Metropol Theater The Black Rider Music und Lyrics von Tom Waits
Wenn der Teufel äfft
Carl Maria von Webers bekannteste Oper "Der Freischütz" entstand zwischen 1817 und 1820 und war inspiriert von den im Jahr 1730 gedruckten "Unterredungen von dem Reiche der Geister" (Otto Graben zum Stein) und dem 1810 erschienen "Gespensterbuch" (Johann August Apel und Friedrich Laun). Letzteres enthielt die "Volkssage des Freischütz", nach der Friedrich Kind in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten das Opernlibretto schrieb. Thema ist der "Freischuss", der immer trifft. In Webers Oper geht es, wie der Untertitel verrät, romantisch zu. Seine Kompositionen waren und sind Hits.
Tom Waits ließ sich seinerseits von Webers Oper inspirieren, ohne jedoch, wie sich bei Waits denken lässt, Romantik erzeugen zu wollen. Der Schreiber Wilhelm, ein schlechter Schütze, kann seiner Angebetenen nur hinterher schmachten. Käthchen ist leider die Tochter des Försters und der verabscheut Männer, die das Gewehr nicht sicher handhaben. Wilhelm geht einen Pakt mit dem "Stelzfuss" ein und bezieht bei dem Kugeln, die ihr Ziel nie verfehlen. Unmittelbar vor der Hochzeit gilt es, eine letzte Probe für das Können zu liefern. Doch Wilhelm ist die magische Munition ausgegangen. So schleicht er in die Wolfsschlucht, um selbst Kugeln zu gießen. Doch Stelzfuß fordert seinen Tribut. "Sechs für dich und eine mir - deine treffen, meine äffen ..." Die Eine hat es in sich.
Der Geschichte von Burroughs/Waits wird nachgesagt, dass sie düster und abgründig sei. Es könnte an dieser Stelle der Gedanke aufkommen, dass dies nur die zeitgenössische Spielart von Romantik sei. Weit gefehlt. Es ist sogar eine sehr realistische Geschichte. Am 6. September 1951 wollte William Burroughs gemeinsam mit seiner Frau Joan in einem billigen Hotelzimmer in Quito/Mexiko einen Mann treffen, um ihm ein Gewehr Marke 380-Automatik zu verkaufen. William war stark angetrunken. Seine Südamerikareise war ohnehin ein einziger Drogentrip. Während das Ehepaar gemeinsam mit drei anderen Männern auf den Käufer wartete, kam William eine Idee. "Joanie, lass uns doch den Jungen mal zeigen, was für ein Schütze der alte Bill ist." Joan war einverstanden und stellte sich ein Cocktailglas auf den Kopf. William zielte und schoss. Das Glas fiel unbeschädigt auf den Boden und Joans Kopf zur Seite. Blut sickerte aus einem kleinen Loch. Joan war tot. Burroughs schrie: "Joan, Joan, Joan!", kniete neben ihr und weinte.
Carl Maria von Webers bekannteste Oper "Der Freischütz" entstand zwischen 1817 und 1820 und war inspiriert von den im Jahr 1730 gedruckten "Unterredungen von dem Reiche der Geister" (Otto Graben zum Stein) und dem 1810 erschienen "Gespensterbuch" (Johann August Apel und Friedrich Laun). Letzteres enthielt die "Volkssage des Freischütz", nach der Friedrich Kind in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten das Opernlibretto schrieb. Thema ist der "Freischuss", der immer trifft. In Webers Oper geht es, wie der Untertitel verrät, romantisch zu. Seine Kompositionen waren und sind Hits.
Tom Waits ließ sich seinerseits von Webers Oper inspirieren, ohne jedoch, wie sich bei Waits denken lässt, Romantik erzeugen zu wollen. Der Schreiber Wilhelm, ein schlechter Schütze, kann seiner Angebetenen nur hinterher schmachten. Käthchen ist leider die Tochter des Försters und der verabscheut Männer, die das Gewehr nicht sicher handhaben. Wilhelm geht einen Pakt mit dem "Stelzfuss" ein und bezieht bei dem Kugeln, die ihr Ziel nie verfehlen. Unmittelbar vor der Hochzeit gilt es, eine letzte Probe für das Können zu liefern. Doch Wilhelm ist die magische Munition ausgegangen. So schleicht er in die Wolfsschlucht, um selbst Kugeln zu gießen. Doch Stelzfuß fordert seinen Tribut. "Sechs für dich und eine mir - deine treffen, meine äffen ..." Die Eine hat es in sich.
Der Geschichte von Burroughs/Waits wird nachgesagt, dass sie düster und abgründig sei. Es könnte an dieser Stelle der Gedanke aufkommen, dass dies nur die zeitgenössische Spielart von Romantik sei. Weit gefehlt. Es ist sogar eine sehr realistische Geschichte. Am 6. September 1951 wollte William Burroughs gemeinsam mit seiner Frau Joan in einem billigen Hotelzimmer in Quito/Mexiko einen Mann treffen, um ihm ein Gewehr Marke 380-Automatik zu verkaufen. William war stark angetrunken. Seine Südamerikareise war ohnehin ein einziger Drogentrip. Während das Ehepaar gemeinsam mit drei anderen Männern auf den Käufer wartete, kam William eine Idee. "Joanie, lass uns doch den Jungen mal zeigen, was für ein Schütze der alte Bill ist." Joan war einverstanden und stellte sich ein Cocktailglas auf den Kopf. William zielte und schoss. Das Glas fiel unbeschädigt auf den Boden und Joans Kopf zur Seite. Blut sickerte aus einem kleinen Loch. Joan war tot. Burroughs schrie: "Joan, Joan, Joan!", kniete neben ihr und weinte.
Christian Baumann, Viola von der Burg, Andreas Thiele © Hilda Lobinger |
Vor dem Hintergrund dieser Geschichte ist "Black Rider" gar nicht mehr so hipp und kultig wie beispielsweise "The Rocky Horror Pictures Show". Die Düsternis ist hier Düsternis und kein Theaternebel. Und die Botschaft ist eine sehr pädagogische, denn der Pakt mit dem Teufel ist eine unmissverständliche Metapher für den Pakt mit der Droge.
Tom Waits Arrangements sind eingängig und von feinster Musikalität. Der einstige Mozart des Undergrounds, der als Türsteher vor Clubs angefangen hatte, ist längst zu einem Klassiker der Moderne geworden und seine Musik ist dauerhaft, ohne je modisch gewesen zu sein. Die Hamburger Bühnenvorgabe durch Robert Wilson setzte Maßstäbe.
Die Inszenierung von Jochen Schölch hingegen war der Versuch, einen Festakt zu begehen. Das Metropol Theater in Freimann besteht seit 10 Jahren. Theaterleiter Schölch und seine Mitstreiter haben guten Grund zu feiern, denn die künstlerischen Bilanzen sind prächtig.
Auch wenn das Publikum die Inszenierung frenetisch feierte, war es ganz sicher nicht die beste Arbeit dieser 10 Jahre. Man setzte nur halbherzig auf schrill und daneben. Viola von der Burg bediente dies unbestritten. Sie gab als Stelzfuß eine Mischung aus Joel Grey (Cabaret) und Conrad Veit (als Somnambule Cesare), sehens- und bemerkenswert. Ähnlich stark konnten sich Christian Baumann als rollstuhlfahrender Conferencier und Andreas Thiele als dessen Famulus in Szene setzten. Philipp Moschitz, jungenhaft und linkisch, war in der Rolle des Schreibers Wilhelm vorzüglich besetzt. Zudem konnte er mit seinen inzwischen hinlänglich bekannten gesanglichen Qualitäten überzeugen. Die anderen Darsteller blieben jedoch weitestgehend profillos. Ernst Matthias Friedrich, der den Förster spielte, tat dies ausgesprochen hölzern.
Schmissige Choreografien von Katja Wachter verliehen dem Stück immerhin ein wenig von dem, was die Werbung als "eigenwillige Mischung aus schrägem Varieté und schrillem Vaudeville" bezeichnete. Wirklich schrill war es aber nicht. Davor war möglicherweise der sich durch das ganze Stück ziehende Einfall, alles mit Regenschirmen darzustellen. So wurden die Darsteller zu Bäumen, zu Vögeln oder, Schirm im Anschlag, zu Jägern. Die durchkalkulierte Ordnung dieses Einfalls, hübsch anzuschauen, nahm der Handlung gelegentlich das dämonisch-anarchische. (Erinnerungen an die Ästhetik von "Die Regenschirme von Cherbourg" drängten sich auf.)
Der Musik (Leitung: Andreas Lenz von Ungern-Sternberg) fehlte die einschneidende Prägnanz, wie man sie aus den Interpretationen von Waits kennt. Waits ist der Meister des Beiläufigen. Ein Seufzen, ein Hüsteln, ein Grummeln hat bei ihm den Stellenwert einer ganzen Arie in einer Oper. Ähnlich verfährt er mit seinen Instrumenten, schrottreifes Zeug z.T., gekoppelt mit altersschwachen Verstärkern. Die Nuance des sich daneben Befindens stößt die Türen in die Räume der sinnlichen Wahrnehmung auf. Alles klingt zudem, als nähme es ein Fußbad in Whiskey. Aber die Zeiten, "als Alkoholismus noch fester Bestandteil des Entertainments war", sind vorbei. Darin liegt vielleicht eine Ursache begründet, warum es so schwer ist, Tom Waits auf die Bühne zu bringen.
Für eine Kult-Inszenierung fiel dieser Schuss zu kurz aus.
Wolf Banitzki
Tom Waits Arrangements sind eingängig und von feinster Musikalität. Der einstige Mozart des Undergrounds, der als Türsteher vor Clubs angefangen hatte, ist längst zu einem Klassiker der Moderne geworden und seine Musik ist dauerhaft, ohne je modisch gewesen zu sein. Die Hamburger Bühnenvorgabe durch Robert Wilson setzte Maßstäbe.
Die Inszenierung von Jochen Schölch hingegen war der Versuch, einen Festakt zu begehen. Das Metropol Theater in Freimann besteht seit 10 Jahren. Theaterleiter Schölch und seine Mitstreiter haben guten Grund zu feiern, denn die künstlerischen Bilanzen sind prächtig.
Auch wenn das Publikum die Inszenierung frenetisch feierte, war es ganz sicher nicht die beste Arbeit dieser 10 Jahre. Man setzte nur halbherzig auf schrill und daneben. Viola von der Burg bediente dies unbestritten. Sie gab als Stelzfuß eine Mischung aus Joel Grey (Cabaret) und Conrad Veit (als Somnambule Cesare), sehens- und bemerkenswert. Ähnlich stark konnten sich Christian Baumann als rollstuhlfahrender Conferencier und Andreas Thiele als dessen Famulus in Szene setzten. Philipp Moschitz, jungenhaft und linkisch, war in der Rolle des Schreibers Wilhelm vorzüglich besetzt. Zudem konnte er mit seinen inzwischen hinlänglich bekannten gesanglichen Qualitäten überzeugen. Die anderen Darsteller blieben jedoch weitestgehend profillos. Ernst Matthias Friedrich, der den Förster spielte, tat dies ausgesprochen hölzern.
Schmissige Choreografien von Katja Wachter verliehen dem Stück immerhin ein wenig von dem, was die Werbung als "eigenwillige Mischung aus schrägem Varieté und schrillem Vaudeville" bezeichnete. Wirklich schrill war es aber nicht. Davor war möglicherweise der sich durch das ganze Stück ziehende Einfall, alles mit Regenschirmen darzustellen. So wurden die Darsteller zu Bäumen, zu Vögeln oder, Schirm im Anschlag, zu Jägern. Die durchkalkulierte Ordnung dieses Einfalls, hübsch anzuschauen, nahm der Handlung gelegentlich das dämonisch-anarchische. (Erinnerungen an die Ästhetik von "Die Regenschirme von Cherbourg" drängten sich auf.)
Der Musik (Leitung: Andreas Lenz von Ungern-Sternberg) fehlte die einschneidende Prägnanz, wie man sie aus den Interpretationen von Waits kennt. Waits ist der Meister des Beiläufigen. Ein Seufzen, ein Hüsteln, ein Grummeln hat bei ihm den Stellenwert einer ganzen Arie in einer Oper. Ähnlich verfährt er mit seinen Instrumenten, schrottreifes Zeug z.T., gekoppelt mit altersschwachen Verstärkern. Die Nuance des sich daneben Befindens stößt die Türen in die Räume der sinnlichen Wahrnehmung auf. Alles klingt zudem, als nähme es ein Fußbad in Whiskey. Aber die Zeiten, "als Alkoholismus noch fester Bestandteil des Entertainments war", sind vorbei. Darin liegt vielleicht eine Ursache begründet, warum es so schwer ist, Tom Waits auf die Bühne zu bringen.
Für eine Kult-Inszenierung fiel dieser Schuss zu kurz aus.
Wolf Banitzki
The Black Rider
Music und Lyrics von Tom Waits
'The Casting of the Magic Bullets' Original Direction and Stage Design by Robert Wilson Original Arrangements by Tom Waits and Greg Cohen Texts by William Burroughs Christian Baumann, Viola von der Burg, Kerstin Dietrich, Matthias Friedrich, Katharina Haindl, Sven Hussock, Iris Kotzian, Philipp Moschitz, Katja Schild/Silke Nikowski, Andreas Thiele Regie: Jochen Schölch Musikalische Leitung: Andreas Lenz von Ungern-Sternberg |