It dont mean a thing

company nik It don*t mean a thing ... von Veronika Wolff


 

 

Wichtigstes Requisit: Vergangenheit

Jazz, ein Lebensquell. Duke Elllington und die Dreißiger des 19. Jahrhunderts. Der Song „It don’t mean a thing ...“ erklang auch im Deutschland des aufkommenden Nationalsozialismus. „Swings“ nannte man die dem Tanz und der freien Lebensweise zugetanen Jugendlichen. Doch für die Unangepassten wurden bald Programme geschaffen, zur Umerziehung und rücksichtslosen gewaltsamen Anpassung in gnadenlose Spießigkeit. „Polizeiliche Jugendlager“ nannte man diese Einrichtungen, wie das Jugend-KZ im niedersächsischen Moringen. „... und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!“, so der Führer in einer Rede. Allein vergeblich und absurd, ebenso absurd wie eine aktuell zwangsverordnete Fördermaßnahme in der einem ausgebildeten IT-Fachmann die Benutzung eines Schreibprogrammes erklärt wird. Doch immerhin keine unmittelbare körperliche Gewalt mehr und die Möglichkeit über Kopfhörer auszusteigen. Denn: Swing, das ist Leben per se. Jenseits von Ideologien und Machtstrukturen, jenseits von Klassen und Religionen.

In dem von Veronika Wolff geschaffenen Theaterstück fand berührend Auseinandersetzung statt. Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Gegenwart und menschlichem Schicksal auf seinen verschiedenen Ebenen. Doch anders als bislang üblich wurde diese Auseinandersetzung vom Swing getragen, der Leichtigkeit und Witz zu tragenden Elementen machte. Bittere Erkenntnis und der Löffel Zucker dazu. Zwei Schauspieler und Tourneetheaterunternehmer, Dominik Burki und Niels Klaunick, waren auf der Suche nach einem neuen Stoff. „Nazizeit kommt immer gut an ... die Leute stehn da drauf ...“ und der Film „Swingkids“  inspirierten. „Großes Kino“ und „Weltverändern“ sind ihre zentralen Anliegen. Doch Szene für Szene holte der Alltag sie ein, das Dasein als Seiltanz zwischen Kunst und Überlebenskunst. Grenzen waren kaum auszumachen in dem alles umfassenden, durchdringenden Konzept. Der Praktiker Niels nutzte den Computer, schaute den Film, suchte Stoff für morgen im gestern. Der Intellektuelle Dominik versuchte sich mit Telefon, Kaffeekocher und Rechtfertigung gleichzeitig. Multitasking Fehlreaktionen waren die Folge. Und seine beiden Kleinen, Paulchen und Alex, wurden auch schnell mal wieder zur Mutter zurückgeschoben, zumal der Knoten im Schnürsenkel eines Stiefels nicht zu lösen war. Konfus, kreativ, kommunikativ – so agierten sie. Und zu allem Überfluss wurden, ganz dem Tenor einer Psychogesellschaft folgend, auch noch Regungen wie Unzufriedenheit und Pflichtbewusstsein in Figuren sichtbar. Locker und sichtlich geübt sprangen die beiden personifizierten Schauspieler professionell von Rolle zu Rolle, spielten zudem Freund, Kollege und Kindersynchronstimme in rasantem Wechsel. Wer kennt sie nicht die Situation vor dem Kleiderschrank und die Möglichkeit zu wählen. Den Ledermantel mit Rangabzeichen, das Sakko und der leichte Schal, die Armbinde des Bürokraten und die Federboa der Dekadenz (Kostüm: Katharina Schmidt). Was immer Mensch kleidet, entspricht einer Eigenschaft, also auch Uniformierung als Einschränkung. Kleiderwechsel dagegen belebt eine Gesellschaft, schafft Abwechslung und farbenfrohen Swing. Und den braucht es, bei allem was Schwarz auf Weiß in den Briefkästen landet.

In der Mitte der Bühne stand eine Kiste. Die Erde, die Welt, das Ei. Aufgeklappt durchaus als Einraumapartment zu erkennen, diente sie geschlossen und gewendet ebenso als Altar für Glaubensfragen, wie auch als Monument für die Flagge der Französischen Revolution. Blut, Degenkampf und ... alles begann mit einem frenetischen Schlussapplaus.

 

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Dominik Burki, Niels Klaunick

© Severin Vogl


Die Feststellung, „Wir müssen unbedingt etwas gegen die Missstände tun!!“ (Programmheft), wurde im Schauspiel zu, zum Nachdenken anregenden Bildern umgesetzt. Beifall! Denn nicht nur Jazz, sondern auch Theater ist ein politisches Kampfmittel. In dem Werk hatten sich zwei starke Kräfte verbündet.
Die außergewöhnliche Perspektive mit der Veronika Wolff und companie nik an das Thema herangingen, führte in humorvollen Momenten den zu Grunde liegenden Mechanismus vor Augen. Den Blick, das Gewissen hält man hierzulande stets auch auf Vergangenheit gerichtet und diese wurde zum Kult um eine Schuld erhoben. Mit Ritualen und Betroffenheit (tatsächlich also Bestärkung) wird offiziell vor diesen Fehlhandlung gewarnt, die man allerdings auf anderer Ebene weiterführt.
Was man als durchaus vergleichbaren Faktor erkennen kann, ist die absolut alternativlos dargestellte Vorgangsweise mit der eine Doktrin als ultimative Heilsbotschaft angesehen und vertreten wird. Unumstößlich war dereinst die Erhaltung und Verbreitung einer Rasse (ein natürlicher Arterhaltungsvorgang der entartete) das „Oberstes Gesetz“, vor dem die Haken zusammengeschlagen wurden. Heute ist es das „Gesetz des Marktes“, vor welchem gekatzbuckelt und dem geopfert wird. Sind die Menschen tatsächlich aufgeklärter, oder verlagerte sich lediglich die Aufmerksamkeit auf ein anderen Aspekt? Wie die personifizierten Eigenschaften auf der Spielfläche veranschaulichten, handelt es sich um eine starke Schwäche die zu Stärke eines Schwachen mutierte. Es braucht ein feines Gespür für Gleichgewicht.

Das Leben ist ein Tanz. Und zur Musik eines Schwarzen tanzte man die Schritte, wie sie Weiße in ihren Shows verwenden. Das Leben hat sich schon immer gemischt und noch nie wirklich die zu Gesetzen erhobenen Vorstellungen (Zweckorientierungen) von Menschen befolgt. Ob als Vorgabe nun Rassenerhalt, Arbeit oder Geld verlautet wird, spielt in der Propaganda eine Rolle, die zur Schaffung von Ungleichgewicht und Unterdrückung genutzt wird. Evolution geriert sich durch Revolution. Das Leben ist ein Tanz, ein Tanz der Teilchen um die Erde, ein Tanz der Gestirne im Universum. Und ein solcher Reigen kam auch anregend in dem Stück und dieser grandios lebendigen Inszenierung auf die Bühne. Beswingt strömte das überwiegend weiße Publikum in die schwarze Nacht ...

 

C.M.Meier

 

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It don*t mean a thing ...

von Veronika Wolff

Dominik Burki, Niels Klaunick

Regie: Veronika Wolff

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