i-camp outLook. Voices from Syria von Christiane Mudra


 

 

Sinnbild

Der schwarze Raum des i-camp in München bildete den harten Kontrast zu den zahlreichen von der Decke hängenden, beleuchteten Beuteln aus denen heller Sand rieselte. Unaufhaltsam floss er zu Boden, gleich der Zeit, machte er die Vergänglichkeit des Augenblicks erfahrbar. Auf einer großen Leinwand leuchteten die farbigen Bilder, Aufnahmen aus den von Krieg zerstörten Städten in Syrien. Gewalt und für Momente Bombenlärm. Die Zeit läuft wie die Bilder der Filme, während der Sand Häufchen bildete gleich den zerstörten Häusern. Ein Mann (Kostis Kallivretakis) saß im Publikum, er führte an das Geschehen heran, interviewte von Ferne den Präsidenten. Dessen Antworten gab der in der Mitte der Bühne stehende Steffen Nowak wieder - klar, souverän, bestimmend. Geschickt wurden Zuschauer, unterschiedliche Stimmen mit einbezogen. Die Antworten kannte man, dennoch entwickelten sie in dieser Zusammenfassung eigene Kraft. Mittlerweile versah Rania Mieihi die Wände mit Skizzen, verlieh Menschen und konkreten Geschichten eine Stimme. Aus Bruchstücken entstand ein Eindruck von der Zerbrechlichkeit menschlicher Gemeinschaft.

 

Sand in die Augen streuen. – Die Medien weltweit verfolgen mit unterschiedlicher Intensität den Krieg in Syrien. Die verbreiteten Meldungen reichen von katastrophal bis Mitleid heischend, von aufrecht legitim bis offensichtlich verwirrend. Nur wenige Berichterstatter überschauen klaren Blickes das tatsächliche Geschehen und erfahren die unsichtbaren Beweggründe. Kommen sie zu Wort? Die Welt ist voll mit schwarzen Buchstaben, dem Sandsturm der Rechtfertigungen. In der Fülle der hierzulande verbreiteten Nachrichten nehmen diese nur noch gelegentlich Raum ein, werden konsumiert wie die dazwischen gestreute Werbung über Fahrscheine oder Hundefutter. Weit entfernt, auf dem Boden des syrischen Tafellandes werden seit Jahrhunderten die Konflikte der arabischen Großmächte ausgetragen. Die verwendeten Waffen mögen durchaus hierzulande entwickelt und produziert worden sein, doch am Tod der Mitmenschen ist man damit nicht schuld. Die Kämpfe der sich im Recht wähnenden Beteiligten und der sich Rechtfertigenden wirbeln immer wieder sinnbildlich den Sand auf und – streuen Sand in die Augen.

Wie Sand am Meer. – Die Argumente der Parteien sind vielfältig, wechselnd, scheinen felsenfest und verschwinden doch opportun unhaltbar im Schweigen. Einzig der Koran als religiöses Gesetz und der Handel mit Waren bilden greifbare Größen. Die Einflüsse der Religion und der unterschiedlichen Auslegungen stellen die Beweggründe in erlauchtes Licht, erheben menschliche Vorstellungen zu Allmachtsfantasie und Universalismus. Gleich einer Fata Morgana schwebt das Paradies über dem Sand und soll das verbindende Ziel bilden. Jedes der Sandkörner im Meer dieser gläubigen Menschengemeinschaft beharrt auf seinem Recht, verteidigt sein Recht, wird dennoch entrechtet ... denn klein und nebensächlich nehmen sich die auf diplomatischem Weg verhandelten einzigartigen Bedingungen für Visa an syrische Staatsbürger in Deutschland aus. Es geschah wohl im Einverständnis beider Machthaber und war ebenso Geschäft wie der Handel mit Chemie und Waffen. Hauptargument ist und bleibt sicherlich auf beiden Seiten die Wendung „zum Wohl des Volkes“ in den Bergen von Rechtfertigungen die durch die Luft flirren – wie Sand am Meer.


  OutLook-4.11  


Rania Mieihi

© Reinhard Oefele


 

Auf Sand gebaut. – Die arabischen Völker richten ihre Zelte im Sandgürtel der Erde auf. Längst sind Häuser aus Lehm und Beton gebaut und der Fortschritt beginnt nun die gelebte patriarchale Struktur der Clans in Frage zu stellen. Ein Sinnbild von Gemeinschaft wird hervorgekehrt, will entwickelt werden in ein neues Bild, wird aber dennoch mit Gewalt, Vorsatz und Feigheit aufrecht erhalten. Der Sturm der Zeit verweht unaufhaltsam die Bilder und Spuren im Wandel, dazwischen verlorene Menschen. Der Machthaber verteidigt seine Stellung, verteidigt sie bis zum letzten Atemzug, denn eines weiß er gewiss: Man wird ihn behandeln, wie er seine Gegner behandelte. Jeden Augenblick ist er sich doch bewusst, seine Festung ist – auf Sand gebaut.

Alle Bemühungen verlaufen im Sande. – Dies geschieht weltweit in dieser Zeit und kaum ein Regierender, der nicht mehr oder weniger massiv die tatsächlichen Bedürfnisse seines Volkes unterdrückt. Herrschen und beherrschen werden als Maßstab über andere gelebt, ihnen das eigene Wähnen aufzudrücken scheint Prinzip. Der Sturm der Zeit verweht die Sinnbilder, die Sinnbilder welche menschliches Leben und Gemeinschaft darstellen. Freiheit, Würde und Menschenrechte werden der Verteidigung von Machtpositionen ebenso geopfert, wie die Aufständischen diese Worte auf ihren Fahnen tragen und in der Realität mit Füßen treten. Sie tun dies indem sie kämpfen, Menschen töten und alle die nicht gleicher Ansicht in den Sand werfen. Alle Bemühungen verlaufen im Sande. – Die Verhandlungen der Staatengemeinschaften produzieren Phrasen. Menschen sterben seit März 2011 im Krieg.

 

Die Bilder der Performance outLook von Christiane Mudra brachten nicht nur den Überblick über den Krieg in Syrien vor Augen, sondern erzählten auch von den Schicksalen Einzelner, von fallenden Bomben, Gefangenschaft, Flucht. Manchmal blieb nur ein Name, der Abdruck der Hand auf einer Wand. Berührende und erhellende Momente wechselten und hinterließen am Ende betretenes Schweigen. Eben jenes Schweigen, welches offensichtlich machte, dass die Menschheit eine Gemeinschaft ist und wir alle ein Schicksal teilen in einer Zeit. Wie Sandkörner treibt uns der Wind über die Erde, in immer neue Bilder, in immer neue Erfahrungen, in lebendige Gleichheit ... wie sie auch durch die Besetzung der Akteure, deren Herkunft sichtbar wurde. Machen Sie die Erfahrung, wo Sie stehen ...

 

C.M.Meier

 

 

Weitere Vorstellungen: 5.,6., 7. Nov. 2013 mehr ...

Die Eintrittsgelder werden an Souriatna Press in Damascus gespendet,
eine Organisation, die vor Ort Menschen mit Medikamenten und Lebensmitteln versorgt.
Eine Spendenbox befindet sich im Foyer.


outLook. Voices from Syria

von Christiane Mudra

Kostis Kallivretakis, Rania Mieihi, Steffen Nowak sowie Aras Alyosef und Mohammad Kahlawi

Text/Bühne/Regie: Christiane Mudra