Metropoltheater Nichts. Was im Leben wichtig ist von Janne Teller


 

 

Sie nennen es Nihilismus

Die Verneinung bestehender Glaubenssätze führt seit jeher zu Angst, Chaos, Gewalt. Es scheint als würden alle Gedanken der Welt, zu einem Netz verflochten, den geistigen Halt der Spezies Mensch bedeuten. Diese laufen die Fäden entlang, halten an den Knoten inne. Es läuft eine Weile, kommt zu Stau, Missverständnissen und die einen behaupten die Fäden des Netzes wären von blauer Farbe, während die anderen behaupten diese wären grün. Eskalation! Neue Fäden werden eingeflochten, neue Gedanken gesponnen. Gleich Marionetten zappeln die Gläubigen die Fäden entlang, immer die Fäden entlang. Kommt nun ein freier Geist, einer der fliegen kann, in den Maschen den Netzes verweilen - beispielsweise in einem Pflaumenbaum sitzend - und zwingt sie ihre Leitfäden in Frage zu stellen, so ruft dies Angst hervor, stört die Einigkeit und wird attackiert, bis ...  - Sokrates, Jesus, Nietzsche, und ... und ... und Pierre Anthon. Jede Gesellschaft hat ihre Mechanismen sich dieser Geister zu entledigen.

In dem Buch „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ von Janne Teller ist es eine Klassengemeinschaft, welche angestrengt ihren Mitschüler Pierre Anthon von der Richtigkeit des gemeinschaftlichen Tuns zu überzeugen, ihn zu „bekehren“ sucht. Sie scheitern, obwohl sie ihr Handeln als vernünftig anerkennen, als Gemeinschaft und letztlich vor allem jeder an sich selbst. Die Konsequenz, mit der der Aussteiger sie immer wieder mit seiner unwiderlegbaren Ansicht „Nichts bedeutet irgendetwas.“ konfrontiert, macht den „Berg der Bedeutung“ welche die Jugendlichen, unter zunehmend umfassenderer Selbstverleugnung anhäufen, bedeutungslos. Lebenshaltung steht gegen Lebenshaltung – „Nichts. vs. Was im Leben wichtig ist“. Und was bedeutet „wichtig“? Vordergründig erheblich bis dringend. Ein Superlativ! Naturgemäß wird einer solchen Worthülse in der Gesellschaft noch deutlich mehr Bedeutung zugemessen, schon einfach um dem vermittelten Inhalt mehr Gewicht zuzuschreiben, als dieser tatsächlich hat, ihm zukommt. Das Wort-Prinzip funktioniert, wie unschwer überall zu erkennen ist. Der Mechanismus fordert seine Opfer, die Opfer opfern sich und treten gepeinigt um sich. Es ist ein durchaus umstrittenes, mit Preisen ausgezeichnetes Buch, welches sehr kontroverse Reaktionen hervorruft.

  NichtsWas  
 

 Nicolas Fethi Türksever

© Hilda Lobinger

 

Die Brisanz des Themas ist unbestritten. Eine Theater-Adaption des Romans wurde von Regisseur Jochen Schölch und Absolventen der Theaterakademie August Everding auf die Bühne des Metropoltheaters gebracht. Von der Decke hing eine Vielzahl von Lampen in geometrischer Anordnung. Die Leere der Bühne unterbrachen einige rostige Blechfässer, die Häuser des Ortes Taering – dän. rosten, erodieren – dem Ort des Geschehens. Die bürgerliche Idylle gab damit ihren Zerfall preis. Gleich einem Chor stand die Gruppe. Gemeinsam als Klasse oder abwechselnd einzeln die Figuren vorstellend, sprachen sie den gekürzten Prosatext. Jan Johann, Ole, Kai, Hendrik, Werner, Richard, Hans, Laura, Maike, Anna, Gerda, Agnes, Sofie, Elise, Marie und Ursula ... Pierre Anthon. Durch Mehrfachbesetzung blieb für jeden der jungen Schauspieler viel Text zu bewältigen. Erwähnenswert ist das Bild in welchem David Lindermeier, Nicolas Fethi Türksever, Martin Borkert und Simon Heinle Sonnenbrillen aufsetzten und als Band den Song „Nowhere Man“ der Beatles vortrugen, zu dem die Mädchen durchweg in hysterische Begeisterung verfielen. Mit ausdrucksvoller Körpersprache unterstrichen die Darsteller Text und Aktion. So formten sie mit ihren Körpern den „Berg der Bedeutung“, zauberten „Bedeutungen“ hervor und blieben doch auch immer sachlich angemessener Vortragshaltung verhaftet. Es war eine präzise erarbeitete und ausgeführte Darbietung eines Romans, an dessen Ende das Bildnis des Gekreuzigten angedeutet wurde. Nebenbei: Es wäre höchst angebracht diesen Leidenden endgültig abzunehmen, die Fäden, die Gedanken zu dem zweitausend Jahre vergangenen Spektakel der Bestrafung und Abschreckung zu unterbrechen, um Freiraum zu schaffen, anderen Überzeugungen den Raum zu überlassen ...

 


C.M.Meier

 

Der Sinn des Lebens ist das Leben. Nur dieses ist von lebenslanger Bedeutung. Alles andere ist Beiwerk, notwendiges oder überflüssiges, stärkendes oder belastendes Beiwerk. Wer sie nicht kennt, die „Möwe Jonathan“ von Richard Bach ... hat noch nie wirklich versucht Fliegen zu lernen, den Hauch des Lebens zu erfahren bzw. Fähigkeit zu Profession zu machen ... hat noch nie die Bedeutung zu leben erkannt, noch nie auch nur eine Stunde in einem Pflaumenbaum verweilt.

 

 


Nichts. Was im Leben wichtig ist  

von Janne Teller

Bühnenfassung von Andreas Erdmann nach der deutschen Übersetzung von Sigrid D. Engeler

Konstanze Fischer, Judith Neumann, Anna-Yael Ehrenkönig, Theresa Martini, Leonie-Merlin Young, Sara Tamburini, David Lindermeier, Nicolas Fethi Türksever, Martin Borkert, Simon Heinle
Stimme Erzähler: Christian Baumann
Klavier: Friedrich Rauchbauer

Regie: Jochen Schölch

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