Pasinger Fabrik Benefiz - Jeder rettet einen Afrikaner von Ingrid Lausund


 

Beispielhaft


Das Stück von Ingrid Lausund handelt von einer Gruppe sozial engagierter Personen, die gemeinsam den Abend „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“ gestalten wollen. Die Beweggründe sind so unterschiedlich wie die Menschen, doch das Ziel sollte einen. Die Probe konnte beginnen. Eva (Isabell Magath) brachte eine Kaffeemaschine mit, Eckhard (Thomas Linde) stellte den Tisch und Rainer (Reinhard Wespel) die Stühle auf, Christine (Katrin Thomaschewski) legte ihre Karteikarten aus, Leonie (Alia Groschupf) kam aufgeregt fast zu spät. Der Versuch eine prominente Person für den Auftritt zu gewinnen, scheiterte ebenso, wie keine Einigung erzielt werden konnte zur Einbindung einer afrodeutschen Freundin. Eckhard ging es vor allem um Menschen, Rainer sprach von Individuen. Vorstellungen, Vorbehalte und Klischees begannen einen Tanz, der bald mehr Aufmerksamkeit erhielt, als das Anliegen des Spendensammelns für eine Schule in Guinea Bissau. Wer darf welchen Text, welche Beiträge vortragen und wer bestimmt die Reihenfolge. Ist Publikum bei der Probe anwesend, oder ist kein Publikum im Zuschauerraum? Mit dieser Frage konfrontierte Eckhard sowohl seine Mitstreiter, als auch das Theaterpublikum. Weitere Problempunkte an denen sich die Figuren rieben, gab es ausreichend – vom Käsebrot am Tablet bis zur künstlichen Palme.


Artikult Theater und Regisseurin Petra Behcet stellten die therapeutische Psychologie in den Mittelpunkt des Abends. Gespielt wurden vor allem die Gefühle der Beteiligten, offensichtlich erkennbar. Auf die Bloßlegung der Schwächen reagierte das Publikum mit Heiterkeit. Ein Effekt, der auch zu Nähe zwischen Schauspielern und Zuschauern führte, gewollt.


Eckhard breitete seine, über sein ganzes Leben gewachsene Barmherzigkeit aus. Die Lehre der Kirche bis in jede Körperzelle verinnerlicht, stand er vor und mitten im Publikum, den Menschen. Sinnbild eines Erlösers. Oder eines von den Realitäten Gelösten. Seeligkeit strömte durch den Raum. Leonie nutzte geschickt diese Situation und holte die Spendenkiste hervor. Prompt erklärte sie, dass auch die Gruppe Artikult mit diesem Stück für eine Schule in Bissau sammelte. Die Kiste wurde an der Ausgangstüre des Theaterraumes positioniert, damit die Zuschauer einen Spendenbeitrag einwerfen konnten. Wie einfach man sich ein gutes Gewissen erkaufen kann, lehrten Institutionen schon seit Menschengedenken. Und, es funktioniert immer noch. Danach setzte die Aktionsgemeinschaft sich um den Tisch und besprach die Wünsche der Einzelnen für das abschließende Abendessen. Auch bei diesem Thema trafen die menschlichen Eigenheiten und der Zeitgeist aufeinander.


Eine unterhaltsame Aufführung, ein offensichtlich erheiternder Abend, den das Publikum mit Lachen und Applaus bestätigte.

   BenefizJeder  
 

 Isabell Magath, Reinhard Wespel, Katrin Thomaschewski, Alia Groschupf

© Stefan Brandstätter

 

Das Plädoyer für Mitgefühl bildete den Schwerpunkt der Inszenierung. Dieser Mitleidsaufruf wirkte fast wie ernst gemeint, immerhin ging es tatsächlich darum Spenden zu bewirken. Eine künstlerische und menschliche Sackgasse. Eine gesellschaftliche Gewohnheit wurde damit bedient, keineswegs aufgedeckt.
Das Helfersyndrom vorzuführen, war damit gekippt worden. Statt aufzuzeigen wie die Grenzen zwischen Hilfe und Selbstbestätigung, welche fließend sind, gegen die Bedürftigen verschoben wurden, wurde Empathie beschworen. Doch wer ist bedürftiger, der arrogante Helfer oder der Chancenlose?


Verantwortung übernehmen, das hieße den Menschen Afrikas ihren Heimatboden wiederzugeben, den Raubbau an Bodenschätzen, den Raub der Anbauflächen und die Ablagerung von Elektroschrott u.v.m. zu beenden. Hier begänne echte Verantwortung, doch davor steht die Entscheidung.
Wie die Entscheidung fällt für Lachen oder Weinen. Jedes zu seiner Zeit, jede Reaktion im passenden Zusammenhang. Wenn „Lachen und Weinen zugleich“ (Programmheft) gefördert werden, so ist bereits jeglicher Anstand und jegliche Haltung verloren gegangen. Ohnmacht der umfassenden Entspannung – Raubbau und anschließend Spenden. Verschwimmen die Grenzen, so löst der Mensch sich auf. Verschwimmen die Grenzen zwischen Schauspieler und Mensch, wird die Rolle aufgelöst. Das Missverständnis zwischen menschlicher Nähe und Aufklärung, in diesen unverhältnismäßig emotionalen Zeiten, gilt es darzustellen. Das Theaterstück trägt zwar den Titel „Benefiz“ ist jedoch ein Theaterstück und keine Benefizveranstaltung.
Den Boden in Kenia zu nutzen um Rosen für Europa zu pflanzen, während Menschen im Umfeld verhungern, das ist tatsächlich menschenverachtend. Darüber kann man sich auch nicht durch Spenden hinwegtäuschen. Sie sind bloßer Selbstbetrug und Scheinheiligkeit. Jeder Versuch sich freizukaufen scheitert. Arm an Haltung und Verantwortung, arm an Ideen für Lösungen, reich an Lebensmitteln und Kochrezepten ist man in der geldreichen Gesellschaft. Hauptsache amüsiert und entspannt.

C.M.Meier
 
 PS:
Als ich nach der Vorstellung an der Bushaltestelle stand, entdeckte ich den Stiel einer Rose auf dem Boden liegend. Nachdem ein Mensch seinen Fuß gehoben hatte, lag er verlassen da. Ich sah genauer hin, sah mich um und entdeckte viele rote Blätter und einige grüne, verstreut auf dem Asphalt. Wie eine Metapher für Afrika, für Europa lag sie da, die zertretene Rose, dachte ich. Mangelnde Achtsamkeit und Wertschätzung führten zu ihrem Ende.
Ich hätte lachen können, lachen über ein zufälliges Kunstwerk. Ich hätte weinen können, weinen über eine willkürliche Zerstörung. Hätte ich geweint und gelacht gleichzeitig, wäre ich ein ohnmächtiger Reaktionskörper. Ich erkannte die berührende Metapher, die auch für die Aufführung gilt.
 

Benefiz - Jeder rettet einen Afrikaner

von Ingrid Lausund

Alia Groschupf, Thomas Linde, Isabell Magath, Reinhard Wespel, Katrin Thomaschewski

Regie: Petra Behcet