Kammerspiele Elementarteilchen nach Michel Houellebecq
Geschlossene Gesellschaft oder Die neuen Menschen
Es ist der Vorzug von Bestsellern, dass sie, auf die Bühne gebracht, ihr Publikum mitbringen. Die Bühne, eine Spielfläche aus hellem Holz war zu Sinuswellen mit kleiner Amplitude geformt und wirkte wie Wellblech oder das auf und ab im nivellierten Leben. Die Darsteller balancierten, tänzelten, hüpften. Stets versuchten sie auf dem Kamm der Welle zu reiten. Der Bühnenbildner Jens Kilian zeichnete für diesen großartigen künstlerischen Einfall.
Der Regiesseur Johan Simons setzte mit seiner Inszenierung hauptsächlich auf die Wirkung von griechischem Deklamationstheater. Der Vorgang ist erprobt, seine Wirkung geradezu berechenbar. Johan Simons Konzept ging auf. Es wurde mit hervorragenden Darstellern eine dichte Umsetzung des Romans auf die Bühne gebracht. Der erzählt vom glücklosen Leben der Halbbrüder Bruno, sensibel dargestellt von André Jung, und Michel. Sie teilen sich eine lieblose egoistische Mutter, der Chris Nietvelt wie eine echte 68erin enthemmt Gestalt verlieh, und sie teilen ihre durch Einsamkeit geprägte Verstörung. Sie wirken wie Prototypen aus der modernen bindungsunfähigen Mittelschicht. Daran ändern auch ihre Beziehungsversuche nichts, die ebenfalls wie im Gleichklang durch Krebs vereitelt werden. Bruno, Lehrer von Beruf und Sohn des Matriarchats, sucht seine Bestätigung als Mann über die Sexualität. In Christiane, überzeugend von Sylvana Krapatsch in Szene gesetzt, findet er sein Pendant. Michel, unsicher und traumtänzerisch von Robert Hunger-Bühler zu Leben erweckt, empfindet die Leere um sich körperlich. Er füllt sie mit Wissen, lebensfeindlicher Wissenschaft. Einzig Yvone Jansen, als schöne und liebenswerte Annabelle, vermag es, ihm für kurze Zeit Zuneigung zu vermitteln. Als Molekularbiologe entwickelt er den Entwurf für ein geschlechtsloses unsterbliches menschliches Wesen. Auf dem Weg dahin wird erzählt von der Angst vor dem Versagen und dem Stellenwert von Tod und Alter, Schönheit und Sexualität, Leere und Sehnsucht.
Es ist der Vorzug von Bestsellern, dass sie, auf die Bühne gebracht, ihr Publikum mitbringen. Die Bühne, eine Spielfläche aus hellem Holz war zu Sinuswellen mit kleiner Amplitude geformt und wirkte wie Wellblech oder das auf und ab im nivellierten Leben. Die Darsteller balancierten, tänzelten, hüpften. Stets versuchten sie auf dem Kamm der Welle zu reiten. Der Bühnenbildner Jens Kilian zeichnete für diesen großartigen künstlerischen Einfall.
Der Regiesseur Johan Simons setzte mit seiner Inszenierung hauptsächlich auf die Wirkung von griechischem Deklamationstheater. Der Vorgang ist erprobt, seine Wirkung geradezu berechenbar. Johan Simons Konzept ging auf. Es wurde mit hervorragenden Darstellern eine dichte Umsetzung des Romans auf die Bühne gebracht. Der erzählt vom glücklosen Leben der Halbbrüder Bruno, sensibel dargestellt von André Jung, und Michel. Sie teilen sich eine lieblose egoistische Mutter, der Chris Nietvelt wie eine echte 68erin enthemmt Gestalt verlieh, und sie teilen ihre durch Einsamkeit geprägte Verstörung. Sie wirken wie Prototypen aus der modernen bindungsunfähigen Mittelschicht. Daran ändern auch ihre Beziehungsversuche nichts, die ebenfalls wie im Gleichklang durch Krebs vereitelt werden. Bruno, Lehrer von Beruf und Sohn des Matriarchats, sucht seine Bestätigung als Mann über die Sexualität. In Christiane, überzeugend von Sylvana Krapatsch in Szene gesetzt, findet er sein Pendant. Michel, unsicher und traumtänzerisch von Robert Hunger-Bühler zu Leben erweckt, empfindet die Leere um sich körperlich. Er füllt sie mit Wissen, lebensfeindlicher Wissenschaft. Einzig Yvone Jansen, als schöne und liebenswerte Annabelle, vermag es, ihm für kurze Zeit Zuneigung zu vermitteln. Als Molekularbiologe entwickelt er den Entwurf für ein geschlechtsloses unsterbliches menschliches Wesen. Auf dem Weg dahin wird erzählt von der Angst vor dem Versagen und dem Stellenwert von Tod und Alter, Schönheit und Sexualität, Leere und Sehnsucht.
André Jung, Sylvana Krappatsch, Chris Nietvelt, Robert Hunger-Bühler, Yvon Jansen © Leonard Zubler |
Michel Houellebecq ist ein vieldiskutierter Schriftsteller unserer Zeit. Er rechnet ab mit den 68ern, ergeht sich, nicht nur sprachlich, in der von ihnen ausgelösten sexuellen Befreiung und schildert das Leiden der ganzen westlichen Welt in verallgemeinerter Form. Sein Roman "Elementarteilchen" ist in fünfundzwanzig Sprachen erschienen. In seiner Beschreibung der Gegenwartsgesellschaft erkennt er den Urgrund der Probleme einzig im Wertesystem des westlichen Individualismus. Eine Gegenbewegung gilt es zu initiieren, wie sie in der Geschichte immer wieder, wenn ein System wert war unterzugehen, stattgefunden hat. Die Ablösung des individuellen geschlechtlichen Menschen durch ein synthetisches Wesen, dass keinen Sehnsüchten und damit keiner Triebhaftigkeit mehr unterliegt, wird dazu von ihm als Horrorvision heraufbeschworen. "Alles, was ruhig macht, ist gut." so ein Credo.
Elementarteilchen sind Teilchen, die nicht weiter zerlegbar sind. Zumeist stehen sie sich polarisiert gegenüber. Diese Inszenierung macht eines sichtbar: Es gibt diejenigen Individuen, die pragmatisch in die Schöpfung eingreifen und diese nach Gutdünken verändern, um sie lebbar zu machen, und es gibt diejenigen, die mit einem Restgefühl von Respekt vor der Schöpfung gegen diese (vielleicht unaufhaltsame) Entwicklung rebellieren. Houellebecq bietet keine Philosophie an, sondern legt nur den Finger auf vorher unbenannte Wunden in der Gesellschaft. Er ist ein marodierender Literat, der sich dafür feiern lässt, die Ausweglosigkeit halbherzig zu propagieren. Er formuliert einen bedrohlichen, - aber pragmatischen Ausweg aus dem Dilemma der geschlechtlichen Beziehungen durch Gleichschaltung in ein menschliches Wesen. Unübersehbar ist sein Werk zugleich ein emotionaler Protest gegen diese (End-)Lösung der Probleme. Houellebecq sucht einen Weg, sich selbst mit dieser unausweichlichen Entwicklung zu versöhnen. Immerhin ist ihm bewusst, dass es einen naturgegebenen inneren Widerstand dagegen gibt, denn er erwidert auf die Visionen Aldous Huxley's, die die logische Konsequenz seines literarischen Entwurfs bedeuten: "In menschlichen Gesellschaften hat ja niemand Lust, anderen gleich zu sein."
Das ist ein neues Gesellschaftsspiel, ein neuerlicher Tanz auf dem Vulkan und alle Apokalyptiker sind herzlich eingeladen. Aber: Wetten, dass … der Abend keine neuen Erkenntnisse vermittelte. Wetten, dass … fast alle im Publikum den Roman kannten. Wetten, dass … die Darstellung alle anwesenden Elementarteilchen erreichte. Wetten, dass … der Applaus Schall von einer Wellenlänge erzeugte. Tatsache …es war, Dank Regie und hervorragender Darsteller, ein gelungener und bewegender Theaterabend!
C.M.Meier
Elementarteilchen sind Teilchen, die nicht weiter zerlegbar sind. Zumeist stehen sie sich polarisiert gegenüber. Diese Inszenierung macht eines sichtbar: Es gibt diejenigen Individuen, die pragmatisch in die Schöpfung eingreifen und diese nach Gutdünken verändern, um sie lebbar zu machen, und es gibt diejenigen, die mit einem Restgefühl von Respekt vor der Schöpfung gegen diese (vielleicht unaufhaltsame) Entwicklung rebellieren. Houellebecq bietet keine Philosophie an, sondern legt nur den Finger auf vorher unbenannte Wunden in der Gesellschaft. Er ist ein marodierender Literat, der sich dafür feiern lässt, die Ausweglosigkeit halbherzig zu propagieren. Er formuliert einen bedrohlichen, - aber pragmatischen Ausweg aus dem Dilemma der geschlechtlichen Beziehungen durch Gleichschaltung in ein menschliches Wesen. Unübersehbar ist sein Werk zugleich ein emotionaler Protest gegen diese (End-)Lösung der Probleme. Houellebecq sucht einen Weg, sich selbst mit dieser unausweichlichen Entwicklung zu versöhnen. Immerhin ist ihm bewusst, dass es einen naturgegebenen inneren Widerstand dagegen gibt, denn er erwidert auf die Visionen Aldous Huxley's, die die logische Konsequenz seines literarischen Entwurfs bedeuten: "In menschlichen Gesellschaften hat ja niemand Lust, anderen gleich zu sein."
Das ist ein neues Gesellschaftsspiel, ein neuerlicher Tanz auf dem Vulkan und alle Apokalyptiker sind herzlich eingeladen. Aber: Wetten, dass … der Abend keine neuen Erkenntnisse vermittelte. Wetten, dass … fast alle im Publikum den Roman kannten. Wetten, dass … die Darstellung alle anwesenden Elementarteilchen erreichte. Wetten, dass … der Applaus Schall von einer Wellenlänge erzeugte. Tatsache …es war, Dank Regie und hervorragender Darsteller, ein gelungener und bewegender Theaterabend!
C.M.Meier
Elementarteilchen
nach Michel Houellebecq
Theaterfassung von Tom Blokdijk und Koen Tachelet Robert Hunger-Bühler, Yvon Jansen, André Jung, Sylvana Krappatsch, Chris Nietvelt Regie: Johan Simons |