Metropol Theater Kunst von Yasmina Reza
Männer
Serge kann es sich als Mediziner leisten, 200 000 für ein Bild auszugeben. Das heißt, er ist nicht reich, aber doch wohlhabend. Nein, eigentlich kann er es sich nicht leisten und er gesteht, dass er pleite ist. Nun gut, ein Bild ist eine Wertanlage und er könnte es für 220 000 sofort wieder an den Galeristen losschlagen, der es nur nicht selbst gekauft hat, weil er die Dynamik des Marktes nicht beeinflussen wollte. Was, wenn das Bild weiß ist, mit einigen weißen Streifen und einer weißen Linie. Marc ist entsetzt über die dümmliche Naivität des Freundes und nennt es „weiße Scheiße“, was Serge im tiefsten Innern verletzt. Er sieht deutlich die „starke Präsenz des Abwesenden“, erfühlt „die Vibrationen, zumindest bei Tageslicht“. Marc eilt zu Yvan, der in Hochzeitsvorbereitungen steckt, und erzählt ihm von Serge und seiner Anschaffung. Als Yvan das Bild betrachtet, er wusste ja was ihn erwartet, signalisiert er Zustimmung. Jetzt treffen allen drei aufeinander, sie hatten sich zum Kino verabredet, und die Männerfreundschaft schmilzt dahin wie ein Sorbet in der Sonne. Marc meint, das wäre nie passiert, hätte man, wie in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert, seinem Urteil, selbstredend das einzig richtige, vertraut. Yvan versteht das alles nicht, hat eigentlich ganz andere Probleme, denn er ist in eine unselige Mesalliance geschlittert und weiß nicht, wie er sich retten kann. Marc nennt ihn wegen seiner Zustimmung zum Bild einen „servilen Speichellecker“. Serge jammert über die Ignoranz der Freunde, über ihre Unfähigkeit, in künstlerischen Kategorien zu denken und zu empfinden. Am Ende, und das ist eine wunderbare Eigenschaft des Stückes, bringt eben diese „weiße Sch...“ die Freunde über eine Schweizer Kuhgallenseife wieder zusammen.
Autorin Yasmina Reza bringt den Mythos Männerfreundschaft zwar ins Wanken, doch sie denunziert ihn nicht wirklich. Es gibt ein versöhnliches Ende. Ebenso wenig verrät die Autorin die Kunst. Man mag über das Bild denken, was man will, Frau Reza stellt es zur Diskussion und es kommen durchaus überzeugende Argumente dafür ans Licht, dass es sich tatsächlich um Kunst handelt. Natürlich geht es in dem Stück gleichen Namens gar nicht um Kunst. Im Grunde ist das Bild ja nur Katalysator für die Reaktionen, die zwischen den Männern ablaufen, Reaktionen, die längst überfällig sind und nur aufgestaut waren. Dennoch geht Frau Reza sehr sensibel mit dem Thema Kunst um.
Serge ist nach seiner Scheidung in einer Sinnkrise und kompensiert diese mit einer ästhetischen Neuausrichtung. Yvan wird zunehmend deutlicher, dass er sich um die Sicherheit im Alter schlichtweg verkauft hat, und Marc, ein Mann von naturwissenschaftlicher Nüchternheit, nimmt seit kurzem homöopathische Beruhungsmittel. Wenn das kein Zeichen ist!
Serge kann es sich als Mediziner leisten, 200 000 für ein Bild auszugeben. Das heißt, er ist nicht reich, aber doch wohlhabend. Nein, eigentlich kann er es sich nicht leisten und er gesteht, dass er pleite ist. Nun gut, ein Bild ist eine Wertanlage und er könnte es für 220 000 sofort wieder an den Galeristen losschlagen, der es nur nicht selbst gekauft hat, weil er die Dynamik des Marktes nicht beeinflussen wollte. Was, wenn das Bild weiß ist, mit einigen weißen Streifen und einer weißen Linie. Marc ist entsetzt über die dümmliche Naivität des Freundes und nennt es „weiße Scheiße“, was Serge im tiefsten Innern verletzt. Er sieht deutlich die „starke Präsenz des Abwesenden“, erfühlt „die Vibrationen, zumindest bei Tageslicht“. Marc eilt zu Yvan, der in Hochzeitsvorbereitungen steckt, und erzählt ihm von Serge und seiner Anschaffung. Als Yvan das Bild betrachtet, er wusste ja was ihn erwartet, signalisiert er Zustimmung. Jetzt treffen allen drei aufeinander, sie hatten sich zum Kino verabredet, und die Männerfreundschaft schmilzt dahin wie ein Sorbet in der Sonne. Marc meint, das wäre nie passiert, hätte man, wie in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert, seinem Urteil, selbstredend das einzig richtige, vertraut. Yvan versteht das alles nicht, hat eigentlich ganz andere Probleme, denn er ist in eine unselige Mesalliance geschlittert und weiß nicht, wie er sich retten kann. Marc nennt ihn wegen seiner Zustimmung zum Bild einen „servilen Speichellecker“. Serge jammert über die Ignoranz der Freunde, über ihre Unfähigkeit, in künstlerischen Kategorien zu denken und zu empfinden. Am Ende, und das ist eine wunderbare Eigenschaft des Stückes, bringt eben diese „weiße Sch...“ die Freunde über eine Schweizer Kuhgallenseife wieder zusammen.
Autorin Yasmina Reza bringt den Mythos Männerfreundschaft zwar ins Wanken, doch sie denunziert ihn nicht wirklich. Es gibt ein versöhnliches Ende. Ebenso wenig verrät die Autorin die Kunst. Man mag über das Bild denken, was man will, Frau Reza stellt es zur Diskussion und es kommen durchaus überzeugende Argumente dafür ans Licht, dass es sich tatsächlich um Kunst handelt. Natürlich geht es in dem Stück gleichen Namens gar nicht um Kunst. Im Grunde ist das Bild ja nur Katalysator für die Reaktionen, die zwischen den Männern ablaufen, Reaktionen, die längst überfällig sind und nur aufgestaut waren. Dennoch geht Frau Reza sehr sensibel mit dem Thema Kunst um.
Serge ist nach seiner Scheidung in einer Sinnkrise und kompensiert diese mit einer ästhetischen Neuausrichtung. Yvan wird zunehmend deutlicher, dass er sich um die Sicherheit im Alter schlichtweg verkauft hat, und Marc, ein Mann von naturwissenschaftlicher Nüchternheit, nimmt seit kurzem homöopathische Beruhungsmittel. Wenn das kein Zeichen ist!
© Hilda Lobinger |
Thomas Flachs Bühne ist für Metropoltheaterverhältnisse geradezu elegant. Im Vordergrund befindet sich eine fixe, von innen beleuchtete Bank, im Hintergrund eine Rote Wand mit zwei Türöffnungen links und rechts und in der Mitte ein drehbarer Abschnitt. Je nach sichtbarer Fläche die entweder das weiße Bild, eine Ansicht einer französischen Landschaft im flämischen Stil trägt oder leer bleibt, verändert sich der Ort.
Es waren die Monologe, einen atemberaubenden über den Streit der Familienmütter hielt Werner Haindl als entnervter Yvan (Szenenapplaus!), und die Dialoge zwischen den Männern, die sich so facettenreich gestalteten, dass absolut keine Längen aufkommen konnten. Die Schauspieler brillierten in Wort und Gestus, wobei Regisseur Jochen Schölch ausschließlich der Psychologie der Vorgänge und der Personen folgte. Selbst wenn gelegentlich überzeichnet wurde, blieben die Argumente glaubhaft und lebensecht.
Weder Autorin Yasmina Reza noch Regisseur Jochen Schölch kommentierten die Figuren. Regisseur Schölch ließ sie sein und vertraute auf die darstellerische Kraft der Akteure. Matthias Grundig dominierte als Marc den Abend. Schließlich hatte er als Pragmatiker und Desillusionist auch die ‚unkultivierteste’ und damit aufdringlichste Rolle. Rüdiger Hacker und Werner Haindl hielten sich tapfer, denn es war ihre Rolle im Stück, sich gegen Marc zu behaupten. Rüdiger Hacker als feinsinniger und hochkultivierter Ästhet tat das denn auch recht lautstark, als die Anfechtungen zu rüde wurde. Es wurde nicht mit Bösartigkeiten gespart. Auch Werner Haindl, der Opportunist, dessen Opportunismus eher aus Erschöpfung geboren war, kam irgendwann nicht um seine Selbstbehauptung herum. Und auf diesem zutiefst menschlichen Level trafen sie sich wieder und erneuerten ihre Freundschaft. Es war ein pointenreicher Abend, der unter Jochen Schölchs Regie zu einem geradezu perfekten komödiantischen Ereignis wurde.
Es war wohl kein Mann im Publikum, der sich nicht an der einen oder anderen Stelle ertappt fühlte und dem nicht seine eigenen Sünden einfielen. Vermutlich konnte das nur aus der Feder einer Frau kommen! Auch wenn man dabei recht wenig über Kunst erfuhr, über Männerfreundschaft wurde so ernsthaft nachgedacht, dass es erstaunlich komisch wurde. „Kunst“ ist eine weitere Erfolgsproduktion aus dem Hause „Metropol“, die sicherlich schon jetzt als heißer Tipp gehandelt wird.
Es waren die Monologe, einen atemberaubenden über den Streit der Familienmütter hielt Werner Haindl als entnervter Yvan (Szenenapplaus!), und die Dialoge zwischen den Männern, die sich so facettenreich gestalteten, dass absolut keine Längen aufkommen konnten. Die Schauspieler brillierten in Wort und Gestus, wobei Regisseur Jochen Schölch ausschließlich der Psychologie der Vorgänge und der Personen folgte. Selbst wenn gelegentlich überzeichnet wurde, blieben die Argumente glaubhaft und lebensecht.
Weder Autorin Yasmina Reza noch Regisseur Jochen Schölch kommentierten die Figuren. Regisseur Schölch ließ sie sein und vertraute auf die darstellerische Kraft der Akteure. Matthias Grundig dominierte als Marc den Abend. Schließlich hatte er als Pragmatiker und Desillusionist auch die ‚unkultivierteste’ und damit aufdringlichste Rolle. Rüdiger Hacker und Werner Haindl hielten sich tapfer, denn es war ihre Rolle im Stück, sich gegen Marc zu behaupten. Rüdiger Hacker als feinsinniger und hochkultivierter Ästhet tat das denn auch recht lautstark, als die Anfechtungen zu rüde wurde. Es wurde nicht mit Bösartigkeiten gespart. Auch Werner Haindl, der Opportunist, dessen Opportunismus eher aus Erschöpfung geboren war, kam irgendwann nicht um seine Selbstbehauptung herum. Und auf diesem zutiefst menschlichen Level trafen sie sich wieder und erneuerten ihre Freundschaft. Es war ein pointenreicher Abend, der unter Jochen Schölchs Regie zu einem geradezu perfekten komödiantischen Ereignis wurde.
Es war wohl kein Mann im Publikum, der sich nicht an der einen oder anderen Stelle ertappt fühlte und dem nicht seine eigenen Sünden einfielen. Vermutlich konnte das nur aus der Feder einer Frau kommen! Auch wenn man dabei recht wenig über Kunst erfuhr, über Männerfreundschaft wurde so ernsthaft nachgedacht, dass es erstaunlich komisch wurde. „Kunst“ ist eine weitere Erfolgsproduktion aus dem Hause „Metropol“, die sicherlich schon jetzt als heißer Tipp gehandelt wird.
Wolf Banitzki
Kunst
von Yasmina Reza
Matthias Grundig, Rüdiger Hacker, Werner Haindl Regie: Jochen Schölch |