Residenz Theater Turandot von Friedrich Schiller
Peking sucht den Superprinzen
Ein Mann spülte in einem Hinterzimmer Geschirr. Vom Tellerwäscher zum ..., dieser Gedanke drängte sich auf und tatsächlich endete diese Geschichte auch so. Doch bis es so weit war, erlebte der Zuschauer eine so gigantische Gameshow, dass den Medien das Wasser im Munde zusammenlaufen müsste. Darin ging es um Wissen, Poesie, Liebe, Hass, politische Verwicklungen und massenhaft Tod. Das würde Quoten bringen, könnte man so eine Show auf die Beine stellen. Und eine didaktische Wirkung hätte es wohl auch, wenn beispielsweise der Kandidat am Ende seinen Kopf verlieren würde. So könnte mancher davon abgehalten werden, seine Würde zu verspielen. Das Niveau wäre mit Sicherheit ein anderes. Aber genug der Fantasien, es könnte jemand auf die Idee kommen und selbige aufgreifen. Bislang war kein Einfall zu absurd und blödsinnig, als dass er nicht zum TV-Format gemacht wurde.
Die Geschichte ist ein Märchen und spielt in Peking. Der Kaiser von China hat nur ein einziges Kind, eine Tochter namens Turandot. Diese ist nun im Alter, in dem es sich ziemt, einen Gatten zu erwählen, den Thron zu besteigen, um den greisen Vater endlich von der Bürde des Amtes zu befreien. Doch Turandot weigert sich strikt und unter Berufung auf das angeborene Recht auf Freiheit. Sie sieht in der Ehe nur Unterwerfung und Joch. (Das ist, nebenbei bemerkt, Schillers Beitrag zum Mythos.) Dem Vater gelingt es, der Tochter ein Zugeständnis abzuringen. Sie muss den Prinzen zum Manne nehmen, der ihre drei Rätsel zu lösen vermag. Ist es dem Kandidaten nicht vergönnt, die Rätsel zu lösen, wird er umgehend enthauptet. Pekings Stadtmauern zieren inzwischen eine Menge Köpfe von Prinzen, deren empörte Väter einen Krieg nach dem anderen gegen das Reich des Kaisers Altoum führen. Die Pekinger Führungsriege ist das Töten leid. Und just in diesem Moment taucht Kalaf, Prinz von Astrachan, eben jener Tellerwäscher auf. Er hat diesen Job nach Krieg und Vertreibung angenommen, um sein Leben nicht zu verlieren. Ihm ist dieses Leben verhasst und nachdem er die Prinzessin Turandot zu Gesicht bekam, gab es nur noch eine Devise für ihn: Tod oder Turandot.
Und so hieß schließlich auch die Gamesshow, dessen Logo „ToT“ ein bemerkenswerter kalligrafischer Einfall war. Jens-Daniel Herzog, der für die Inszenierung am Residenz Theater verantwortlich zeichnete, schuf eine Interpretation, die wohl jedem Zuschauer gerecht werden konnte, ohne dabei beliebig zu werden. Hat man den Abend erst einmal erlebt, ist es für den Betrachter schwer vorstellbar, dieses Märchen, das ausreichend Schwächen aufweist, nicht als Gameshow zu betrachten.
Ein Mann spülte in einem Hinterzimmer Geschirr. Vom Tellerwäscher zum ..., dieser Gedanke drängte sich auf und tatsächlich endete diese Geschichte auch so. Doch bis es so weit war, erlebte der Zuschauer eine so gigantische Gameshow, dass den Medien das Wasser im Munde zusammenlaufen müsste. Darin ging es um Wissen, Poesie, Liebe, Hass, politische Verwicklungen und massenhaft Tod. Das würde Quoten bringen, könnte man so eine Show auf die Beine stellen. Und eine didaktische Wirkung hätte es wohl auch, wenn beispielsweise der Kandidat am Ende seinen Kopf verlieren würde. So könnte mancher davon abgehalten werden, seine Würde zu verspielen. Das Niveau wäre mit Sicherheit ein anderes. Aber genug der Fantasien, es könnte jemand auf die Idee kommen und selbige aufgreifen. Bislang war kein Einfall zu absurd und blödsinnig, als dass er nicht zum TV-Format gemacht wurde.
Die Geschichte ist ein Märchen und spielt in Peking. Der Kaiser von China hat nur ein einziges Kind, eine Tochter namens Turandot. Diese ist nun im Alter, in dem es sich ziemt, einen Gatten zu erwählen, den Thron zu besteigen, um den greisen Vater endlich von der Bürde des Amtes zu befreien. Doch Turandot weigert sich strikt und unter Berufung auf das angeborene Recht auf Freiheit. Sie sieht in der Ehe nur Unterwerfung und Joch. (Das ist, nebenbei bemerkt, Schillers Beitrag zum Mythos.) Dem Vater gelingt es, der Tochter ein Zugeständnis abzuringen. Sie muss den Prinzen zum Manne nehmen, der ihre drei Rätsel zu lösen vermag. Ist es dem Kandidaten nicht vergönnt, die Rätsel zu lösen, wird er umgehend enthauptet. Pekings Stadtmauern zieren inzwischen eine Menge Köpfe von Prinzen, deren empörte Väter einen Krieg nach dem anderen gegen das Reich des Kaisers Altoum führen. Die Pekinger Führungsriege ist das Töten leid. Und just in diesem Moment taucht Kalaf, Prinz von Astrachan, eben jener Tellerwäscher auf. Er hat diesen Job nach Krieg und Vertreibung angenommen, um sein Leben nicht zu verlieren. Ihm ist dieses Leben verhasst und nachdem er die Prinzessin Turandot zu Gesicht bekam, gab es nur noch eine Devise für ihn: Tod oder Turandot.
Und so hieß schließlich auch die Gamesshow, dessen Logo „ToT“ ein bemerkenswerter kalligrafischer Einfall war. Jens-Daniel Herzog, der für die Inszenierung am Residenz Theater verantwortlich zeichnete, schuf eine Interpretation, die wohl jedem Zuschauer gerecht werden konnte, ohne dabei beliebig zu werden. Hat man den Abend erst einmal erlebt, ist es für den Betrachter schwer vorstellbar, dieses Märchen, das ausreichend Schwächen aufweist, nicht als Gameshow zu betrachten.
© Thomas Dashuber |
Der Schillersche Text, bestehend aus der Sprache des Olympiers in Blankversen, verlangt einiges ab. Dabei handelt es sich um ein mit den Idealen der Klassik aufgepepptes italienisches Märchendrama des Venezianer Carlo Gozzi, das, nimmt man es allzu ernst, peinlich werden könnte. Da aber in Fernsehshows inzwischen nichts mehr als peinlich genommen wird, selbst Dinge nicht, die sich vor wenigen Jahren aus Gründen des Anstands noch von selbst verboten, entstand aus all dem eine rutschige Melange, die komödiantisch sehenswert war und deren philosophischer Hintergrund im Augenzwinkern bestand. Wer da etwas vom Ernst deutscher Theatertradition vermisste, konnte sich mit dem wunderbaren Text von Georg Holzer im Programmheft trösten, dessen Inhalt alles erklärt, was notwendigerweise zum Thema gewusst werden müsste. (Falls man mal in eine Talkshow geladen wird!)
Mathis Neidhardts Drehbühne war bestückt mit dem Vor und dem Dahinter der medialen Welt. In der lichtdurchfluteten Arena modernen Gladiatorentums spreizte man sich in Eitelkeiten, durchlitt Lampenfieber und Todesängste. Auf der Rückseite, in schmuddeligen Garderoben und Hinterzimmern, fiel die Maske des Showbiz und der Mensch als lächerliche und nicht selten bedauernswerte Kreatur wurde sichtbar. Dabei gilt: Das Elend ist umso größer, je glitzernder die Illusion ist.
Rainer Bocks Kaiser Altoum bewegte sich jovial und seiner Unantastbarkeit bewusst, wobei er sich mit menschlichen, allzu menschlichen Gesten immer wieder selbst entlarvte. Als Kaiser ist er doch auch nur ein Showmaster, der hinter der Bühne den Mädels vom Ballett in den Schritt greift. Ihm stilsicher und gerecht zur Seite standen Peter Albers und Ulrich Beseler als Minister und Kanzler, dauertrinkend und auch schon mal Watschen austeilend, im Rampenlicht aber Medienhengste reinsten Wassers. Alfred Kleinheinz, bei Schiller heißt er Trufaldino, Aufseher der Schwarzen, kreiste als Studioinspizient wie ein Trabant um des Zentrum des Geschehens, immer wieder daran erinnernd: The show must go on.
Unter Berücksichtigung der Ernsthaftigkeit des dramatischen Entwurfs, lag es beinahe auf der Hand, dass die eigentlichen Protagonisten schauspielerisch ins Hintertreffen geraten mussten. Lisa Wagners Prinzessin Turandot war eine männerhassende, eiskalte Frau, bei der man eigentlich am Ende gar nicht verstand, warum sie die bekannte Kehrtwende vollzog. Eine echte Entwicklungsgeschichte für diese Rolle ist dem Text kaum eigen und wenn, dann ist sie nicht sehr glaubhaft. So blieb dieser wunderbaren Darstellerin einzig ihre beeindruckende physische Präsenz, um auffällig zu werden. Thomas Loibl hatte mehr Glück mit seinem Text als Prinz Kalaf. Er durchlief ständig Wechselbäder der Gefühle und der dramatischen Situationen, und Loibl wäre nicht Loibl, wüsste er seine Chancen nicht zu nutzen. Dennoch, es war der Abend der Nebenrollen, wie beispielsweise der des Timur, vertriebener König von Astrachan, gespielt von Helmut Stange. Er brillierte durch einige Sprachakrobatik und Skurrilität. Stephanie Leue wusste beredt vom Dasein einer Ex-Prinzessin zu künden, die jetzt ihre Brötchen in der Chorus Line verdienen musste.
Jens-Daniel Herzog war eine Inszenierung mit hohem Unterhaltungswert gelungen, die mit Seitenhieben auf Heutiges nicht sparte und die den philosophischen Gehalt, der durchaus streitbar ist, nicht totblödelte. Es war eine intelligente Auflösung eines leicht angestaubten Stückes in sehenswerter ästhetischer Umsetzung, dessen Besuch Kurzweil verspricht.
Mathis Neidhardts Drehbühne war bestückt mit dem Vor und dem Dahinter der medialen Welt. In der lichtdurchfluteten Arena modernen Gladiatorentums spreizte man sich in Eitelkeiten, durchlitt Lampenfieber und Todesängste. Auf der Rückseite, in schmuddeligen Garderoben und Hinterzimmern, fiel die Maske des Showbiz und der Mensch als lächerliche und nicht selten bedauernswerte Kreatur wurde sichtbar. Dabei gilt: Das Elend ist umso größer, je glitzernder die Illusion ist.
Rainer Bocks Kaiser Altoum bewegte sich jovial und seiner Unantastbarkeit bewusst, wobei er sich mit menschlichen, allzu menschlichen Gesten immer wieder selbst entlarvte. Als Kaiser ist er doch auch nur ein Showmaster, der hinter der Bühne den Mädels vom Ballett in den Schritt greift. Ihm stilsicher und gerecht zur Seite standen Peter Albers und Ulrich Beseler als Minister und Kanzler, dauertrinkend und auch schon mal Watschen austeilend, im Rampenlicht aber Medienhengste reinsten Wassers. Alfred Kleinheinz, bei Schiller heißt er Trufaldino, Aufseher der Schwarzen, kreiste als Studioinspizient wie ein Trabant um des Zentrum des Geschehens, immer wieder daran erinnernd: The show must go on.
Unter Berücksichtigung der Ernsthaftigkeit des dramatischen Entwurfs, lag es beinahe auf der Hand, dass die eigentlichen Protagonisten schauspielerisch ins Hintertreffen geraten mussten. Lisa Wagners Prinzessin Turandot war eine männerhassende, eiskalte Frau, bei der man eigentlich am Ende gar nicht verstand, warum sie die bekannte Kehrtwende vollzog. Eine echte Entwicklungsgeschichte für diese Rolle ist dem Text kaum eigen und wenn, dann ist sie nicht sehr glaubhaft. So blieb dieser wunderbaren Darstellerin einzig ihre beeindruckende physische Präsenz, um auffällig zu werden. Thomas Loibl hatte mehr Glück mit seinem Text als Prinz Kalaf. Er durchlief ständig Wechselbäder der Gefühle und der dramatischen Situationen, und Loibl wäre nicht Loibl, wüsste er seine Chancen nicht zu nutzen. Dennoch, es war der Abend der Nebenrollen, wie beispielsweise der des Timur, vertriebener König von Astrachan, gespielt von Helmut Stange. Er brillierte durch einige Sprachakrobatik und Skurrilität. Stephanie Leue wusste beredt vom Dasein einer Ex-Prinzessin zu künden, die jetzt ihre Brötchen in der Chorus Line verdienen musste.
Jens-Daniel Herzog war eine Inszenierung mit hohem Unterhaltungswert gelungen, die mit Seitenhieben auf Heutiges nicht sparte und die den philosophischen Gehalt, der durchaus streitbar ist, nicht totblödelte. Es war eine intelligente Auflösung eines leicht angestaubten Stückes in sehenswerter ästhetischer Umsetzung, dessen Besuch Kurzweil verspricht.
Wolf Banitzki
Turandot
von Friedrich Schiller
Stephanie Leue, Franziska Rieck, Lisa Wagner, Ulrike Willenbacher, Peter Albers, Gerd Anthoff, Ulrich Beseler, Rainer Bock, Alfred Kleinheinz, Matthias Lier, Thomas Loibl, Helmut Stange Regie: Jens-Daniel Herzog |