Halle 7 Zärtlich von Abi Morgan


 

 

Beziehungen im leeren Raum

Einsam klein und verloren wirkt der Mensch in der modernen Welt. Er dreht sich nur noch um sich selbst, um Klischees für Lebensgestaltung und um seine Befindlichkeit. So lebt er denn gnadenlos seine Veranlagung aus als wäre sie Individualität. Das macht ihn unfähig zu echter menschlicher Beziehung.

Abi Morgan, walisische Stückeschreiberin die ihren festen Platz in der Garde der jungen britischen Autoren hat, formulierte diesen Vorgang in "Zärtlich". Regisseur Claus Peter Seifert setzte mit seiner Inszenierung ebenfalls genau hier an. Vor kahlen Wänden entwickelte er die Szenen die sich wie Puzzleteile nach und nach zu einer Geschichte zusammenfügten. Vor kahlen Wänden, mit einem Minimum an Requisiten, entwickelte er die Charaktere für die am Ende nur die Isolation bleibt. Den Vorhang im offenen Raum setzte gekonnt Peter Mentzel mit dem Licht.
 
 

 
 

Angelika Hofstetter, Oscar Axelrod-Naumann

 

Das Netz der Beziehungen: Tash ist überzeugter Single und verbringt die Nacht mit Quieck der gerne zum Frühstück bleiben würde, doch Tash frühstückt nicht. Sie ist mit ihrer Freundin Hen verabredet. Hen ist schwanger von Al, mit dem sie seit sechs Jahren eine Beziehung lebt. Hen arbeitet an der Vermisstenmeldestelle und betreut Gloria. Gloria, deren Mann Marvin nach neunzehn Jahren Ehe das Haus verließ. Gloria spricht Quieck im Schwimmbad an. Quieck begegnet Tash auf der Straße und blitzt mit seiner Einladung zum Kaffee ab. Tash ist auf der Suche nach einem neuen Job und trifft Nathan, der von seiner Frau verlassen wurde. Bei Nathan arbeitet Marvin als Reinigungsmann. Er schläft in einem Männerwohnheim. Al, von Beruf Bauarbeiter, renoviert ein Haus, das neue Zuhause für Hen, das Baby und ihn. Tash beobachtet ihn mit der Tochter seines Chefs beim Sandwich-einkauf. Al kommt früh morgens nach Hause zu Hen und riecht nach Tash. Die Beziehung zerbricht, ebenso wie die der Freundinnen. Quieck ist der einzige der für eine Verbindung offen bleibt, doch ...

Quieck, sensibel und einfühlsam gegeben von Oscar Axelrod-Naumann, verkörperte das Prinzip Hoffnung, welches er bei jeder Begegnung aufleuchten ließ. Dankbar reagierte Gloria, herausragend gespielt von Claudia Pielmann. Judith Toth gab überzeugend die schwangere Hen, deren Figur für Hilfsbereitschaft stand. Nathan, auf der Suche nach menschlichen Bedürfnissen und Nähe, wurde brilliant in Szene gesetzt von Michael Putschli. Peter Fabers verlieh dem Eigenbrödler Marvin ausgezeichnet Gestalt. Die in der eigenen Falle von Sehnsucht nach Liebe und Widerspruch gefangene Tash gab Angelika Hofstetter. Al, Markus Schmädicke, blieb verhaftet in seinen Lebensprinzipien Schicksal und Zufall.

Das Konzept von Regisseur Claus Peter Seifert ging auf. Der leere Raum wurde von den Darstellern überaus glaubhaft bespielt, als Bar, als Schwimmbad, als Bett, als Supermarkt. Sie begegneten sich, redeten aneinander vorbei und nur im Konflikt entstand jeweils für einen kurzen Augenblick Kontakt. Was als bruchstückhaftes Beziehungsgeflecht begann zerfiel nach und nach gänzlich.

Nur eines scheint sicher: Der Gipfel der Einsamkeit ist in erfahrbarer Nähe. Der Zeitgeist und die Ästhetik des Heute setzen ihm die Krone auf.

 
C.M.Meier

 

 


Zärtlich

von Abi Morgan

Angelika Hofstetter, Judith Toth, Claudia Pielmann, Peter Fabers, Michael Putschli, Markus Schmädicke, Oscar Axelrod-Naumann

Regie: Claus Peter Seifert