TamS Ping Pong von Michael Frayn
Hingeschaut
Michael Frayn schuf intelligente Kurzweil as it’s best. Der Schriftsteller, Kritiker und Kolumnist (Jahrgang 1933) verfügt über den klaren Blick, die konsequente Haltung und die nötige Menschenkenntnis, um umfassend treffende Szenen erschaffen zu können. Der britische Humor, der ihm reichlich eigen ist, sorgt für den Hauch der schwarzen Stimmung, die es einfach braucht, dem Schatten Figur zu geben und der Figur Schatten. Zudem bot die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts einen ungemein vielfältigen und breiten Entwicklungs- und Entfaltungsraum zur Bereicherung der Einzelnen und der Gemeinschaft. Kultur und Kunst fanden sich zu erlebbaren Höhepunkten, Persönlichkeiten unterschiedlichster Gewichtung bevölkerten die Bühne Öffentlichkeit. Aus diesem Blickwinkel auf die Folgen der Polarisierung durch die Technik geblickt, welche von Regisseur Cornelius Gohlke kongenial in heutige Bilder übersetzt wurden, garantiert geradezu Unterhaltung.
Zwei Doppelzimmer mit standardisierter Ausstattung lagen einander gegenüber. „Das Zimmer kommt mir irgendwie bekannt vor. Wie das gestern ... das vorgestern ...“ Zwei Paare beziehen die Räume und ergreifen, jedes auf seine Art und doch ähnlich davon Besitz. Anschließend beobachteten sie einander im Speisesaal. Der permanent erzwungene Blick in den allgegenwärtigen Spiegel, wie das Herumhacken auf den Resten einer Persönlichkeit, der eigenen und der des anderen, führt zu Behinderung des Menschen. „... schau sie dir an, ein komisch aussehendes Paar ...“ – „ ... sehen so abnormal normal aus ...“ Der Witzbold Michael, die Schicke Marianne, der Humorlose Lorenz, die Verkniffene Lolo begegneten einander in einem namenlosen Hotel an einem namenlosen Urlaubsort. Der Regisseur gestaltete das Paar von Marianne und Michael mit einem Hauch bayerisch, beheimatete sie in Plattling. Eine erkennbare Facette, die dem Begriff Heimat einen Namen, einen Ort gab. Glücklich, wer die Erde kennenlernt!
Wie sehr die menschliche Erscheinungsform der Persönlichkeit längst einer konditionierten Klischeefigur weichen musste, verdeutlichte zudem das zweite Stück über das Meeting der Abteilungsleiter einer Großfirma. Die Schauspieler standen in einer Reihe. Auf Zuruf wurde geklatscht, das Glas erhoben oder der Akt auf einer bestimmten Seite aufgeschlagen, ohne dass man das Gefühl hatte, die Abteilungsleiter könnten erfassen was sie lesen sollten – „Seite 3 ... Seite 3“ - von Begreifen nicht die geringste Spur – „Expansion ... Kostensenkung ... Finanzierungsstillstand“. Wie erschreckend realitätsnahe! Die Regie erschuf durch konsequente Gleichschaltung eine Szenerie in der die kleinen Ungeschicklichkeiten der Einzelnen für die Lacher sorgten. Die Schadenfreude feierte ihr Fest! Schon der nächste Augenblick veranschaulichte Eitelkeit und Neid, das Ausspielen der Kollegen gegeneinander durch die „höhere“ Macht, aus dem Off. „Zeigen wir doch, wozu wir fähig sind. Wir heben das Glas ... Applaus für ...“ Die vielen Trainings- und Gleichschaltungslehrgänge, die diese Menschen durchlaufen, führen zwangsläufig zu faschistoidem Habitus, zu Entpersönifizierung. Dennoch gelang es den Darstellern unterschiedliche Eigenschaften ins Spiel zu bringen. Im Theaterstück wurde der Humor angesprochen, denn die einzelnen Facetten wirkten in keinem dargestellten Moment platt oder denunzierend. Glücklich, wer im Theater darüber lachen kann!
Alexander Diepold, Claudia Schmidt, Christian Buse, Catalina Navarro-Kirner © Hilda Lobinger |
Wie aus einem gemütlichen Abendessen unter Freunden eine umfassende Katastrophe entstehen kann, war in dem dritten Stück zu sehen. Schon das Öffnen der Weinflasche gestaltete sich zu einem undurchführbaren Akt, welcher die Handlung vorantrieb. Der Herd gebot durch ein Eigenleben, ebenso wie ein elektronisches PING unbekannten Ursprungs, der Feuermelder, die Alarmanlage und selbst das Telefon des Privathauses. Die Figuren vollführten dazwischen gemeinsam, und jede für sich Gratwanderungen oder Tänze auf einem Hochseil, spielten einander über die Dialoge den Ball des Schicksals zu PONG. Den Schauspielern standen Ohnmacht und Verzweiflung in die Gesichter geschrieben. Allein die Intensität der Ausdrücke wechselte, wich gelegentlich den zum Scheitern verurteilten Versuchen einander zu begegnen. Glücklich, wer zu einem Glas Wein findet!
Flughafen Tegel, Flughafen Schönefeld, Terminal A und Terminal B, Bahnhof Zoo und Kneipe mit zwielichtigen Gestalten. Alle diese Orte waren Schauplatz menschlicher Verlorenheit und nur verbunden durch einen Anrufbeantworter in der Wohnung von Mickey und Jürgen. Die Ansage bildete den Knotenpunkt der Verstrickungen und der Unerreichbarkeiten. Oder: Was ist angesagt? "Hallo ..." tuut tuut tuut. Aussichtslos versuchten Alexander Diepold als sophisticated amerikanischer Freund (erst selbstbewusst und später nur noch um Fassung ringend), Christian Buse als sichtlich genervter Jürgen (von freundlich unvoreingenommen bis letztlich frustriert), Claudia Schmidt als frauenklischeetypische Mickey (multitasking und überfordert) und Catalina Navarro Kirner als ihre wehrhafte Mutter (zwischen traditioneller Haltung und gefordertem Handeln treibend) einander zu begegnen. Die Vielschichtigkeit der vier verschiedenen Schauspielerpersönlichkeiten wurden durch die Regie befördert und keine Minute, keine Geste verschenkt. Hier bildete die theatrale Darstellung den Gegenpol zu umfassendem Mißgeschick. Glücklich, wer nicht auf der Strecke bleibt!
Die Technik und die Technokratie setzen eine Ordnung, in der der Mensch nur noch zur Unordnung verkommt, bildet er doch derzeit dazu den Gegenpol, den Bediener dieser Ordnung. Hier setzen die Werke Frayns an, der sagte: „Ordnung ohne Unordnung geht nicht.“ Es folgte mittlerweile tatsächlich der nächste Schritt: Der zivilisierte Mensch bewegt sich in gleich strukturierten Räumen, er bewegt sich in gleicher Gesellschaft nach gleichen Regeln und bewegt die gleichen Tasten an den gleichen Apparaten. Die derart aufgezwungene Ordnung lässt kaum Spielraum für Unordnung, unterdrückt diese in absurde Erscheinungsformen. Es ist eine Frage der Zeit, bis die technische Ordnung den Menschen gänzlich zu einem ihrer Bestandteile umfunktioniert hat. Ein Prozess, der läuft! Denn selbst im engsten Zwischenmenschlichen, der Beziehung, herrscht Funktionalität über kulturell gewachsenes Miteinander. Die Unordnung wird in den Bereich der Natur gedrängt, die sich dieser Ordnung entledigen wird. Doch noch wäre möglich den Verlauf zu korrigieren ... und humorvolle Betrachtung ist ein angenehmer Weg zu Erkenntnis. Also hingeschaut ... ins TamS.
Flughafen Tegel, Flughafen Schönefeld, Terminal A und Terminal B, Bahnhof Zoo und Kneipe mit zwielichtigen Gestalten. Alle diese Orte waren Schauplatz menschlicher Verlorenheit und nur verbunden durch einen Anrufbeantworter in der Wohnung von Mickey und Jürgen. Die Ansage bildete den Knotenpunkt der Verstrickungen und der Unerreichbarkeiten. Oder: Was ist angesagt? "Hallo ..." tuut tuut tuut. Aussichtslos versuchten Alexander Diepold als sophisticated amerikanischer Freund (erst selbstbewusst und später nur noch um Fassung ringend), Christian Buse als sichtlich genervter Jürgen (von freundlich unvoreingenommen bis letztlich frustriert), Claudia Schmidt als frauenklischeetypische Mickey (multitasking und überfordert) und Catalina Navarro Kirner als ihre wehrhafte Mutter (zwischen traditioneller Haltung und gefordertem Handeln treibend) einander zu begegnen. Die Vielschichtigkeit der vier verschiedenen Schauspielerpersönlichkeiten wurden durch die Regie befördert und keine Minute, keine Geste verschenkt. Hier bildete die theatrale Darstellung den Gegenpol zu umfassendem Mißgeschick. Glücklich, wer nicht auf der Strecke bleibt!
Die Technik und die Technokratie setzen eine Ordnung, in der der Mensch nur noch zur Unordnung verkommt, bildet er doch derzeit dazu den Gegenpol, den Bediener dieser Ordnung. Hier setzen die Werke Frayns an, der sagte: „Ordnung ohne Unordnung geht nicht.“ Es folgte mittlerweile tatsächlich der nächste Schritt: Der zivilisierte Mensch bewegt sich in gleich strukturierten Räumen, er bewegt sich in gleicher Gesellschaft nach gleichen Regeln und bewegt die gleichen Tasten an den gleichen Apparaten. Die derart aufgezwungene Ordnung lässt kaum Spielraum für Unordnung, unterdrückt diese in absurde Erscheinungsformen. Es ist eine Frage der Zeit, bis die technische Ordnung den Menschen gänzlich zu einem ihrer Bestandteile umfunktioniert hat. Ein Prozess, der läuft! Denn selbst im engsten Zwischenmenschlichen, der Beziehung, herrscht Funktionalität über kulturell gewachsenes Miteinander. Die Unordnung wird in den Bereich der Natur gedrängt, die sich dieser Ordnung entledigen wird. Doch noch wäre möglich den Verlauf zu korrigieren ... und humorvolle Betrachtung ist ein angenehmer Weg zu Erkenntnis. Also hingeschaut ... ins TamS.
C.M.Meier
Ping Pong - Alarm in allen Zimmern
von Michael Frayn
Catalina Navarro Kirner, Claudia Schmidt, Christian Buse, Alexander Diepold Regie: Cornelius Gohlke |