Residenz Theater Geschichten aus dem Wiener Wald von Ödön v. Horváth
Vom Sterben im Leben
Ich habe dir gesagt, du kannst meiner Liebe nicht entgehen, spricht Metzger Viktor zu Marianne und es erinnert an den Satz: Ich werde die Sau jetzt abstechen. Marianne war Viktor versprochen. Ihr Vater Leopold Zauberkönig ist darüber glücklich, denn eine Metzgerei in der Familie sichert den Wohlstand. Doch Marianne hat Flausen im Kopf, träumt von einer Ausbildung als gymnastische Tänzerin und einer eigenen Schule. Und noch ein Traum hat Besitz von ihr ergriffen, nämlich, dass sie den Mann, mit dem sie das Leben verbringen wird, liebt und begehrt. Viktor ist dieser Traummann nicht.
Dann begegnet ihr Alfred, ein Spieler und Tunichtgut. Er lebt in einer ökonomisch begründeten Beziehung mit der Trafikantin Valerie, einer verblühten Frau voller Sehnsucht nach ein wenig Wärme. Alfred ist ein schwacher Mensch und gibt der ersten Versuchung nach, ohne die Konsequenzen in Betracht zu ziehen. Marianne wird schwanger und lebt in "wilder Ehe" mit Alfred. Sie wird vom Vater und von der Kirche verstoßen und schließlich von Alfred verlassen. Die Odyssee führt sie durchs Maxim, wo sie ihre Haut verkauft und ins Gefängnis, wo sie für die perverse Laune eines Misters büßt. Als sie auch noch ihr Kind verliert, resigniert sie und ergibt sich, innerlich abgestorben, in die Ehe mit Viktor. Die Gesellschaft, hier die Bewohner des 8. Wiener Bezirks, hat sie wieder.
Ödön von Horváth beendete dieses Stück im Jahr 1931, in der Zeit der großen Depression. Die braunen Horden schickten sich zudem an, die Macht zu übernehmen. Er avancierte insbesondere mit dieser Arbeit zum Erneuerer des Volkstheaters. Sein Volkstheater war ein realistisches und ein Happy End kam darin nicht vor. Auch war dieses Volkstheater nicht vordergründig unterhaltend, denn Horváth blickte nicht nur in die Abgründe der Seelen, sondern auch in die der Gesellschaft. Und die waren und sind tief.
Ich habe dir gesagt, du kannst meiner Liebe nicht entgehen, spricht Metzger Viktor zu Marianne und es erinnert an den Satz: Ich werde die Sau jetzt abstechen. Marianne war Viktor versprochen. Ihr Vater Leopold Zauberkönig ist darüber glücklich, denn eine Metzgerei in der Familie sichert den Wohlstand. Doch Marianne hat Flausen im Kopf, träumt von einer Ausbildung als gymnastische Tänzerin und einer eigenen Schule. Und noch ein Traum hat Besitz von ihr ergriffen, nämlich, dass sie den Mann, mit dem sie das Leben verbringen wird, liebt und begehrt. Viktor ist dieser Traummann nicht.
Dann begegnet ihr Alfred, ein Spieler und Tunichtgut. Er lebt in einer ökonomisch begründeten Beziehung mit der Trafikantin Valerie, einer verblühten Frau voller Sehnsucht nach ein wenig Wärme. Alfred ist ein schwacher Mensch und gibt der ersten Versuchung nach, ohne die Konsequenzen in Betracht zu ziehen. Marianne wird schwanger und lebt in "wilder Ehe" mit Alfred. Sie wird vom Vater und von der Kirche verstoßen und schließlich von Alfred verlassen. Die Odyssee führt sie durchs Maxim, wo sie ihre Haut verkauft und ins Gefängnis, wo sie für die perverse Laune eines Misters büßt. Als sie auch noch ihr Kind verliert, resigniert sie und ergibt sich, innerlich abgestorben, in die Ehe mit Viktor. Die Gesellschaft, hier die Bewohner des 8. Wiener Bezirks, hat sie wieder.
Ödön von Horváth beendete dieses Stück im Jahr 1931, in der Zeit der großen Depression. Die braunen Horden schickten sich zudem an, die Macht zu übernehmen. Er avancierte insbesondere mit dieser Arbeit zum Erneuerer des Volkstheaters. Sein Volkstheater war ein realistisches und ein Happy End kam darin nicht vor. Auch war dieses Volkstheater nicht vordergründig unterhaltend, denn Horváth blickte nicht nur in die Abgründe der Seelen, sondern auch in die der Gesellschaft. Und die waren und sind tief.
Michael von Au, Juliane Köhler © Thomas Dashuber |
Inzwischen werden hier und heute Stimmen laut, die meinen, wir befänden uns in einer wirtschaftlichen (und wohl auch geistigen) Rezession. Tatsächlich berichten die Gazetten schon seit längerem von einer schleichenden Verarmung breiter Schichten der Bevölkerung. Auch Politiker besinnen sich plötzlich wieder auf die Gefahren, die soziale Instabilität bergen. Stehen die das Volk verhetzenden Ideologen vielleicht schon in den Startlöchern? Eines ist sicher, der Schoß ist fruchtbar noch.
So erübrigt sich die Frage nach der Aktualität des Horvártschen Stückes. Bleibt die Frage, ob die ästhetische Umsetzung angemessen gelang. Die muss ohne Einschränkung mit ja beantwortet werden. Regisseurin Barbara Frey erzielte mit ihrer Umsetzung ein Höchstmaß an Wirkung. Dabei verließ sie sich auf den schwergewichtigen Text, auf die für eine tiefe Katharsis geeignete Geschichte und auf die exzellenten Darsteller. Bettina Meyer schuf mit einem stilisierten Mittelstandsghetto in schmutzigem Weiß ein gutes Terrain mit viel Raum. Zwischen den Bullaugenfenstern der Mietskaserne baute sie eine Projektionsfläche ein, die sich als sehr funktional erwies. Die einzelnen Szenen öffneten sich mit dem Verschluss einer Kamera und zeigten Orte oder auch Vorgänge an. So zum Beispiel die Szene der Beichte Mariannes, die von Thomas Holtzmann abgenommen wurde.
Über drei Stunden gelang es der Regisseurin, die Spannung zu halten und zudem viel Lachen im Publikum zu erzeugen. Horváths Sprache, die auf Entlarvung zielt, steckt voller Witz und Sarkasmus. Barbara Frey spürte diesen zielsicher auf und bewies damit solides Handwerk.
Aus einer sehr überzeugenden Ensembleleistung stachen sämtliche Hauptdarsteller mit einer sehr rollenspezifischen Gestaltung hervor. Juliane Köhler als Marianne zeigte eine zerbrechliche und sehnsuchtsvolle Frau, deren Horizont darum keineswegs weiter war als der ihrer Mitbürger. Erst als sie sich die Absolution verspielt, da sie Liebe nicht als Sünde akzeptieren kann, wird deutlich, warum sie scheitern muss. Thomas Loibls Oskar machte Gänsehaut. Sein Metzger trug faschistoide Züge, die sich hinter einer vermeintlichen moralischen Überlegenheit verbargen. Michael von Au zeigte einen schwachen, erbärmlichen und darum gar nicht so verurteilungswürdigen Alfred. Neben Lambert Hamel als Zauberkönig muss unbedingt die Leistung Sunnyi Melles als Trafikantin Valerie hervorgehoben werden. Mit einem bemerkenswerten körperlichen Aufwand im Spiel gelang ihr die präzise Darstellung einer sehr menschlichen, wenngleich intellektuell schlichten Figur, deren Harmoniestreben zutiefst kleinbürgerlich, aber bis zu einem gewissen Grad auch liebenswert war. Sie verschenkte nichts!
Mit dieser Inszenierung ist dem Residenztheater nicht nur eine überzeugende ästhetische Arbeit gelungen, nein, es hat sich auch eindeutig zum Zeitgeist verhalten. Dabei ist von einer Zeit die Rede, aus der der Geist zu weichen beginnt, da die soziale Kälte ihn austreibt.
Wolf Banitzki
So erübrigt sich die Frage nach der Aktualität des Horvártschen Stückes. Bleibt die Frage, ob die ästhetische Umsetzung angemessen gelang. Die muss ohne Einschränkung mit ja beantwortet werden. Regisseurin Barbara Frey erzielte mit ihrer Umsetzung ein Höchstmaß an Wirkung. Dabei verließ sie sich auf den schwergewichtigen Text, auf die für eine tiefe Katharsis geeignete Geschichte und auf die exzellenten Darsteller. Bettina Meyer schuf mit einem stilisierten Mittelstandsghetto in schmutzigem Weiß ein gutes Terrain mit viel Raum. Zwischen den Bullaugenfenstern der Mietskaserne baute sie eine Projektionsfläche ein, die sich als sehr funktional erwies. Die einzelnen Szenen öffneten sich mit dem Verschluss einer Kamera und zeigten Orte oder auch Vorgänge an. So zum Beispiel die Szene der Beichte Mariannes, die von Thomas Holtzmann abgenommen wurde.
Über drei Stunden gelang es der Regisseurin, die Spannung zu halten und zudem viel Lachen im Publikum zu erzeugen. Horváths Sprache, die auf Entlarvung zielt, steckt voller Witz und Sarkasmus. Barbara Frey spürte diesen zielsicher auf und bewies damit solides Handwerk.
Aus einer sehr überzeugenden Ensembleleistung stachen sämtliche Hauptdarsteller mit einer sehr rollenspezifischen Gestaltung hervor. Juliane Köhler als Marianne zeigte eine zerbrechliche und sehnsuchtsvolle Frau, deren Horizont darum keineswegs weiter war als der ihrer Mitbürger. Erst als sie sich die Absolution verspielt, da sie Liebe nicht als Sünde akzeptieren kann, wird deutlich, warum sie scheitern muss. Thomas Loibls Oskar machte Gänsehaut. Sein Metzger trug faschistoide Züge, die sich hinter einer vermeintlichen moralischen Überlegenheit verbargen. Michael von Au zeigte einen schwachen, erbärmlichen und darum gar nicht so verurteilungswürdigen Alfred. Neben Lambert Hamel als Zauberkönig muss unbedingt die Leistung Sunnyi Melles als Trafikantin Valerie hervorgehoben werden. Mit einem bemerkenswerten körperlichen Aufwand im Spiel gelang ihr die präzise Darstellung einer sehr menschlichen, wenngleich intellektuell schlichten Figur, deren Harmoniestreben zutiefst kleinbürgerlich, aber bis zu einem gewissen Grad auch liebenswert war. Sie verschenkte nichts!
Mit dieser Inszenierung ist dem Residenztheater nicht nur eine überzeugende ästhetische Arbeit gelungen, nein, es hat sich auch eindeutig zum Zeitgeist verhalten. Dabei ist von einer Zeit die Rede, aus der der Geist zu weichen beginnt, da die soziale Kälte ihn austreibt.
Wolf Banitzki
Geschichten aus dem Wiener Wald
von Ödön v. Horváth
Lambert Hamel, Juliane Köhler, Thomas Loibl, Sunnyi Melles, Michael von Au, Gerd Anthoff, Christian Friedel, Arnulf Schumacher, Catherine Stoyan, Heidy Forster, Doris Buchrucker, Michael Goldberg, Steffi Kölle / Aurelia Königsbauer, Thomas Holtzmann Regie: Barbara Frey |