Komödie am Max II Schwarzgeld für weiße Tauben von Pierre Sauvil
Hochbrisant
Es ist eine Komödie und es sollte gelacht werden, gelacht werden über ein Thema, das dem "kleinen Mann" nur allzu häufig sauer aufstößt: Korruption, Bestechung, Amtsmissbrauch durch Politiker.
Pierre Sauvil zeigt auf unterhaltsame Weise, dass die Mächtigen, auch nur Menschen, nur "Gefangene des Systems" sind, in dem Erpressung, Bestechung,Intrige die Tagesordnung bestimmen, die es zu bedienen gilt. Als zutiefst menschlich stellt er die Aspekte heraus, die so ein öffentliches Amt begleiten und in die, als wären es Fallen, der auf dem politischen Parkett Agierende, geradezu hineinstolpern muss. Es lebe das Klischee, das mittlerweile die sich selbst erfüllende Prophezeiung ersetzt.
Der Schauplatz, das Wohnzimmer im Landhaus, gestaltet von Gert B. Venzky, spiegelt Seriosität und moderne Gediegenheit wieder. Es ist der ideale Raum, aus dem heraus Minister agieren. Und das tut Volker Brandt als Minister für Soziales, der mit seinem Sekretär Thibaut die Vorgehensweise für seinen Auftritt am nächsten Parteitag entwirft. Ein Knaller für die Partei und ein Spektakel für die Medien soll die Rede werden. Man übt sich im inhaltslosen Politjargon und in modernen Strategiephrasen, als der Abgeordnete Bouladon durch das Fenster eindringt. Er hat sich heimlich über die Mauer, den Garten, unter Umgehung der Maulwurfshügel, herangepirscht, um seinen Freund und Parteigenossen auf dessen Verfehlungen aufmerksam zu machen und daraus seine eigenen Vorteile zu ziehen. Man könnte diesen Vorgang auch Erpressung nennen. Bouladon strebt nach dem Posten eines Botschafters in einem sonnigen Land und fordert perfider Weise überdies eine Woche Urlaub in der Karibik mit der Frau des Ministers. Andernfalls würden die vernichtenden Informationen an die Medien weitergereicht. Der Wunsch zur Berufung als Botschafter wäre einfach zu erfüllen, kein Problem, doch der Urlaub ist ein sehr hoher Preis, so scheint es. Der Minister, in dieser Rolle brilliert Volker Brandt, zieht alle ihm zur Verfügung stehenden Register. Er feilscht und windet sich und ergibt sich schließlich zähneknirschend scheinbar in sein Schicksal. Kurzum, keine Facette des Menschlichen ist ihm fremd.
Es ist ein Spiel um Schein, Anschein und allzumenschliche Tatsachen, das Regisseur Celino Bleiweiss ohne große Schnörkel trefflich in Szene setzte. Geradezu realistisch mutet es an. Die Darsteller, allesamt von Bühne und Fernsehen bekannt, meistern die Verwicklungen bravourös. Agathe (Susanne Meikl), Mitarbeiterin und ehemalige Gespielin des Ministers, kann ihre Erfahrungen aus ihrer Geheimdienstzeit einsetzten und vermutlich hätte selbst James Bond seine Freude an ihr gehabt. Pauline, zu Beginn die tugendhafte Gattin und Vertreterin der Moral, kürzt im Laufe des Spiels ihre Kleider als sichtbares Zeichen für die innere Wandlung, der Sibylle Nicolai überzeugend Gestalt verlieh. Auch Thibaut, der Sekretär, ein junger aufstrebender Mann, erhält seine große Chance. Nur der Abgeordnete Bouladon geht am Ende fast leer aus. Doch wahre Gerechtigkeit waltet auch in seinem Falle nicht.
Dank der schauspielerischen und der inszenatorischen Leistungen ist es ein kurzweiliger Abend, der zudem Scheinmoral entlarvt. Das Lachen über eine Komödie enthebt jedoch keinesfalls eines eigenen kritischen Standpunktes. Bestenfalls hilft es, die menschliche Natur zu durchschauen und zu einer differenzierteren Sicht auf die Dinge zu kommen.
C.M.Meier
Schwarzgeld für weiße Tauben
von Pierre Sauvil
Volker Brandt, Sibylle Nicolai, Roland Peek, Susanne Meikl, Rudolf Otahal
Regie: Celino Bleiweiss |
Komödie am Max II Die Witwen von Ludwig Thoma
Witwenreigen
Heiratsvermittlung ist ein beliebtes Thema in Komödien und auch im Stück "Die Witwen" von Ludwig Thoma geht es um nichts anderes. Der dramatische Erstling Thoma's entstand 1899 und atmet noch ganz den Geist der Jurisprudenz, der sich der Autor bis auf den Vortag verschrieben hatte. Ort der Handlung ist die von Bühnenbildnerin Monika Cleres funktional und verhalten stimmungsvoll gestaltete Kanzlei des Anwalts Dr. jur. Hans Stein. Dieser integere, zutiefst moralisch sprechende und auch handelnde Mann ist unbeweibt, was seine ammenhafte Haushälterin Victor (Luise Deschauer) und deren Anverwandten und professionellen Heiratsvermittler Baptist Weber (Norbert Heckner) auf den Plan ruft. Wie nicht anders zu erwarten, hat Herr Weber auch prompt die Witwe Warmbüchler (Barbara de Koy) parat, die sich hervorragend in das Arrangement einpassen ließe. Doch da es eine Komödie ist, die zunehmend von Missverständnissen lebt, läuft die Geschichte schnell aus dem Ruder. Anwalt Stein, facettenreich und souverän von Stefan Reck gegeben, verweigert sich einer derartig "anrüchigen" Praxis strikt. Als ihn eine andere Witwe wegen eines tatsächlichen Rechtsstreites konsultiert, brüskiert er diese irrtümlich, in dem er Ihre Moral, sich auf einen solchen Kuhhandel einzulassen, in Frage stellt. Die Dame weiß natürlich von nichts. Dennoch steht für alle Anwesenden auf und vor der Bühne fest, dass nur sie die zu Erwählende sein kann. Sonja Bastians Witwe Werneck hat etwas von einer Madonnenerscheinung und viel mehr gibt diese Rolle auch nicht her. Doch ihr Auftritt gelingt so überzeugend, dass der heftige Pawlowsche Reflex bei Anwalt Stein glaubhaft und logisch ist. Der illustre Reigen um den inzwischen liebesleidenden Anwalt wird durch den Sekretär Singer und den Hofbauern, einen Klienten, komplettiert. Singer, ärmelschonerbewehrtes Bürofaktotum, ist ganz auf die ökonomischen Belange der Kanzlei fixiert und immer auf der Suche nach dem "großen Fisch". Frank Jacobsen als Singer brauchte eingangs ein paar Minuten, um sich deutlich für seinen norddeutschen Dialekt entscheiden zu können. Sein Spiel war weniger pomadenhaft und schillernd als seine Erscheinung. Markus Völlenklees Hofbauer entzieht sich beinahe einer Bewertung mittels theatralischen Vokabulars. Am besten ließe er sich mit einer Naturerscheinung vergleichen. Seine bajuwarisch-derben Auftritte sind erdrutschartig und mitreißend. Die Gründe seiner Auftritte sind es ebenso, denn als Klient hat er sich wegen Körperverletzung nach dem Genuss größerer Mengen Biers zu verantworten. Wenig glaubhaft versucht der Hofbauer seine Tat mit "Notwehr" zu begründen. Notwehr war übrigens auch das Thema von Thoma's Doktorarbeit, die lediglich mit "rite" bewertet wurde, was dem Zuschauer vielleicht tiefer gehende Exkurse ersparte.
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Stefan Reck und Norbert Heckner
© Anita Pingera
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Regisseur Peter Bernhardt organisierte das Spiel sensibel und maßvoll. Er verzichtete auf vordergründiges Türenschlagen und setzte die Pointen treffsicher. Die Vorlage tief auslotend, finden sich gelegentlich sogar poetische Momente. Im zweiten Teil offenbaren sich dann aber die dramaturgischen Schwächen des Stücks. Auch Georg Lohmeier, der für die Uraufführung im Jahr 1958 eine Bearbeitung schuf, konnte diese nicht gänzlich überwinden. Selbst die Einführung einer dritten Witwe half da wenig, wenn gleich Heide Ackermann als Witwe Mayer ein unvergessliches visuelles Erlebnis ist! Die rhythmischen Unausgewogenheiten im Fortgang der Geschichte führen schließlich zu Verkürzungen, die den Zuschauer weitestgehend um sein eigenes Sentiment bringen, das "Happy end" lustvoll zu genießen. Der Komödienzuschauer hat ein Recht darauf, dem geliebten Protagonisten das Ende, welches ja jeder kennt, in Gedanken soufflieren zu dürfen. Hier wurde er, ehe er sich's versah, von der Geschichte überholt.
Wolf Banitzki
Die Witwen
von Ludwig Thoma
In einer Fassung von Georg Lohmeier
Heide Ackermann, Sonja Bastian, Luise Deschauer, Lance Girard, Norbert Heckner, Frank Jacobsen, Barabara de Koy, Stefan Reck, Markus Völlenklee
Regie: Peter Bernhardt |