Halle 7 Die Geschichte von St. Magda von Johanna Kaptein


 

 

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Die Benutzung des Heiligen oder Jeder ist Magda

Wie wird man zur Heiligen? Nun im Sinne der Kirchen und bigotten Gläubigen, indem man die „Leiden“ der Welt auf sich nimmt und still erduldet. Tut man dies auffällig genug, so wird man mit einer glorifizierenden Zeremonie in den Stand der Heiligkeit gesprochen. Selbstverständlich erst nach dem Tode, lange danach, wenn alle Widersprüchlichkeiten längst vergessen sind und die propagierte Geschichte trägt. Diese Vorbilder dienen dann dazu, oder vielmehr werden dazu benutzt, die Lehren der Gemeinschaften durch die Zeiten zu tragen. Die Bibel, eine religiöse „Akten“-Sammlung ist Fundgrube und auch die Geschichte von Magdalena findet sich ... natürlich nach einer Zensur.

Ein Ort mit der Bezeichnung „Sankt“ vor dem Namen ist es, in dem Magda zuletzt in einem Cafe von anderen gesehen und gesprochen worden war. Alle Darsteller waren, während sie die Geschichte von Magda zusammen- und vortrugen, an diesem Ort anwesend. Jede, jeder war Magda und jede, jeder verging sich auch an ihr – verbal oder körperlich und sei es durch Fotografien, welche als Beweise an die Wand projiziert wurden. In Weiß gekleidet, die Farbe der Unschuld oder des Nichts, bewegten sie sich über die mit beschriebenen Blättern übersäte Bühne, raschelten mit den Akten, griffen sie auf, falteten Servietten zur Dekoration und Kleidungstücke, lasen davon die Geschichte. Szene für Szene gewann die Geschichte von Magda an Gestalt. Die Schauspieler zeichneten sich alle durch starke Präsenz im Spiel und vielfältigste Mimik und Gestik aus. Als ausgewogene Gruppe beherrschten sie die Bühne, in der jeder auf seine Art die Stärken und Schwächen hervor kehrte.

 
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Birga Ipsen, Natascha Jugl, Judith von Radetzky, Andrea Irlbeck, Maike Specht

© Hilda Lobinger

 

Das Konzept der Regie setzte den Schwerpunkt. An der Grenze des Erträglichen war die Übergewichtung des Emotionalen, des Befindlichkeitsgehabes der Schauspieler in der Inszenierung. Die körperliche Aktion war in manchen Szenen stark heraus gearbeitet und beherrschte weit mehr als der fragmentarisch gestaltete Text das Geschehen. Wenn der Regisseur Dieter Nelle damit das, in der Ankündigung angesprochene „Geheimnis“  des Menschen Magda erfahrbar machen wollte, so wurde dies vor allem durch die Längen dieser Szenen fühlbar. Die Beweggründe des Menschen liegen in der Natur, und die reduziert sich dann auf den Akt der Arterhaltung, unter welchen Umständen auch immer.

Die so genannten Starken im Rudel nehmen sich das Recht, zu bespringen was ihnen in dem Moment der Aggression ins Auge fällt. Die Übergriffe auf den anderen, den Schwächeren haben ihren Ursprung also in der Natur. Der Mensch ist Teil dieser Natur, entstammt ihr und wollte doch zu gerne ihr Beherrscher sein. Dabei ist er nicht einmal in der Lage, sich selbst zu beherrschen, um zu einer Gemeinschaft im humanistischen Sinn zu kommen. Stärke, Kraft kann in der Gesellschaft auf verschiedene Bereiche übertragen werden – auf körperliche Kraft, auf Geld, auf Machtposition, auf ... Wir erleben täglich in allen Bereichen diese Übergriffe und halten dennoch still. Was wäre die „Heilige“ jenseits der Kirchen? Den äußeren und den inneren, den persönlichen Raum des anderen als „heilig“ zu achten, wäre ein Anfang auf dem Weg zum Menschen. Dennoch gibt es keine Alternative, denn Margarete Mitscherlich schrieb: „Der weibliche Akt ist ein Akt des Masochismus.“ (… und also des Leidens). An diesem Punkt steht die Menschheit in den heutigen Tagen, in denen ihr die Natur ihren Platz zu weisen scheint. Integration ... in die Natur oder eine Gesellschaft jenseits der Natur?

Die Antwort liegt im Tod, so die Botschaft des Stückes, denn nur darin ist der Ausgleich zwischen den unvereinbaren Gegensätzen möglich. Das Leben folgt seinen Regeln und diese veranschaulichte die Aufführung in unübersehbarer Weise. Wer gerne in Gefühlen und Befindlichkeiten wühlt, dem wird die stimmige Inszenierung entgegenkommen.

 
C.M.Meier

 

 

 


Die Geschichte von St. Magda

von Johanna Kaptein

Birga Ipsen, Andrea Irlbeck, Natascha Jugl, Maik Möller, Judith von Radetzky, Maike Specht, Nicole Wagner

Regie: Dieter Nelle
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