Hofspielhaus Eine Sommernacht von David Greig / Gordon McIntyre
Komm Öde
Das spannendste an dem Abend war die Ankündigung im Programm, gelesen vor 20.00 Uhr, dem Beginn der Aktion. Zitat: „Die Scheidungsanwältin Helena und der Kleinkriminelle Bob lernen sich am verregneten Mittsommer-Wochenende in Edinburgh kennen. Nach einer durchzechten Nacht und einem mehr oder weniger glücklichen One-Night-Stand treffen sie sich am nächsten Tag zufällig wieder.“ Immerhin bestand hier noch die Aussicht auf die Begegnung zweier interessanter Charaktere in einer Komödie.
Doch schon mit den ersten Worten war diese Erwartung zunichte gemacht. Die erfolgreiche Anwältin Helena (Laura Cuenca Serrano) erklärte von der Bühne herab die Eingangssituation der Begegnung. Der Kleinganove Bob (Ferdinand Schmidt-Modrow) las derweilen ein unsichtbares Buch und die Klischees von Einsamkeit, Oberflächlichkeit und Alkohol wurden verbal blankgeputzt und aufgestellt. Eine spannende Beziehung zwischen den Textprotagonisten stellten die beiden Bühnenaktivisten nicht her. Der Dialog, der gelegentlich vorgebracht wurde, taugte allenfalls um als direkte Rede ans Publikum bezeichnet zu werden. Oder vielmehr war es, als würden Beide übers Smart chatten, wenn sie nebeneinander saßen.
Das sogenannte Stück mit Musik (welches als Komödie angekündigt ist) war eine Geschichte mit etwas Krimi-Elementen unterlegt, wie sie in vielen der tonnenweise verbreiteten Unterhaltungsbüchern und im Fernsehen vorkommt, mit Realismus, Romantik, Psychologie und Erklärung, vor allem viel Erklärung. Beispielsweise die Erklärung der Funktion der Wahrnehmung eines auf einem Teller liegenden Eis durch Auge und Gehirn. Zumindest eine Begegnung und das in Bezug setzen. Die Sprache und Perspektive taugten allenfalls für einen Spaß. „Wer bin ich denn bitte. Fred Feuerstein?“
Dazu gab es dann von zwei Gesichtern moderne Dick & Doof–Grimmassen anzusehen und gleichzeitig gelegentlich „Scheiße … Scheiße … Vollidiot … blöde Sau“ zu hören, während man weiter versuchte durch Tonfall und Habitus ‚die Welt zu erklären‘. Hinlänglich abgenutzter Schlüsse und Meinungen bediente man sich dazu, wenn nicht gerade mit einer Personenbeschreibung eine Figur herbeigeredet wurde. Abwechslung bot da ein Emoji–Grinsen von den Aktivisten und ein Text, der da lautete, „Fragezeichen … Fragezeichen … Fragezeichen … Rufzeichen … Rufzeichen …“, und mit dem eine Handybotschaft vorgebracht wurde.
Für die Regie zeichnete Leni Brem verantwortlich, die mit Klamauk - wie das Hin- und Herhüpfen unter zwei Leintüchern als physische Darstellung von Sex, oder das überdeutliche Kotzen in die Bühnenhocker, oder das die Straßenbahn nachmachen und mit „bing … bing … bing“ in der Hocke über die Bühne krebsen und überhaupt dieses Demonstrative‚ das 'so tun als ob‘ alles Lustig wäre, was doch einfach nur kindisch ist - zu beeindrucken suchte.
Das ist bestenfalls noch nicht mal als abgeschmackt zu bezeichnen oder genaugenommen langweilig. Doch so ist es wohl, wenn alle nur noch aufs Smart starren und Funktionen ausführen. Ein Gemisch von Zeichen betätigen und ein ebensolches annehmen. Eine neue Generation – die ersten Cyborgs (Cyber-Organismen). Die die alten Welten nicht mehr kennen und sich auf der Straße finden, in Verweigerung und Partylaune die Lieder anderer nachsingen, ganz so wie es das Stück belegt.
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Ferdinand Schmidt-Modrow, Laura Cuenca Serrano © Stephan Kimmel |
Dramatiker gibt es immer nur wenige. Autoren die Texte schreiben und sammeln gibt es mittlerweile viele. Manche werden auch besonders gefeiert, als Bühnenautoren, was sie noch lange nicht zu Dramatikern macht. Aber vielleicht liegt es auch an der Technik, dass der Dialog durch die Digitalkommunikation mit Sammeldateien abgelöst wurde und somit ausgerottet. Die menschliche Dimension entfällt, wenn das Gegenüber eine platte glatte Fläche ist. Wer ist dann noch in der Lage zu dialektischer Auseinandersetzung?
In einer Zeit, in der alle Form und aller Inhalt zu einem formlosen Gemisch zusammengetragen wird und dieses als ‚NEU‘ erklärt wird, in einer solchen Zeit wird das Traditionelle aufgelöst ohne ein echtes neues Angebot vorzustellen. „Habt ihr auch Cola zum Mischen?“ So, als würde man Schweinebraten und Knödel und Krautsalat in den Mixer geben und daraus einen Brei machen. Essen die Leute den Brei lange genug, so werden ihnen die Zähne ausfallen und das geschmackliche Unterscheidungsvermögen abhanden kommen.
Es war die anspruchslos oberflächliche Gewohnheit mit der Stück und Inszenierung überzeugten. Der begeisterte Applaus des Publikums bezeugte, dass die Menschen bereits von den Null-Acht-Fünfzehn-Geschichten so geplättet sind, dass sie alle Unterhaltung auf dieser Ebene entgeistert annehmen. Immerhin werden sie sieben Tage die Woche darauf trainiert.
C.M.Meier
Nachtrag: Die Inszenierung wurde mit der tz-Rose ausgezeichnet.
Eine Sommernacht
von David Greig/Gordon McIntyre
Regie: Leni Brem |