Theater im Fraunhofer Unbeschreiblich weiblich von Petra Wintersteller


 

 

Damenprogramm?

Die Diskussion um die spezifischen Eigenschaften des Sexus ist so alt wie die Kulturen und der Machtkampf zwischen den Geschlechtern. Millionen Bücher wurden zu dem Thema geschrieben und in der Mitte des Lebens ist wohl jeder, auf seine Art, damit befasst sich selbst besser kennen zu lernen, seinen Weg zu Zufriedenheit zu finden. Die Hilfestellungen dazu sind ein einträglicher Geschäftsbereich in dieser Zeit geworden.

Erich Schuller, ein Therapeut, bewandert in einer Fülle erprobter Übungen zu Selbsterfahrung und – findung, beginnt einen neuen Kurs. Ernsthaft und stets vermittelnd kompetent, managte Jörg Hartmann in seiner Rolle, die Bedürfnisse seiner vier Teilnehmerinnen. Lola Plettel (Alexandra Hinners) erschien aufgelöst als Letzte auf der Bühne, denn zu groß waren die Hindernisse in ihrem Leben. Lola, den Kopf voll mit Texten aus Lebensratgebern und die Tasche voll mit kugel- und tropfenförmigen Hilfsmitteln, war eigentlich nur auf der Suche nach der großen Liebe. Uta Baumgartner (Sonja Ganzenmüller) hatte diese schon gefunden und erstickte nun als liebende Hausfrau und Mutter im Alltag. Ein hartes Los, wie sie auf ihre urtümliche Art amüsant zu vermitteln verstand. Eva Maria Gerber (Karolina Hofmeister) lebte als angesehene Stilikone die mit dem Erfolg verbundene Einsamkeit, bis aus ihr hervorbrach, dass auch Erfolg allein nicht wirklich selig macht. Sie kreierte Schmuck, der die Seele der Trägerin strahlen läßt. Die gesellschaftlich geförderte Rolle bot ihr keine tatsächlich erfüllende Anerkennung – die Akzeptanz des Weiblichen ist nach wie vor ein Traum - und auf Gebären reduziert. Dagegen hilft auch alle Vernunft nicht, wie sie von Verena Schlagheck (Petra Wintersteller) höchst sachlich vertreten wurde. Denn die viele Vernunft führte nur zu umfassendsten Verspannungen, die jegliche Lebendigkeit unterbanden – selbst in einem menschlichen Körper.
Die Frage des Therapeuten „Wer bist du denn?“, beantwortet eine für alle vier Frauen mit „Ich weiß es nicht.“. Das Stück basiert auf vier weiblichen Archetypen und deren Bedürfnissen, sowie Wünschen. Die vier Beweggründe im weiblichen Dasein werden von einem Mann geleitet, er beeinflusst im Kontext zu seinem Programm, seinen Lebensvorstellungen die Gedanken und Handlungsweisen der Frauen. Neu? Die Regisseurin konzentrierte das Bühnengeschehen auf den Text und erreichte so die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Mensch erfährt sich immer nur durch Mitmenschen.

Vor 60 Jahren las frau noch Bücher wie „Anna Karenina“, „Effi Briest“ oder „Die Tagebücher der Anäis Nin“ um das eigene Frauenbild und Rollenverhalten zu ergänzen und verstehen zu lernen. Doch längst ist Rollenverhalten verpönt und nur dem bloßen „Sein“ wird gehuldigt. Ein bisschen nackt wird mensch dadurch und reduziert auf seine Körper- und Gefühlswelt, immerhin handelt es sich um einen sicherlich wesentlichen Zusammenhang im Leben. Das Rollenverhalten hat die christlich abendländische Kultur in ihrer Vielfalt geschaffen und die Erinnerung an die bloße Natur mag sicherlich partiell angebracht sein. Doch eine Rückführung darauf? Ist die blanke Zufriedenheit, die in Buddha zu finden ist, wirklich lebensfüllend? Gnadenlose Harmonie, umfassende Naivität, verständnisvollste Selbstliebe schaffen sich einen sehr begrenzten Kosmos. Ist es das, was Mensch erschöpfend entspricht? Oder war da noch ...

Das verständig witzige Theaterstück von Petra Wintersteller bot eine höchst unterhaltsame Vorstellung vom aktuell gültigen individuellen glücklich werden.

 

C.M.Meier

 

 Nächste Vorstellung 11.+ 12.10.13 mehr...

 

 


Unbescheiblich weiblich

von Petra Wintersteller

Jörg Hartmann, Alexandra Hinners, Sonja Ganzenmüller, Karoline Hofmeister, Petra Wintersteller

Regie: Petra Wintersteller

Theater im Fraunhofer Valentin im Sturm - Collage von Gerd Lohmeyer


 

 


Mit existenziellem Ernst

Alles begann mit Adam und Eva, also mit dem Sündenfall. Der war eigentlich nicht komisch, es sei denn, die Geschichte wird mit den weltschauenden Augen eines aufgeklärten Bayern betrachtet und sodann in dessen ureigener Sprache erzählt. So geschehen am dunklen Abend des 8. Novembers im Hinterhof des Fraunhofers. Ja, auch in heutiger Zeit blühen die wahren Wahrheiten immer noch nur im Verborgenen. Das ist wirklich deprimierend. Michl Ehbauers zugegebenermaßen etwas lockere Sicht auf die Vertreibung aus dem Paradies, hier „Rauswurf“ genannt, kann kaum den Segen der Curia Romana erlangen. Immerhin lenkt die spezifizierte Darstellung des Vorgangs ein wenig vom Sinn desselben ab, nämlich von der verderbenden Wirkung der Erkenntnis, überspringt diesen Fakt quasi und kommt gleich zur letzten Antwort, die da lautet: Mann und Frau können nicht miteinander! Äh, … ohne einander auch nicht!

Viele große Philosophen wandelten auf Irrwegen. Nur wenigen war es gegeben, die Schlüsselfragen des Daseins zu stellen und letzte Antworten zu finden. In Bayern gab es wohl nur einen. Nein, nicht Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, der war aus dem Würtembergischen Leonberg und war folglich ein „Preiß“. Als Gastarbeiter lehrte er an der Universität und verfasste 1809 in München eine Schrift mit dem viel sagenden (und wenig meinenden) Titel: „Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände“. Karl Valentin ist der Name des messianischen Geistes und eigentlich gebührt dem Gesamtwerk Valentins der von Schelling angemaßte Titel. (Saublöd! Der Schelling, den man nur noch kennt, weil er auf der Maximilianstraße herumsteht, hat einfach nur viel früher gelebt als Valentin.)

Doch sei’s drum. Wahrheiten, einmal in der Welt, lassen sich nicht mehr ausmerzen. Und so gewann der geneigte Betrachter im kleinen konspirativen Zirkel im Fraunhofer tiefe Einsichten über das menschliche Wesen an sich, und im Besonderen z.B. bei der Wiederbeschaffung alter Holzkisten. Wie verzweifelungsvoll und dornenreich die Wege durch das Labyrinthische des Seins und des Bewusstseins tatsächlich sind, zeigte das Schicksal der liebreizenden Loreley. Auch über Willkür wurde mit existenziellem Ernst gesprochen, über die Willkür von Eisenbahnen, die ohne ersichtlichen Grund fahrplanmäßig und doch drei Minuten zu früh abfahren. Auch Regenschirme fallen bisweilen in den Grenzbereich zur Mystik. Ja, das Raum-Zeit-Kontinuum kann einem schon zu schaffen machen. Gewalt war ebenso ein Thema (Und Gewalt fand statt!) und daraus resultierend: Schuld und Sühne (letztere 1,50 Mark pro Ohrfeige).

 

valentin_im_sturm

Monika Manz, Gerd Lohmeyer und Burchardt Dabinnus

© Martina Bieraugel

 
Im Gegensatz zu vielen anderen Philosophien zeichnet sich diese, vielleicht letztgültige durch ihre Menschlichkeit aus. Man darf sich allerdings nicht auf eine simple analoge Erkenntnis einlassen. Das hieße, einem platten Realismus das Wort zu reden. Spätestens wenn man den Zusammenhang zwischen einem Schlappen und einem Steifen (Hut) begreift, spürt man das Universale der Metaphern. Viele Fallbeispiele der menschlichen Existenz brachten die Zuschauer an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit und manche Träne wurde vergossen. Ja, Erkenntnis will erlitten sein. Immerhin bezahlten Eva und Adam sie mit dem „Rauswurf“.

Dass nicht Entsetzliches passierte (Denkbar wäre der eine oder andere Suizid im Publikum gewesen.), war wohl den Leistungen der Jünger geschuldet. Allen voran Gerd Lohmeyer, der bereits seit 1996 den wohl nicht ungefährlichen Pfad beschreitet, das Valentinsche Licht in die Düsternis des Agnostizismus zu tragen. Ja, Propheten haben schwer. Allzu leicht verkennt man sie, selbst, wenn sie wie im Fall Lohmeyer eine (physisch leider missratene, weil weit entfernt von der Valentinschen Schönheit) vermutete Reinkarnation, oder gar Auferstehung des Messias ist. Bei Lohmeyer kann man sich immerhin sicher sein, wirkt er doch im Ausdruck wie ein Kind, dass sich „nichts drum gschissen hat“, erwachsen zu werden. Die Reinheit der Idee steht ihm ins Antlitz geschrieben. Monika Manz, in philosophischen Fachkreisen wird gemunkelt, sie sei die illegitime Schwester Lohmeyers, ist eine wahre Meisterin des „Wasses“. Zur Erklärung: Die Theorie des „Wasses“ entstammt dem Theater und ist einmal mehr Beweis für die schöpferische Kraft dieses Mediums beim Ringen um Erkenntnis. Lohmeyer forderte Monika Manz auf, ihren Michel mit dem Ausdruck des „Wasses“ zu spielen. Monika Manz: „Öhhh … Was?“ Lohmeier: „Genaus so!“ Das war wahrhaft große Kunst. So oder so ähnlich muss es gewesen sein.

Burchardt Dabinnus kann z.B. blasen. Nicht schön, aber anrührend und ausdauern, wenn das Blasinstrument nicht allzu groß ist. Auch die Zither ist ihm nicht fremd. Der Charme, den er beispielsweise als kletternde Loreley versprühte, sollte waffenscheinpflichtig sein. Welchen Stellenwert seiner Darbietung von Seiten des Theaters beigemessen wird, zeigte nicht zuletzt auch die Tatsache, dass er mehrfach im Smoking auftreten durfte. Elisabeth Wasserscheid, das Kücken in der Viererbande, ist auch in dieser Inszenierung des Drahtziehers Lohmeyer eine echte Bereicherung. Diesem Madl glaubt man einfach alles. Selbst, wenn sie nichts versteht, sieht sie noch gescheit aus. Das ist ein wirklich wertvoller Beitrag, um im täglichen Leben zu bestehen. Damit ist eine weitere Komponente dieses wertvollen Abends benannt, nämlich die pädagogische.

Sicher, als der nicht vorhandene Vorhang fiel, bleiben einige, nun ja, viele Fragen offen. Wie auch nicht, angesichts der Größe des Themas. Immerhin wendete dieser Abend den Blick auch schon mal ins Jenseitige und es geschah, was die exakten Wissenschaften in ihrer Ignoranz standhaft leugnen: Zarah Leander suchte das Publikum heim und sang. (Seltsamerweise sah sie irgendwie Monika Manz ähnlich.) Wunder über Wunder, und Sturm gab es auch, nun ja, ein Stürmchen. Aber die Bühne im Theater im Fraunhofer ist ja auch klein. Der Zuschauerraum ist es übrigens auch. Darum heißt es, sich sputen, wenn man teilhaben will an dem Theaterabend mit Offenbarungscharakter. Doch Vorsicht, neben dem hohen intellektuellen Anspruch ist er auch eine gnadenlose Attacke auf das Zwerchfell.

 
 
Wolf Banitzki

 

 

 


Valentin im Sturm

Collage von Gerd Lohmeyer

Monika Manz, Elisabeth Wasserscheid, Burchardt Dabinnus und Gerd Lohmeyer

Regie: Gerd Lohmeyer
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.