Pasinger Fabrik Die Defekte nach Eleonora Mazzoni


 

 

Das Problem der Tage

In einer Welt, die sich um Wissenschaft, Perfektion und Individualismus dreht, in der die Erfüllung des persönlichen Lebenstraumes den Mittelpunkt bildet, werden die naturgegebenen Grundlagen zu gerne als Störfaktoren gewertet. Die Natur folgt ihren eigenen Spielregeln und so sehr der Mensch diese auch zu ergründen und manipulieren sucht, er scheitert. Der Kernsatz könnte lauten: Design oder Nichtsein.

Das nach dem Roman von Eleonora Mazzoni gestaltete Theaterstück „Die Defekte“ erzählte „Vom unerfüllten Kinderwunsch und der Reise zum Ich“. Eleonora Mazzoni, geboren 1965, studierte Literatur in Bologna, arbeitete erfolgreich als Schauspielerin und brachte, nach eigener Aussage auch persönliche Erfahrungen in den Text ein. Sie äußerte dazu: „ ... ist aber in erster Linie ein Buch über unerfüllte Sehnsüchte.“  Sehnsucht und Hoffnung sind die Zugpferde des Materiellen. Und wer sie für sich zu nutzen versteht, erreicht das eine oder andere Ziel auf dem Weg, oder ist aber doch nur ein Programmpunkt im Geschehen welcher funktioniert.

Es begann mit dem Anforderungskatalog aus dem Leben einer Frau. Wonach soll sie streben, was muss sie tun, um glücklich zu werden und gesellschaftlich anerkannt?! Ein Programm erstand und die Protagonistin Clara stieg auch sogleich ein dieses in Realität umzusetzen. „Stärke und Mut“ braucht es um voran zu kommen. Die Worte gaben ihr Mutter und Großmutter mit. Als „Die Perfekte“ betrat Doris Gruner die Bühne. Selbstbewusst und hocheffizient legte sie die Beweggründe Carlas vor, schilderte sie die Hormonwechsel und deren Bedeutung. „Ich hasse Verspätungen. Bis auf eine.“ Das Problem der Tage, in der einen oder anderen Auslegung, hat wohl schon jede, jede Frau bewegt, und damit naturgegeben indirekt auch jeden Mann. Doris Gruner gelang es mit feinen Gesten, mit dezenten Andeutungen den Text zu unterstreichen und berührende Situationen, Stimmungen zu zaubern. Es war ein ausgewogenes Konzept, welches der Aufführung zugrunde lag und die Entwicklung in vier Akte gliederte. Dazu unterstrich passend die Kleidung Carlas – weiß, schwarz, schwarz/weiß – während dazwischen die Musik Fazit zusammenfasste. Carolin Schiebel brachte scheinbar selbstvergessen den Song von der Lebensreise, live Blues. Die Möglichkeiten des Theaters ausschöpfend gelang Regisseur Guido Verstegen nachhaltige Wirkung, nicht zuletzt mit überraschenden Lichteffekten (Franz Acs).

Reagenzgläser hingen von der Decke, Schnuller und Injektionshüllen und ein paar Fotos aus der Vergangenheit. Und auch die Worte Senecas „ Rette dich dir selbst“,  baumelten wohl als Sätze eines Vaters, als Parole der aktuellen Zeit im Raum. An der Wand die Buchstaben IVI IVF ICSI ... „... gebt nicht auf ...“  schrieben sich die Frauen im einschlägigen Chatroom gegenseitig zu. Dabei sind es gerade mal 10 Prozent, bei denen die medizinischen Aktionen künstlicher Befruchtung zu Erfolg führen.

Es war eine bewegende Inszenierung, die den Stellenwert einer – zur fixen Idee – gewordenen Vorstellung betonte und damit das Problem aus dem Bauch der Frau auch auf den Rest der Welt übertrug. Die Beobachtung, die Analyse, der Vergleich, der Manipulationsansatz, der Versuch ... das Ergebnis. Überall ist es offensichtlich, ist es - das Problem der Tage. Und wer denkt, es wäre allein das Problem der Frau, der hat noch nie einen Mann in seiner machtvollen Geschlechtsfixierung wahrgenommen. Es sind „Die Defekte“ die uns wirklich verbinden, die unsere Verletzlichkeit offensichtlich machen, die zu Erheiterung beitragen.

Und die Heiterkeit nahm durchaus ihren berechtigten Platz ein, in dem Stück um den weiblichen Schöpfungswahn.

 

C.M.Meier

 

 


Die Defekte

nach Eleonora Mazzoni

Doris Gruner
Musik: Carolin Schiebel

Regie: Guido Verstegen