dem Text ausreichend Raum zur Entfaltung. Da hat auch der Zuschauer die Möglichkeit den entstehenden eigenen Gedanken und Bilder zu folgen: Sei es, dass er als 40ziger bereits mit einem Bein im Problem steht. Sei es als 60ziger, der all dies bereits weise belächeln kann. Sei es als 20ziger, dem es eine Mahnung sein sollte.

 


Adela Florow, Robinson Reichel, Heide Hoffmann, Bernhard Ulrich

© Hilda Lobinger


Träume können in unterschiedlichster Weise Gestalt annehmen. Vom Aufbegehren werden alle erfasst, weil, wie immer sie im Leben stehen, die Träume können sie im entscheidenden Augenblick alle nicht verleugnen. Roger (Bernhard Ulrich), der das Zeug zum Rocksänger hatte, vergeudet nun sein Talent in den Betten der Nachbarschaft. Die einst begehrenswerte Jane (Heide Hoffmann) flüchtet sich in Briefkastenpsychologie, Nouvelle Cuisine und systematischen Sex - "nur nichts dem Zufall überlassen". Adela Florow geht als Pauline in der Rolle als Hausfrau und Mutter auf. Nur Dennis, Robinson Reichel, hat keine Lebenslüge gefunden, deshalb leidet er unter seinen Träumen. Die Revolte endet auf dem Sofa unter den Klängen von "Born to be wild". Was sich nicht planen lässt, muss letztlich ausfallen. Auch das ist menschlich, allzu menschlich.
Die Darsteller bieten insgesamt ein gutes Ensemblespiel, das in dieser gelungenen Inszenierung mit Sicherheit einen kurzweiligen Abend verspricht.


C.M.Meier

 

 


Ausgestiegen; Hiergeblieben!

von Willy Russel

Adela Florow, Heide Hoffmann, Robinson Reichel, Bernhard Ulrich

Regie: Irmhild Wagner
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