Neues Haus DOWN UNDERSTANDING von Schorsch Kamerun


 
 
 
Garantiert wider den tierischen Ernst

"Down Understanding heißt das schräge Projekt von Schorsch Kamerun an den Münchner Kammerspielen, mit dem der Underground-Musiker und Anti-Theatermacher mal wieder ein genau geplantes Chaos inszeniert." (Zitat: Website Münchner Kammerspiele) Chaos bedeutet zumeist eines mit Sicherheit: Orientierungslosigkeit. Die ist garantiert. Aber, und das scheint Programm zu sein, darauf kommt es gar nicht an, denn: Schorsch Kamerun entwirft "Theaterabende, die mit ausgetüfteltem Dilettantismus, Ironie und Beklopptheit jede Sehnsucht nach gesellschaftlich sanktioniertem Verhalten als obsolet erklären und so die Schwerkraft jeder politischen Debatte im Theater aufheben." Was kann das wohl bedeuten?

Nun, zuallererst einmal, dass es hier zwar um ernste Themen ging, diese aber sehr unernst angegangen wurde. So war das Zentrum des Schwachsinns der heutigen Realität ein Wolpertinger. Dieser entpuppte sich alsbald als ein Australier griechischer Abstammung. Dies wissend, wurde der Titel verständlich, wenngleich einige Informationen über das Wesen des fünften Kontinents nicht schaden könnten, damit sich die Hintergründigkeiten von Downunder, resp. Down Understanding entfalten können. Der Wolpertinger fand sich nach einem kurzzeitigen Koma (die ganz normale Begleiterscheinung beim Besuch des Oktoberfestes) auf einem deutschen Amt wieder, wo man ernsthaft und mit der dem deutschen Beamten gegebenen Fantasie (Wer glaubt, dies sei ein Anachronismus, der irrt!) versuchte, dessen Identität zu ergründen. Ist er vielleicht doch ein "Taliban", der mit der "Talibahn" aus "Binladistan" angereist war? Im Hintergrund, hinter Glas, denn es handelte sich um geschlossene Räume, liefen die Rituale von Einwanderungsbehörden ab, deren Handlungsweisen keine vertrauensbildenden Maßnahmen sind. Wie auch, müssen wir doch unsere Freiheit schon am Hindukusch und unsere Leitkultur auf dem Frankfurter Flughafen verteidigen.
 

Schorsch Kamerun, Bernd Moss, Jan Kahlert, Peter Pichler

© Arno Declair

 

Soviel zur Headline. Dahinter verbargen sich Geschichten und Geschichtchen, erzählt vom Wolpertinger. Bernd Moss gab ihn privat und intim, war dem Publikum so nahe, dass man sehr die Nähe und weniger die Botschaft genoss. Und worum ging es? Zum Beispiel wurde die Showstareintagsfliege Jürgen Drews als deutsche Peinlichkeit zur Sau gemacht und an anderer Stelle erzählt, dass ein Mann (der Bullendozer - www.cowtipping.com) allein eine schlafende Kuh umschubsen kann. Mythologische Dimensionen bekam die Thematik, als der Wolpertinger eine Geschichte erzählte, die sich in Wladiwostok zugetragen hatte. Und dann waren da noch Frau Weber, gleichsam Autorität 1, und Herr Erich, Autorität 2. Herr Erich war mehrfach in Griechenland und kannte sich aus. Dem konnte man nichts vormachen. Ist es nicht schön, dass unser Beamten auch reisen und sich bilden und somit ihren analytischen Verstand schärfen? Das war gar nicht zum Lachen! Lasse Myhrs schneidende Kälte in der Stimme, ließ denn auch das Blut der (unerwünschten) Eindringlinge gefrieren. Ihm zur Seite eine ebenso beflissene Sylvana Krappatsch. Beide hielten sich jedoch fast ausschließlich hinter dem milchigen Glas des von Bühnenbildnerin Constanze Kümmel entworfenen "Transitraumes" auf und konnten dem Publikum kaum mehr als ihre Stimmen und verschwommene oder, wenn sie über die Monitore zappelten, verwackelte Bilder bieten. Nicht viel anders erging es Tabea Bettin, die aus dem Kreis ihrer zu betreuenden Kindern heraus erklärte, wie eine osteuropäische Nanny einen "Wertzuwachs", erfährt, quasi zum Label wird, und wie sie diese Mutation zur Ware genießt. Leider waren ihre eigenen Kinder dabei auf der Strecke geblieben, hatten sich von der Mutter entfremdet. Diese anrührende Szene war ausschließlich auf dem Monitor zu verfolgen.

Schorsch Kamerun leistete neben dem gesanglichen Part auch einige Dialoge. Seine Herkunft aus dem Underground war unüberseh- und hörbar. Höhepunkt war seine Gegennationale, die auf "Die Gegennationale als bestes Gefecht" endete. Dieser Text gab mehr Rätsel auf, als dass er erhellte. Aber es war ja schließlich auch die Gegennationale.

Und dann gab es noch eine Überraschung, nämlich Ouzo und ein griechisches Fest, das mit einem Kindertheater mit den Worten: "Herr Staatsanwalt, bereiten sie diesem Schmierentheater ein Ende", dann auch bald ein Ende fand. Und wenn sich das Publikum fragen sollte, warum ein griechisches Fest, dann sei erwähnt, jeder zehnte Grieche ist Australier. Alles klar?

Schorsch Kamerun ging es ganz sicher nicht darum, dem Publikum die Problematik erklärend näher zu bringen. Vielmehr konnte der Betrachter die den Vorgängen innewohnende Absurdität erkennen, wenn er oder sie nur die richtige Perspektive fand. Oder, wie es die Werbung des Theaters formuliert: "Mit offenen Augen gegen Einsteckecken!"

Wer hehres Theater mit einer gewissen Getragenheit erwartet, sollte den Ort meiden. Wer Lust auf Chaos hat, das gelegentlich und scheinbar auch versehentlich Wahrheiten produziert, wird sich über das, was für die betroffenen Menschen bitterer Alltag ist, wohl amüsieren können. Wer Ouzo mag, bekommt einen gratis.

 
 
Wolf Banitzki

 

 

 

 

DOWN UNDERSTANDING

von Schorsch Kamerun

Tabea Bettin, Schorsch Kamerun, Sylvana Krappatsch, Bernd Moss, Lasse Myhr

Regie Schorsch Kamerun
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