Kammerspiele Satansbraten von Rainer Werner Fassbinder
Gestern noch depressiv und heute – genial
Mit „Satansbraten“ gedenken nun auch die Münchner Kammerspiele dem 1982 verstorbenen Rainer Werner Fassbinder. Es heißt, dieser Film sei eines der persönlichsten Werke des Regisseurs. Die Popularität Fassbinders scheint ungebrochen, zumindest in Homosexuellenkreisen, für die Fassbinder eine Ikone war und ist. Zweifellos hat er, der selbst bisexuell war, einige Breschen geschlagen in die gesellschaftliche Klagemauer wider die „sexuellen Abnormitäten“. Als Künstler war Fassbinder eine Ausnahmepersönlichkeit. Der Mann, dessen Leben einer Kerze glich, die an beiden Seiten brannte, war einer der produktivsten Künstler seiner Zeit. Mit Filmen wie „Angst essen Seele auf“ oder „Die Ehe der Maria Braun“ schrieb Fassbinder Filmgeschichte und sich in die Annalen derselben ein.
Doch wer war der Mensch R.W. Fassbinder. Es ist hinlänglich bekannt, wenngleich diese Geschichten eher unter der Hand kursieren, dass seine Eitelkeit kaum Grenzen kannte, dass er ein ausgemachtes Ekel sein konnte, der seine Darsteller, die er gelegentlich auch Huren schimpfte, bei Dreharbeiten bis zu Exzess rücksichtslos quälte, sie finanziell und gefühlsmäßig ausbeutete und auch eiskalt fallen ließ. Einige von ihnen, wie Irm Hermann, Hark Bohm, Gottfried John, Hanna Schygulla oder Brigitte Mira, hat er groß gemacht. Wirft man nun einen Blick auf die Figur des Schriftstellers Walter Kranz in „Satansbraten“, könnte man meinen, hier habe neben der Kritik nach außen, auch ein Outing des künstlerischen Innenlebens stattgefunden. Fassbinder erlaubt uns diese Sicht, in dem er gesteht: „Meine Art zu arbeiten ist für mich auch so was wie eine Selbsttherapie.“
Satansbraten ist der Versuch einer Komödie. Darin geht es um einen Dichter, der für eine gewisse Zeit als „Dichter der Revolution“ begeistert hatte, der nun unter einer Schreibblockade leidet und der über zwei Jahre hinweg Vorschüsse von seinem Verlag kassierte, ohne auch nur eine Zeile zu liefern. Als der Druck von Seiten des Verlags und der Familie übermächtig wird, seine sexuell willigen und hörige Gönnerinnen ihn nach und nach fallen lassen, überkommt es ihn geradezu zwanghaft. Er verfasst in einem Zug und mit den höchsten Gefühlen schöpferischen Glücks das wunderbare Gedicht „Der Albatros“. Dumm nur, dass es von Charles Baudelaire stammt und in der von Kranz erarbeiteten Fassung die Nachdichtung von Stefan George ist.
Die letzten vier Zeilen des Gedichtes geben immerhin Aufschluss über den Beweggrund der Entstehung: „Der dichter ist wie jener fürst der wolke / Er haust im sturm – er lacht dem bogenstrang / Doch hindern drunten zwischen frechem volke / Die riesenhaften flügel ihn am gang.“ Fassbinder Kritik in diesem Film richtete sich gegen den Kulturbetrieb, der sich in seiner Bigotterie als Kunstverhinderer entpuppte. Der Kunstbetrieb reagierte prompt und schnitt Fassbinders „schönsten, ehrlichsten und radikalsten Film“ und drängte ihn aus dem öffentlichen Bewusstsein. So ändern sich die Zeiten und auch die Institutionen. Der heutige Kunstbetrieb hat begriffen, dass es nichts gibt, was sich nicht vermarkten lässt. Die Kunst ist dabei nebensächlich geworden und der Kunstbetrieb hat sich längst von ihr emanzipiert, pflegt seine Eitelkeiten und den Status als Versorgungsanstalt. Und Fassbinder? Er ist Erinnerung und, für Jubiläen, Vorlage für Neuinterpretation.
Mit „Satansbraten“ gedenken nun auch die Münchner Kammerspiele dem 1982 verstorbenen Rainer Werner Fassbinder. Es heißt, dieser Film sei eines der persönlichsten Werke des Regisseurs. Die Popularität Fassbinders scheint ungebrochen, zumindest in Homosexuellenkreisen, für die Fassbinder eine Ikone war und ist. Zweifellos hat er, der selbst bisexuell war, einige Breschen geschlagen in die gesellschaftliche Klagemauer wider die „sexuellen Abnormitäten“. Als Künstler war Fassbinder eine Ausnahmepersönlichkeit. Der Mann, dessen Leben einer Kerze glich, die an beiden Seiten brannte, war einer der produktivsten Künstler seiner Zeit. Mit Filmen wie „Angst essen Seele auf“ oder „Die Ehe der Maria Braun“ schrieb Fassbinder Filmgeschichte und sich in die Annalen derselben ein.
Doch wer war der Mensch R.W. Fassbinder. Es ist hinlänglich bekannt, wenngleich diese Geschichten eher unter der Hand kursieren, dass seine Eitelkeit kaum Grenzen kannte, dass er ein ausgemachtes Ekel sein konnte, der seine Darsteller, die er gelegentlich auch Huren schimpfte, bei Dreharbeiten bis zu Exzess rücksichtslos quälte, sie finanziell und gefühlsmäßig ausbeutete und auch eiskalt fallen ließ. Einige von ihnen, wie Irm Hermann, Hark Bohm, Gottfried John, Hanna Schygulla oder Brigitte Mira, hat er groß gemacht. Wirft man nun einen Blick auf die Figur des Schriftstellers Walter Kranz in „Satansbraten“, könnte man meinen, hier habe neben der Kritik nach außen, auch ein Outing des künstlerischen Innenlebens stattgefunden. Fassbinder erlaubt uns diese Sicht, in dem er gesteht: „Meine Art zu arbeiten ist für mich auch so was wie eine Selbsttherapie.“
Satansbraten ist der Versuch einer Komödie. Darin geht es um einen Dichter, der für eine gewisse Zeit als „Dichter der Revolution“ begeistert hatte, der nun unter einer Schreibblockade leidet und der über zwei Jahre hinweg Vorschüsse von seinem Verlag kassierte, ohne auch nur eine Zeile zu liefern. Als der Druck von Seiten des Verlags und der Familie übermächtig wird, seine sexuell willigen und hörige Gönnerinnen ihn nach und nach fallen lassen, überkommt es ihn geradezu zwanghaft. Er verfasst in einem Zug und mit den höchsten Gefühlen schöpferischen Glücks das wunderbare Gedicht „Der Albatros“. Dumm nur, dass es von Charles Baudelaire stammt und in der von Kranz erarbeiteten Fassung die Nachdichtung von Stefan George ist.
Die letzten vier Zeilen des Gedichtes geben immerhin Aufschluss über den Beweggrund der Entstehung: „Der dichter ist wie jener fürst der wolke / Er haust im sturm – er lacht dem bogenstrang / Doch hindern drunten zwischen frechem volke / Die riesenhaften flügel ihn am gang.“ Fassbinder Kritik in diesem Film richtete sich gegen den Kulturbetrieb, der sich in seiner Bigotterie als Kunstverhinderer entpuppte. Der Kunstbetrieb reagierte prompt und schnitt Fassbinders „schönsten, ehrlichsten und radikalsten Film“ und drängte ihn aus dem öffentlichen Bewusstsein. So ändern sich die Zeiten und auch die Institutionen. Der heutige Kunstbetrieb hat begriffen, dass es nichts gibt, was sich nicht vermarkten lässt. Die Kunst ist dabei nebensächlich geworden und der Kunstbetrieb hat sich längst von ihr emanzipiert, pflegt seine Eitelkeiten und den Status als Versorgungsanstalt. Und Fassbinder? Er ist Erinnerung und, für Jubiläen, Vorlage für Neuinterpretation.
Wolfgang Pregler, Brigitte Hobmeier © Arno Declair |
Stefan Pucher besorgte seine Interpretation an den Münchner Kammerspielen und überrollte das Publikum mit einem aufgepeitschten, bisweilen grobschlächtigen, allzu oft wirrem und verwirrendem Comedyspektakel. Warum auch nicht, denn Kritik, wie sie Fassbinder übte, ist ohnehin nicht mehr angesagt. Wenn Fassbinder mit seinen überaus ordinären und nicht selten gossenhaften und billigen Texten seinerzeit noch schockte, langweilt das Geficke und Gebumse von Frauen, Männern und Fliegen heute. Da braucht es gute Einfälle und exzellente Darsteller, um den Abend zu überstehen. An letzteren mangelte es nicht. Wolfgang Pregler brillierte als hypertropher, selbstsüchtiger und eiskalt verratender Walter Kranz. Wenn er in die Rolle des Stefan George schlüpfte und sich im Kreis seiner (gekauften) Kosmiker wie ein literarischer Bonaparte gerierte, wurde es vollends lächerlich. Annette Paulmann gab eine penetrante und sehr bodenständige Ehefrau. Ihrem konterkarierenden Spiel verdankte Pregler letztlich seine wahre Größe als furioser Dichterwicht.
Brigitte Hobmeier überraschte wieder einmal durch ihre Wandlungsfähigkeit. In der Rolle der Freundin von Kranz erinnerte sie an Hanna Schygulla in ihren besten Zeiten, lasziv und scheinbar nicht mehr von dieser Welt. Als Verehrerin Andree kolportierte sie grandios das Prinzip des Fantums. Genija Rykova gab die ehrbare Sekretärin ebenso evident wie die hart arbeitende Prostituierte oder sie sexuell willige Gönnerin Irmgart von Witzleben, deren Tod auch nur ein Witz war. Und weil der Tod ein Witz war, war der untersuchende Polizeibeamte Lauf auch nur ein Fälschung. Edmund Telgenkämper war in dieser Rolle allenfalls eine Marginalie zum Thema. Lustig anzuschauen war er jedoch als tumber Stricher in römischer Toga und göttlicher Pose zu den Füßen von Kranz/George. Ein wirklich schweres Los hatte allerdings Thomas Schmauser als geistig behinderter Bruder Ernst. Er fühlte sich in seiner Rolle, die eigentlich gar keine war, sichtlich unwohl und bei der Verbeugung am Ende hatte man das ungute Gefühl, er würde unmittelbar nach seinem Abgang Harakiri machen.
Regisseur Pucher hatte sich von Stéphane Laimé eine Bühne bauen lassen, die sich als nicht sonderlich praktisch erwies. Offene Räume, sie schwebten aus dem Bühnenhimmel herein oder wurden herein geschoben, wurden bei offener Bühne zu einem geschlossenen Raum zusammenmontiert, aus dem per Video auf die Außenhaut übertragen wurde. Bühnenwände, eine mit dem Bildnis von Friedrich Nietzsche, ergaben in der Bewegung größere oder kleine Räume. Und schließlich konnten die Innenräume gegen den Blick des Publikums durch eine, die gesamte Bühnenbreite durchmessende Außenwand abgeschlossen werden, die gleichsam als Projektionsfläche für die Übertragungen aus dem Innern herhalten musste. Es war alles recht unübersichtlich und holprig. Auch wurde viel umgebaut bei laufender Handlung, wobei sich der Zuschauer endlich auch einmal ein konkretes Bild vom Beruf des Bühnearbeiters machen konnte. Selbst der Maskenbildner Norbert Baumbauer erschien auf offener Szene und verwandelte Wolfgang Pregler in den Dichterfürsten George. Damit war auch er ein Darsteller.
Es ging nicht allzu viel zusammen und am Ende konnte das wüste Treiben kaum als zwingend bezeichnet werden. Irgendwie entsprach es dem Schlüsselsatz von Walter Kranz: „Gestern noch depressiv und heute – genial.“ Allerdings, nicht weil der Satz inhaltlich stimmte, sondern weil er absolut unbegründet war. Aber wenn etwas unverständlich bleibt, kann man es getrost genial nennen. Es war den Darstellern zu danken, dass sie punktuell einige gute Gags sehr komödiantisch verkaufen konnten. Walter Kranz war sicherlich nicht der Prototyp eines Künstlers, ebenso wenig wie Rainer Werner Fassbinder es war. Das Publikum applaudierte geradezu tumultartig. Zwischendrin gab es aber auch ratlose Gesichter.
Brigitte Hobmeier überraschte wieder einmal durch ihre Wandlungsfähigkeit. In der Rolle der Freundin von Kranz erinnerte sie an Hanna Schygulla in ihren besten Zeiten, lasziv und scheinbar nicht mehr von dieser Welt. Als Verehrerin Andree kolportierte sie grandios das Prinzip des Fantums. Genija Rykova gab die ehrbare Sekretärin ebenso evident wie die hart arbeitende Prostituierte oder sie sexuell willige Gönnerin Irmgart von Witzleben, deren Tod auch nur ein Witz war. Und weil der Tod ein Witz war, war der untersuchende Polizeibeamte Lauf auch nur ein Fälschung. Edmund Telgenkämper war in dieser Rolle allenfalls eine Marginalie zum Thema. Lustig anzuschauen war er jedoch als tumber Stricher in römischer Toga und göttlicher Pose zu den Füßen von Kranz/George. Ein wirklich schweres Los hatte allerdings Thomas Schmauser als geistig behinderter Bruder Ernst. Er fühlte sich in seiner Rolle, die eigentlich gar keine war, sichtlich unwohl und bei der Verbeugung am Ende hatte man das ungute Gefühl, er würde unmittelbar nach seinem Abgang Harakiri machen.
Regisseur Pucher hatte sich von Stéphane Laimé eine Bühne bauen lassen, die sich als nicht sonderlich praktisch erwies. Offene Räume, sie schwebten aus dem Bühnenhimmel herein oder wurden herein geschoben, wurden bei offener Bühne zu einem geschlossenen Raum zusammenmontiert, aus dem per Video auf die Außenhaut übertragen wurde. Bühnenwände, eine mit dem Bildnis von Friedrich Nietzsche, ergaben in der Bewegung größere oder kleine Räume. Und schließlich konnten die Innenräume gegen den Blick des Publikums durch eine, die gesamte Bühnenbreite durchmessende Außenwand abgeschlossen werden, die gleichsam als Projektionsfläche für die Übertragungen aus dem Innern herhalten musste. Es war alles recht unübersichtlich und holprig. Auch wurde viel umgebaut bei laufender Handlung, wobei sich der Zuschauer endlich auch einmal ein konkretes Bild vom Beruf des Bühnearbeiters machen konnte. Selbst der Maskenbildner Norbert Baumbauer erschien auf offener Szene und verwandelte Wolfgang Pregler in den Dichterfürsten George. Damit war auch er ein Darsteller.
Es ging nicht allzu viel zusammen und am Ende konnte das wüste Treiben kaum als zwingend bezeichnet werden. Irgendwie entsprach es dem Schlüsselsatz von Walter Kranz: „Gestern noch depressiv und heute – genial.“ Allerdings, nicht weil der Satz inhaltlich stimmte, sondern weil er absolut unbegründet war. Aber wenn etwas unverständlich bleibt, kann man es getrost genial nennen. Es war den Darstellern zu danken, dass sie punktuell einige gute Gags sehr komödiantisch verkaufen konnten. Walter Kranz war sicherlich nicht der Prototyp eines Künstlers, ebenso wenig wie Rainer Werner Fassbinder es war. Das Publikum applaudierte geradezu tumultartig. Zwischendrin gab es aber auch ratlose Gesichter.
Wolf Banitzki
Satansbraten
von Rainer Werner Fassbinder
Justin Bond, Julius Dattenberger, Hannes Heinrich, Brigitte Hobmeier, Nikolai Huber, Benjamin Jorns, Annette Paulmann, Wolfgang Pregler, Genija Rykova, Ute Schall, Ryan Scheerlink, Thomas Schmauser, Edmund Telgenkämper, Maximilian von Rossek, Moritz Windloff Regie: Stefan Pucher |