Kammerspiele Hotel Savoy nach Joseph Roth


 

 

Warten auf Bloomfield

Die Parallelen sind unübersehbar. Eine Krise, bei Joseph Roth ist es der Erste Weltkrieg, hat die Welt aus den Angeln gehoben. Das Hotel Savoy und seine Gäste spiegeln diesen Zustand wider. Fremde, Heimkehrer, sind hier gestrandet und suchen einen Ausweg. Amerika ist die große Verheißung. Amerika hat auch einen anderen Namen: Bloomfield. Eigentlich heißt er Blumenfeld, ist ein jüdischer Auswanderer aus eben jener Stadt, in der das Hotel Savoy steht, der es in Amerika zum Milliardär gebracht hat. Bloomfield wird nun erwartet wie der Messias. Jeder möchte einen kleinen Teil vom großen Kuchen abhaben. Doch der steht nur in der ersten Etage des Hotels, dort, wo die nackten Mädchen noch frisch sind, wo der Champagner gereicht wird und wo man sich die lästigen Mitbewohner aus den höheren, insbesondere aus der 6. und 7. Etage, vom Leib hält.

Schnell wird deutlich, dass der Reichtum verteilt ist und die, die sich des Wohlstandes erfreuen, bleiben lieber unter sich. Koen Tachelets Fassung von Joseph Roths Roman setzt Akzente, verweist darauf, dass die fiktive Welt des Romans längst Gestalt angenommen hat. Menschliche Beziehungen scheitern an den ökonomischen Prämissen; das Leben ist zugunsten der Jagd nach dem Mammon zurückgetreten. Die Lage scheint aussichtslos und ist es wohl auch unter diesen Bedingungen. Also bleibt nur das Warten auf Bloomfield, genährt von winzigen Fünkchen Hoffnung, denn so viel Reichtum muss großzügig sein. Weit gefehlt, denn, wie sagte Henry Ford: Reich wird man nicht durch das Geld, welches man verdient, sondern durch das Geld, das man nicht ausgibt.

Gabriel Dan ist ein Heimkehrer. Er strandet im Hotel Savoy, das er nur als Transitraum in die Welt betrachtet. Allerdings vermag er nicht zu sagen, wohin die Reise gehen soll. Er verliebt sich in Stasia, die bezaubernde Tänzerin. Doch bis zum Ende kann sich keiner von beiden zu einem Bekenntnis durchringen. Die äußeren Umstände verhindern jegliche Annäherung, denn jeder jagt sein eigenes Glück, das untrennbar mit Geld verbunden ist. Dann bricht Zwonimir Pansin, Kriegskamerad von Dan, wie ein Taifun in die mehr oder weniger geschlossene Gesellschaft ein, um eine Revolution zu entfesseln. Er irrlichtert chaotisch durch die Gesellschaft des Hotels und agitiert die Arbeiter und Bauern. Doch sein revolutionäres Wehklagen erschöpft sich in Anklagen gegen die Bauern, die ihre Felder nicht ordentlich bestellen und das Vieh schlecht versorgen. Revolution wird zu einer Spielart von Weltanschauungen, von denen es so viele gibt im Savoy wie Gäste. Als Bloomfield endlich auftaucht, ernennt er Dan zu seinem Sekretär. Dans Aufgabe besteht darin, lästige Bittsteller im Vorfeld abzuwimmeln. Am Ende wurden alle Bittsteller abgewiesen. Bloomfield hat das Grab seines Vater besucht, sein eigentliches Anliegen, und reist angewidert von der Gesellschaft im Savoy zurück nach Amerika. Immerhin hat er Dan finanziell gut ausgestattet. Doch wozu? Dan muss jetzt auf die Reise gehen, obgleich er viel lieber mit Stasia zusammen leben würde.

Nach „Hiob“ ist „Hotel Savoy“ die zweite Romanadaption, die Johan Simons auf die Bühne der Münchner Klammerspiele gebracht hat. Mit der Inszenierung in der Spielhalle praktizierte Johan Simons eine Bühnenästhetik, die auf Entgrenzung des Raumes zielt. Dadurch wird das Publikum näher an das Geschehen herangezogen. Obgleich diese Spielauffassung wesentlich lebendiger wirkt, lässt sich der Mangel, den eine Romanadaption mit sich bringt, nicht vollständig überwinden. Der Wechsel zwischen beziehungsreichem dramatischen Spiel und prosanaher Erzählung lässt keinen zwingenden Spannungsbogen entstehen. Simons versuchte diesen Mangel durch komödiantisches Spiel zu überwinden, was jedoch nur bedingt gelang.
 
 
Bert Neumann gestaltete den gesamten Raum als Spielfläche. Ausgelegte Fliesen (auf Sand) deuteten Hotelgänge an. Das „Savoy“ wurde durch einen großen Lüster definiert, der Rest wurde erspielt. Bespielt wurde der gesamte Raum, die Balkone, der Lift, und eine hölzerne Treppe bezog zusätzlich noch das nichtsichtbare Untergeschoss ein. Ein Karren, beladenen mit Kleidungsstücken, vermittelte den ewig flüchtenden Ostjuden.

Steven Scharfs Gabriel Dan bewegte sich schleppend, suchend, verhalten reagierend durch diesen Raum. Er schien den Rhythmus des „Savoy-Hotels“ nicht in sich aufzunehmen, blieb steter Gast. Katja Herbes als Stasia hingegen schien zum Inventar gehörend. Logischerweise konnte sie sich aus der seltsamen Betriebsamkeit nicht lösen. Wolfgang Pregler zerstörte dieses Zeit-Raum-Kontinuum als Zwonimir Pansin mit seinem revolutionären Aufbegehren temporär. Preglers Spiel verschlug dem Zuschauer auch schon mal den Atem. Um so peinlicher war dann die Einsicht, dass seine Motive ebenso kleinbürgerlich waren, wie die der anderen auch. Brigitte Hobmeier fielen insgesamt sieben Rolle zu, die sie auf erstaunliche Weise meisterte. Umzüge fanden auf offener Bühne statt, wurden öffentlich gemacht und verblüfften dennoch. André Jungs Henry Bloomfield hingegen war nie wirklich präsent. Sein Aufenthalt im Hotel war von Widerwillen gekennzeichnet, Widerwille gegen die Welt aus der er kam und die jetzt an ihm zu kleben begann wie ein Fliegenfänger. Seine Heimstatt war Amerika, in die er zurückstrebte. Amerika wurde so zur Sehnsucht all derer, die es nie erlangen würden. Den anderen Darsteller kam es zu, alles das zu transportieren, was der Roman an Geschichtenvielfalt beinhaltet. Dabei blieben sie jedoch meist peripher in ihrem Erscheinungsbild. Die Geschichte konnte nicht zu einem einzigen Ganzen verwoben werden. Und genau das ist der Preis, der der Prosavorlage geschuldet ist. Zuwenig der Handlung nahm unmittelbaren Einfluss auf den dramatischen Konflikt, in dessen Zentrum Gabriel Dan stand.

Simons Inszenierung war lebendig, komödiantisch und ohne Zweifel sehr zeitbezogen. Sie gab keine Antworten auf die desaströse Lage des Menschen in Zeiten Roths und im Heute. Doch allein das Sichtbarmachen des Grundkonfliktes, in dem sich der homo oeconomikus, und darauf ist der moderne Mensch sehr stark durch die gesellschaftlichen Verhältnisse reduziert, befindet, ist als Verdienst zu werten. Immerhin gelang es Steven Scharf  mit seiner reduzierten, das Menschliche betonende Spielweise, dem Pessimismus nicht gänzlich das Feld zu überlassen.

Ähnlich wie in „Warten auf Godot“ befinden sich die Menschen auch hier in einer scheinbar ausweglosen Lage und vertrauen auf den, der da kommen wird, um sie zu erlösen. Jeder ahnt, dass er nicht kommen wird, und der Schritt zum eigenverantwortlichen Handeln erscheint bei Roth eher möglich als bei Beckett.
Es bleibt zu hoffen, dass das Theater zukünftig mit dramatischen Texten arbeitet und nicht zu einem etablierten Medium für die Prosa wird.

 
Wolf Banitzki

 

 

 


Hotel Savoy

Nach dem Roman von Joseph Roth in einer Fassung von Koen Tachelet

Stephan Bissmeier, Pierre Bokma, Katja Herbers, Brigitte Hobmeier, Nico Holonics, André Jung, Stefan Merki, Wolfgang Pregler, Steven Scharf

Regie: Johan Simons
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