Competition

TamS UA Competition, Competition! von Claudia Lohmann


 

 

Am Fließband der Leistungsgesellschaft

Wie könnte es anders sein, es war abends nach 20 Uhr und die Show begann. Gepflegtes Ambiente. Der Podest mit dem Mikrofon nahm einen zentralen Platz auf der Bühne, die mit hohen glänzenden Spiegelsäulen begrenzt war, ein. Aus dem Hintergrund leuchteten vereinzelt die Blätter grüner Hängepflanzen. Herbert Oberwasser - schwarzer Smoking, weißes Hemd, an Stelle der Fliege ein dekoratives Halsband - begrüßte das Publikum und erklärte die Regeln der Casting Veranstaltung. Procedere bekannt.  Der beste Darsteller sollte gefunden werden. Dieser erhielte einen befristeten Vertrag zur Mitarbeit beim nächsten Projekt im Theater. Die Bewerber stellten sich vor. Der Startschuss.

Die vier Kandidaten, aufgereiht hinter dem Podium, nahmen „Konkurrenzmodus“ an. Ist Lächeln gerade „in“ oder „out“? „Heute ist eben anders“ und der „Besondere“ nimmt den Platz in der ersten Reihe ein, ist Sieger. Wie und worüber auch immer. Bloß nicht „in der Masse untergehen“. Individualität, Gefälligkeitsgrad bei Intersocial, Besitz und Ausstattung. Alle bekannten Aspekte und einige mehr wurden ins Spiel gebracht. Regisseur Lorenz Seib und Autorin Claudia Lohmann arbeiteten mit messerschaftem Blick, blühender Fantasie und mit Humor. Das Wunderbare an der Inszenierung war, dass diese das Mißverhältnis zwischen Idee, Wort und möglicher Umsetzung durch die Darsteller, als gelebtem Zustand unmissverständlich sichtbar machte. In den absurdesten Verrenkungen, die komischsten Bewegungen und in den verrücktesten Versuchen überboten sich die Drei. Judith Huber fehlte ein wenig das Selbstbewusstsein und die Durchsetzungsfähigkeit. Anne Römeth dagegen war sich durchaus ihrer Wirkung auf Publikum und Männer bewusst, verstand ihre Stärken einzusetzen. Axel Röhrle gab einen dynamischer Macher und Siegertyp, den immer in der ersten Reihe dabei. Runde für Runde wurden Aufgaben gestellt, Geschichten erzählt, die Missstände aufgezeigt und von Robert Kühn souverän moderiert. „Dabei sein ist alles.“  - „Nein ... ich brauche das nicht.“, äußerte schüchtern Timo Wenzel und blieb beiseite bis ...

Das Schlussbild überzeugte: Die vier in ihrer Art sehr unterschiedlichen Darsteller legten einander die Arme auf die Schultern und bildeten ein Team. Der Moderator bat nun das Publikum um die Entscheidung, wem der Vertrag zukäme. Einiger Applaus!

  Competition-Competition  
 

Axel Röhrle,  Anne Römeth, Judith Huber, Timo Wenzel

© Hilda Lobinger

 

Einhellige Entscheidung. Immerhin trugen die Darsteller alle die gleichen ultrabequemen geschlechtsneutralen Joggingoveralls und diese unterschieden sich nur durch Größe und Farbe. Die hochgelobt gepriesene Individualität des Einzelnen lässt sich also auf das Tragen der gleichen Kleidungsstücke in unterschiedlichen Farben reduzieren. Überspitzte Realität. Doch die Werbung stellt die Marken-Kleidung vor und die Konsumenten wählen über das Label ihre Zugehörigkeit. Doch  wie unterschiedlich sind die Produkte wirklich? Und dennoch lassen sich daraus Lebenshaltungen und – interessen ableiten, reicht doch die Palette von Öko bis Luxus bis Luxusöko, Punk, Vintage u.v.a.m.

Was ist Mensch? Ein programmgesteuerter Organismus im Mechanistischen Weltbild, welches alles einer Funktion unterordnet, es gleich einer Maschine einsetzt und als Wirtschaftsfaktor nutzt? Ausbeutung in Reinform. Als sich der Kapitalismus aus dem Feudalismus herauskristallisierte, blühte der Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika. Etwa gleichzeitig überführte die gesellschaftliche Entwicklung in Europa Menschen vom Leibeigenen zum Lohnarbeiter und verhieß ihm mehr Freiheiten. Das ist bis zu einem, von den Gesetzesschreibern vorbestimmten, Grad auch geschehen, doch nun gilt es den nächsten Schritt zu mehr Unabhängigkeit für den Einzelnen zuzulassen und die nötigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Liberalismus als Gesellschaftsform einzuführen, wäre die Konsequenz. Doch kann Mensch damit wirklich umgehen?

Derzeit hat man sich vom Menschenbild im humanistischen Sinn weit entfernt. Die Diskrepanz zwischen intellektueller Abstraktion und Lebensvorgang als Programm veranschaulichte die Inszenierung. Auf wunderbar unterhaltsame Weise wurde vor Augen geführt, wie sehr Mensch bereits von der Neoliberalen Wirtschaftsideologie programmiert und zu deren Erfolgs- bzw. Gefolgsorganismus geworden ist. Stehenbleiben oder Weiter- und Hingehen? Geboten wurden ein Erlebnis der künstlerisch anspruchsvoll anregenden Art und einige Antworten.

 

C.M.Meier

 

Weiterführend wirkt die zur Inszenierung entwickelte Ausstellung „ Glück ...“

 


UA Competition, Competition!

oder zum Thema Utopie kommen wir vielleicht später noch.

von Claudia Lohmann

Judith Huber, Anne Römeth, Robert Kühn, Axel Röhrle, Timo Wenzel

Idee/Konzept: Claudia Lohmann und Lorenz Seib
Regie: Lorenz Seib

 

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