Residenz Theater Leichtes Spiel von Botho Strauß


 

 

Unzähmbares Käthchen

Neun Variationen über das Weib an sich und im Besonderen erlebte der Zuschauer im Residenz Theater, der über ausreichend Ausdauer verfügte. Wie schon in "Pancomedia" holte Botho Strauß weit aus, um ein möglichst vollständiges Bild von der Welt, hier die Welt der Frau, zu zeichnen. Ein Ding der Unmöglichkeit, das weiß man wohl, doch dem Horizont kommt Strauß recht nah. Dazu brauchte er nicht mehr als neun Frauenbilder. In allen agierte Katharina und der Schluss liegt nahe, dass Shakespeare mit seiner Widerspenstigen Pate gestanden haben könnte. Doch verglichen mit Botho Strauß' Kattrin, Katja, Kathinka, Käthchen, Kitty und Käthe ist Shakespeares Figur aus "Der Widerspenstigen Zähmung" eine Simpelvariante. Die Frau ist unbestritten in jedem Bereich des Lebens auf dem Vormarsch. Ob es ein Segen ist, bleibt abzuwarten.

In zehn Szenen, stellte Strauß neun Frauen vor. Die Szenen stehen nicht zueinander in Bezug, könnten jede auch einzeln für sich gespielt werden. Hinter jeder Szene über weibliche Charakteristik steht eine besondere, zumeist etwas morbide Situation. Es beginnt mit einer vermuteten Katastrophe, die die "Ängstliche" mit Kind zum Hamsterweibchen werden lässt. "Die Kreative" muss erkennen, dass sie eigentlich ein Störfaktor ist, denn ihr Anspruch und ihre Erfolgsgeschichte verwirrt die Männer, lässt sie bissig oder unfair werden. "Das Frühlingsopfer", eine Berberin, muss sich mit dem Mond und den Straßengefährten herumbalgen und der Verstand scheint sich dabei zu verabschieden. "Die Zungenfertige" verteidigt ihre Vorstellungen von Reichtum und dessen Schönheit gegen männlich-pragmatische Ansichten. Der "Stilbewussten" ist wichtig, dass der Untergang wenigstens formal standesgemäß vonstatten geht. Die "Bittere" überfordert ihren Gatten und die "Ungehörige" lässt zum Entsetzen aller Gäste eine Party platzen, auf der ein gemieteter Mörder zur Erbauung aller seine Geschichte erzählen soll. Am Ende gibt ein "Spätes Mädchen" Bericht vom Leben, das wenigstens ansatzweise alle Charaktere in sich vereint. Das Resümee ist vernichtend, denn das "Späte Mädchen" ist allein geblieben.

Strauß, inzwischen ein vollendeter Weiser in Sachen theatralischer Poesie, fabuliert, analysiert, pointiert und träumt sich bis ins Surreale, das die Realität herausfordernd konterkariert. Seine Sprachkaskaden und das dialogische Pingpong bereiten Vergnügen. Dieter Dorn, kongenialer Partner in der Angelegenheit Botho Strauß, bot Großes auf, um dem Abend einen festlichen Charakter zu verleihen. Auch wenn das Fest in Betroffenheit endete, so war es doch zumindest recht unterhaltsam. Wenn sich schließlich zumindest für den Mann unmissverständlich die Frage aufdrängt, ist diese Frau (Katharina an sich) noch adaptibel für die simplen Wunschvorstellungen des Mannes, kommt Ratlosigkeit auf. Allein, der Frau (Siehe "Spätes Mädchen") scheinen diesbezüglich ebenfalls starke Zweifel zu kommen.

Dieter Dorn verhält sich, wie man sich zu einem Weltentwurf nur verhalten kann. Er lässt die ganze große Bühne bespielen, die symbolhafte Andeutungen erfährt. (Bühne Jürgen Rose) Tableaus präsentieren Einzelfiguren, eine Treppe ohne Anfang und Ende durchläuft absteigend das Dasein, eine große Reflexionswand spiegelt den Grund, ein einzelnes Paar konferiert an einem überdimensionalen Tisch und die Welt des Habens kann nur durch ein riesiges Tor beschritten werden. Über allem breitet sich jazzig-sphärischer Gesang aus, vergrößert das jeweilige Bild ins Universale. (Musik: Claus Reichstaller) Die Liveband um Claus Reichstaller machte die komplizierten Texte von Strauß um eine Vielfaches eingängiger.

 

Nadine Germann, Lisa Wagner, Barbara Melzl, Ulrike Willenbacher, Cornelia Froboess, Stephanie Leue, Gina Henkel, Katharina Hauter, Sibylle Canonica

© Thomas Dashuber

 

Zwanzig Darsteller gestalteten das "leichte" Spiel zu einem Reigen, der sich am Ende doch nur bedingt zum Gesamtbild formiert. Jede Szene ist dabei ein (Straußsches) Kabinettstück. Besonders einprägsam gestalteten Lisa Wagner und Jens Harzer den Part um die "Kreative". Gina Henkel hatte sich als "Zungenfertige" gegen einen brillanten und hochkomödiantischen Thomas Loibl zur Wehr zu setzen. Und Sybille Canonica wies als "Bittere" mit ungeahntem aggressiven Temperament Gerd Anthoff in die ohnehin sehr engen Grenzen seiner Rollenfigur. Cornelia Froboess monologisierte zuletzt als "Spätes Mädchen" furios und brachte die Zuschauer nach über drei Stunden an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit.

Die sehenswerte, wenngleich anstrengende Inszenierung zeugt von der Altersweisheit zweier Männer (Strauß/Dorn), deren Sicht auf des Thema Frau, es liegt wohl in der Natur der Sache, keine vordergründig optimistische sein kann. Unter Hinzufügung der sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnisse und der topografischen Neubestimmung der Frau darin entsteht vielmehr ein Bild, das eine unterschwellige Untergangsstimmung transportiert. Zugespitzt formuliert könnte man meinen, das Ende der Art ist eingeläutet mit der Selbstbestimmung und der Selbstentfaltung der Frau. Aber gottlob kommt niemand auf diesen Gedanken, denn wir wissen um die Macht der Natur.


Wolf Banitzki

 

 


Leichtes Spiel

von Botho Strauß

Sibylle Canonica, Cornelia Froboess, Katharina Gebauer, Nadine Germann, Katharina Hauter, Gina Henkel, Stephanie Leue, Barbara Melzl, Lisa Wagner, Ulrike Willenbacher Gerd Anthoff, Victor Asamoah, Ulrich Beseler, Rainer Bock, Jens Harzer, Thomas Loibl, Felix Rech, Arnulf Schumacher, Rudolf Wessely, Stefan Wilkening
Musiker: Sanni Orasmaa / Judith Jung, Claus Reichstaller / Peter Tuscher, Gregor Hübner / Blerin Hoxa / Luciana Beleaeva, Jerome Goldschmidt / César Granados, Gunnar Geisse / Gerd Baumann, Johannes Jahn / Joachim Ley, Paulo Cardoso / Veit Hübner

Regie: Dieter Dorn
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