Mucca Trigger von Gert Neuner
Bespiegelung
Die Verzivilisierten haben die Natur verlassen und sich weitgehend einem selbst erdachten System untergeordnet. Die Ideologien sowie die Technik sind die wahren Diktatoren in dieser Zeit. Geradezu gläubig wird ihnen alles, auch die menschliche Restnatur unterworfen. Waren es in den vergangenen Jahrhunderten die Würfel des Schicksals die gefallen sind, so ist es im Heute der Schalter, der gedrückt wurde. Unaufhaltsam rotiert das System um sich selbst, getrieben durch einen alles verbrennenden Kreislauf.
Mit der Performance „Trigger“ fasste Gert Neuner dies zu einer dimensionalen Szenenfolge zusammen. Die Skurrilität des Handelns unter diesen Umständen stand im Mittelpunkt seines Werkes, das dem Werdegang eines erfolgreichen Mannes in die unterschiedlichen Abgründe folgt. Der begabte Architekt Lenz von Bergen versucht sich mit seinen Mitarbeitern in großen Projekten.
Über allem donnerte der Lärm von Maschinen - die Geräuschkulisse der Technik. Denn: „Der Himmel ist weg.“, wie die Natur, von der geschrieben an die Wand, oder noch gesprochen wurde. Mit den poetisch klangvollen Worten von den Anfängen, den Wolken, dem Meer, den Fischen darin begann subtil die Geschichte. In schwarze Gummiregenjacken versteckt, ruderten drei Gestalten im Gleichtakt, als gälte es eine Welt voranzubringen.
„…geboren wird immer …“, unter diesem Motto entwirft Lenz von Bergen (modern verkörpert) auch eine Geburtsklinik. (Vielleicht entsteht ja mal eine neue Lebensform, mit der bisher geborenen kam man ja kaum zurecht.) Und, unter den allgemein verbreiteten Wachstumswahn fällt auch der Vermehrungswahn. Welch ein Markt, welch ein Geschäft. Für kurze Zeit beherrschte der Takt eines Herzschlages den gesamten Raum, um doch wieder dem Maschinenlärm zu weichen.
Alles scheint zu gelingen, bis eine Naturgewalt ausbricht. Die Handlung nimmt ihre Wendung um den Brand eines Kühlschranks, bei dem Lenz Frau scheinbar ums Leben kommt. Die Frau, der Kühlschrank, die fehlende Leiche, die Justiz und der Mann im Abgrund. Ist es doch heute Tatsache, das ein Ringen um das Bild des Mannes stattfindet, der in alte Rollenbilder eingekerkert ums Überleben kämpft. Lenz wand sich als Körper auf dem Boden, als verbrecherisch deklariert um Platz für das „…das janusköpfige Weib …“ zu schaffen.
Katharina Friedl, Jakob Schwaiger, Egmont Körner, Ari Mog © Volker Derlath |
„Welch kraftvolle Metapher unserer Zeit.“ So könnte auch die Performance bezeichnet werden. Sie zeigte von überaus anschaulich, bis abstoßend, die verbreitete Hysterie im Alltag, in dem jedem modische Hype gefolgt und jeder unnützen Idee gehuldigt wird. Geradezu marktschreierisch pries ein Darsteller die Produkte. Waren Marken Casting - Worte des Alltags - die jeden begleiten, überfüllten den Raum in einem Sprachspiel um das „Z“(den letzten Buchstaben des Alphabets), mit Marken wie „…Zara, Zalando ……Zombie …“ Sonderbar anmutende Momente fingen ein, was heute als Selbstverständlichkeit gilt und gepflegt wird.
Das Thema Kunst kreiste um sich selbst in der Performance, wurde inszeniert um ihrer selbst Willen, oder als ein Akt um den Willen der Künstlerin. Diese Formen von Selbstverherrlichung bedienen Marktverhalten, sind Ausverkauf eines Innenlebens. Wie grandios kann eine sich in diesem Vorgang sonnen, verfügt sie nur über ausreichend Aufmerksamkeit. Die Elemente von Krimi bis Medienhype, woraus das Alltägliche ebenso besteht, wie man auf den unzählbaren Bildschirmen verfolgen kann, alles wird verwertet. Die Unverhältnismäßigkeit kippt den einst wohlgemeinten Ansatz des Handelns. Wie in der Medizin ist es die Dosis, die die Wirkung bestimmt.
Im Spiegel auf der Bühne brillierten die Akteure, gleich den von Rotation Getriebenen in einer Welt, gleich den Sternen im Universum - „…was nach der Fahrt durch das Loch sein wird, weiß niemand …“
Trigger. Was hindert die Menschen daran, diese Schalter auf Null zu kippen, durch eine kleine Geste das System Welt, das sich längst verselbstständigt hat und seine Schöpfer versklavt, außer Kraft zu setzen? Es kann nur die Dummheit sein, die menschliche, die grenzenlose, die dies konsequent verhindert. Die Organismen haben sich mit Empathie an die Mechanismen angeglichen, Funktionalität unter wirtschaftlichen Vorwänden zu einem wissenschaftlich begründeten Daseinsprinzip erklärt. Wie Marionetten in Käfigen zappeln sie sich durch die Zeit. Skurrile Vorgänge, die längst als Normalität gelten. Fatal. Fatal.
Verhängnisvoll wäre es jedoch auch sich der Performance nicht auszusetzen, der Aussicht auf ein wenig Durchblick keine Zeit zu schenken. Mit berührenden, scheinbar surrealen Bildern und klangvoller Poesie gestaltete Gert Neuner das Heute in Szenen - an den Grenzen des Erträglichen - aufklärend trotzte er dem …
C.M.Meier
Trigger
Eine Performance von ETA Theater / Gert Neuner
Katharina Friedl, Gabriele Graf, Egmont Körner, Shirin Lotze, Waki Meier, Ari Mog, Peter Papakostidis, Jakob Schwaiger, Valentin Walch, Sophie Wendt Text / Regie: Gert Neuner |