I Paradise

i-camp I-Paradise von Manfred Killer


 

 

Gegen und die Welt

Gegen jeden Moment in der Welt steht immer der Traum von einem noch angenehmeren, noch beglückenderen. Die Vorstellungen vom „Paradies“ sind unterschiedlich, mannigfaltig. Und doch sind es vielfach die von den Religionen gepriesenen Bilder der „Gärten Eden“ in denen Milch und Honig fließen, Frauen und schnelle Autos bereitstehen, das Wohlgefühl keine Grenzen kennt, welche in den Köpfen kursieren. Europa, in dessen westlichen Ländern, die ehemals demokratisch und sozial regiert und so für den Großteil ihrer Bevölkerungen Wohlstand gerierten, gilt, obwohl sich die Zustände längst geändert haben, als eines der erstrebenswerten Ziele für Menschen aus der Dritten Welt. Mit Illusionen lässt sich profitabel Geschäft machen, in einer Welt in der Geschäft zum Überlebensmittelpunkt stilisiert wurde und die darüber wohl alle ethische Menschlichkeit verloren hat.

Vor einem Straßencafe erhielt man den Tipp, wie die Reise ins „i-paradise“ beginnt. Die erste Herausforderung war sich den Erkennungscode zu merken. Bereits an diesem einen Wort wurde deutlich wie unterschiedlich die Sprachen und damit die Denkweisen ihrer Nutzer sind. Ein geheimes Gespräch in einem Winkel, flüstern. Scheine wurden über den Tisch geschoben, der Wegbegleiter aktiviert. Während des Abenteuers durch den Isardschungel erfuhr man zwei berührende Lebens- und Fluchtgeschichten – Samia Yusuf Omar und Aboud Ibrahim – welche sich auch in den Bildern der einzelnen Reisestationen widerspiegelten. Das Ensemble vollführte, auf unauffällig verdeckte Weise, einen Balanceakt zwischen Realität und Spiel. Heimliches Flüstern, Angst erzeugende Bedrohung, verdeckte Winke, unauffälliges Öffnen einer Taxitüre. Durch die Einbeziehnung in das Geschehen wurde deutlich wie leicht Grenzen aufzuheben sind, auch die zwischen Bühne und Publikum. Die Komposition der Reiseperformance bot facettenreiche Eindrücke, wohlgesetzt waren die Stationen und der Humor bildete die Brücken. Dazwischen immer das Spiel mit der Technik, welche erstaunliche Möglichkeiten von Darstellung auftat und auf erstaunlichem Level erfolgte. Vom App bis zum Video, alles längst Normalität.

   i-Paradise  


Überfahrt

© Michael Wüst


Eine ausgewogene Performance, die zwischen Natur und Technik einen verschlungenen Weg am Fluss des Lebens entlang führte. Die Stationen, Erfahrungsbilder waren verbunden durch einen virtuellen Wegbegleiter im Tablet. An welche Sichtweise ist der Erfahrungssuchende gewöhnt? Wie weit ist er noch in der Lage beides zu verbinden, noch nicht weitgehend der Natur entfremdet? Es sind viele Fragen, die aus der Bewegung auftauchen, soweit man bereit ist sich in Geschehen einzulassen.

Tausche Hölle gegen Hölle, heiße gegen kalte Realität. Der Aufklärer in dem Bus zur Aufnahmestelle für Asylanten beschieb die Hürden in den europäischen „Paradiesen“. Er möchte wieder weggehen und bleibt dennoch. Deman Benifer trug eine Wollmütze auf dem Kopf. Hat er sich an die Kälte gewöhnt? Angekommen in der Realität - Schönes München: gepflegte Denkmäler, intakte Häuser, abweisend spiegelnde Glasfassaden, unterschiedliche Fahrräder vor dem Abgang zu U-Bahn und dazwischen eine neue mattschwarze Harley Davidson. Einem an die Brüstung geketteten neuwertigen Fahrrad fehlten Sattel und Vorderrad. Im 5 Minuten Takt kommt eine Straßenbahn vorbei, alle 10 Minuten ein Bus ... sind technische und organisatorische Perfektion ein Synonym für Paradies, oder in dieser Zeit nicht ein anderer menschenfressender Zustand? Auf einer Bank am Isarweg saß ein deutscher Obdachloser, mit feingeschnittenem intelligentem Gesicht, neben seinem beladenen Kofferwagen, spielte Gitarre in der Abendsonne. Es ist Spätherbst, die Blätter fallen und der Wind wird nach Sonnenuntergang eisig.

Die installierte Reiseperformance enthielt keine Sensationen, keine spannungsgeladene Aktion. Vielmehr vermittelte sie durch Beispiele, Einflüsterung und Einbindung einen Blick neben den glorifizierten Alltag. Nachdenklichkeit kam auf nach der Anregung sich doch intensiver mit der herrschenden „Normalität“ auseinanderzusetzen. Mag jeder dies auf seine Weise tun. Empfehlenswert ist es gewiß.

C.M.Meier



Weitere Vorstellungen bis 11.10.14

 

I-Paradise

Eine installierte Reiseperformance von Manfred Killer

Beate Kellmann, Christoph Hiltl, Klaus Wächter, Michael Hartdegen, Tobias Schäffler, Violetta Abate, Gerd Axenkopf, Shenwan Fadel Ali, Deman Benifer

Idee/Regie: Manfred Killer
Dramaturgie: Stefanie Hiltl
Foto: Heidi Mühlschlegel
App: Markus Hosch, Kostüm: Astrid Hahn, App-Animation: Paulina Rauwolf, Video-Animation: Lutz Wehrmann, Ausstattung: Manuela Müller, Sprecher: Fadumo Kom, Ditte Schupp, Klaus B. Wolf