Schwere Reiter Lichtung von O-Team


 

Irrwege der Worte

Wohl kaum ein anderer Philosoph des 20. Jahrhunderts ist so umstritten wie Martin Heidegger. Er spiegelt in besonderem Maße den Zeitgeist wider, in dem er seine Spuren hinterlassen wollte. Gelungen ist ihm dies zweifelsohne, denn in der kontroversen Diskussion um sein Werk wird heute noch Bezug auf ihn genommen, während andere Denker dafür in den Hintergrund gerieten. Im Zeitalter von Albert Einstein war seine Metaphysik eigen, drehte sich bisweilen im Selbstbezug im Kreis – wenn beispielsweise „das Wesen weste“. Und so wartete das Publikum auf seine Worte, folgte erst den Spuren der Buchstaben über der Spielfläche, erwartete den klärenden Dialog der Darsteller. Laufend verlaufen im Laufe des Laufens die Spuren der Laufenden zu ... dem Lauf der Gedanken um ...

„Ist das Einfache noch einfacher geworden?“ Eine wahrhaft kunstvolle Aufführung auf den Weg zu bringen, bedarf sowohl des Wissen um den Effekt der einfachen Mittel, als auch die Fertigkeit komplexer Wahrnehmung und Wiedergabe. In einer Zeit, in der Theater neue Horizonte sucht, braucht es neue Geister und Gedankenwege um den Worten der Vergangenen andere Ebenen zu öffnen. Das gelang dem O-Team, dessen Name von „Odradek“ einem Fabelwesen, das sich seiner Umgebung flexibel anpasst, abgeleitet wurde. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen fantastischen Künste führte zu einem aktuellen Zeitbild.

„Nur noch ein Gott kann uns retten.“ In einer Küche saß ein Mann, schweigend, wartend. Im Hintergrund tickte es, gleichmäßig, scheinbar unauffällig. Der Mann verharrte, die Füße korrekt nebeneinander unter dem Tisch. Die Zeit verging. Unruhige Ruhe begann den Raum zu füllen. Da betrat eine Frau die Küche. Routiniert emotionslos vollzog sie Alltag. Blumengießen, Waschmaschine füllen, Zähne putzen. Unspektakulär und wohlbekannt tönte die Ansage des Anrufbeantworters, erklangen die Worte aus dem Radio, brodelte das Wasser durch Kaffeemaschine, plätscherte es in die Tasse. Wohlbekannte Töne aus der Realität, doch in eine allumfassende exzellente Dramaturgie eingefangen. Folkert Dücker und Antje Töpfer erspielten Bilder die mehr vermittelten, begreifbar machten, als Worte je beschreiben könnten. Applaus den beiden Akteuren, allen Akteuren.

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© O-Team

 

„Es ist die Technik selbst, die technisiert.“ Und ohne die Technik ist die heutige Welt unvorstellbar. Es war eine moderne Küche, hinter deren Verkleidung die Kabel zum „Rechner der rechnet“ führten. Eifrig, neugierig folgten die Protagonisten den bunten Linien, zunehmend neugieriger, einfallsreicher. Bis ... bis der Modularsynthesizer erschien. Dieser übernahm es die Fülle der neugierigen Aktionen in Ton und Bild umzusetzen. Ist er der neue Gott im Hause Menschheit?

„Vielleicht ist  der Mensch überhaupt in seinem Haus nicht zuhause?“ Das mag vielleicht für Martin Heidegger zu einem Zeitpunkt gegolten haben, für jeden der Künstler des O-Team ist nachvollziehbar die Bühne das Zuhause. Mit der außergewöhnlichen theatralen Inszenierung über Gott und die Welt, die mit scheinbar einfachen Mitteln und klassischer Kunstfertigkeit, nachhaltig beeindruckend neue Geräuschbilder erschuf, überzeugten sie. Für den Zuschauer, der sein zuhause für einen Zeitraum zu öffnen in der Lage war, boten sie ein erlebenswert zeitübergreifendes Spektrum über ... den Lauf der Zeit, der Welt, der Menschen ...

C.M.Meier


Lichtung Geräuschtheater von und mit Martin Heidegger

von O-Team

Antje Töpfer, Folkert Dücker

Regie: Samuel Hof
Ausstattung: Nina Malotta, Musik: Markus Birkle, Dramaturgie: Jonas Zipf, Sound/Video: Pedro Pinto und Nils Meisel, Produktion/Grafik: Markus Niessner