Illusionen einer Ehe
Teamtheater Tankstelle Illusionen einer Ehe von Éric Assous
Die Wahrheit und andere Missliebigkeiten
„Lass uns die Zähler zurückstellen, wieder auf Null.“ Die Zähler zurückstellen? Ganz recht. Diesen Vorschlag unterbreitet Jeanne ihrem Ehemann Maxime und meint damit, dass man sich gegenseitig alle Seitensprünge eingesteht und verzeiht. Um die Betrügereien wissend, kann man wieder bei Null anfangen. So einfach. ... So einfach? Mitnichten, denn wer ist schon gern bereit und in der Lage, sich selbst zu bezichtigen. Dennoch, die beiden gehen diesen Schritt. Nach der Offenbarung: Es steht 12 zu 1 für Maxim und eigentlich sollte er nun demütig in sich gehen und sich vielleicht auch ein wenig schämen. Doch augenblicklich befindet Maxime, dass dieses eine Mal viel gewichtiger zu Buche schlägt, als seine zwölf Affären, von denen nicht einmal mehr die Erinnerung lebendig ist, wie er vorgibt. Dieser eine Seitensprung Jeannes, hört, hört, dauerte nämlich neun Monate. Da liegt es doch auf der Hand, dass es nicht nur eine flüchtige Affäre war, sondern eine ausgewachsene Beziehung. Vermutlich hat man sich dabei sogar über Themen wie Theater, Galerien, Restaurants etc. ausgetauscht. Mann ist entsetzt über Frau und will jetzt mit allem Nachdruck wissen, wer der Schurke war, der so skrupellos in sein Leben einbrach? Er will um jeden Preis den Namen wissen. Jeanne erklärt ihm unumwunden, dass das nicht die Spielregeln entspricht und er den Namen nie erfahren wird. Jetzt wird Maxime zum erbarmungslosen Maulwurf. Das erste Opfer ist der beste Freund Claude, der sanft aber nachdrücklich zum gemeinsamen Essen geladen wird. Nun beginnen die Wahrheiten zu purzeln wie reifes Obst.
Das Stück „Illusionen einer Ehe“ des 1956 in Tunis geborenen Autors Eric Assous erlebte 2009 seine Uraufführung am Pariser Théâtre de I’Oeuvre und lief dort mit riesigem Erfolg. Das ist nicht verwunderlich, denn es ist ein äußerst geschickt gebautes, blitzgescheites und spritzig verfasstes Boulevardstück, das höchsten Ansprüchen genügt. Das Feuerwerk an Situationskomik und Wortwitz hält bis zur letzten Minute an. Da brauchte es keiner künstlichen Zusätze von Seiten der Regie, um die Unterhaltung aufrecht zu erhalten. Es bedurfte lediglich eines lockeren, aber sicheren Händchens für Komödiantik. Dass Oliver Zimmer über eben jenes Händchen verfügt, bewies er bereits in Inszenierungen wie „Fasten Seat Belts“ oder „Freak Dinner“.
Mit „Illusionen einer Ehe“ übertraf er allerdings die oben genannten Inszenierung, denn diese neueste Arbeit war nahezu perfekt. Regisseur Zimmer verschenkte nichts und führte die Schauspieler zu exzellenten Leistungen. Allen voran Philipp Weiche als Maxime. Er hatte, zugegebenermaßen, die ergiebigste Rolle, denn der sonst so souveräne Macher, der erfolgreiche Unternehmer, der überlegene Lebemann entpuppte sich sehr schnell als emotional ziemlich instabil, von Eitelkeiten gehetzt und beinahe neurotisch im Umgang mit der Wahrheit. Phillip Weiche gestaltete die Rolle des Maxims mit nachtwandlerischer Sicherheit. Da war keine menschliche Regung, die er nicht sichtbar machen konnte. Es war ein ausgeklügeltes Spiel, das, ob seiner intelligenten Vielfalt, gleichsam einen Stab brach für den (mehr oder wenig) reuigen Sünder. Die Figur des Maxime blieb, dank Weiches überzeugend menschlicher, allzumenschlicher Gestaltung, bis zum Ende hin sympathisch. Möglich war diese Leistung nicht zuletzt durch das kongeniale Gegenspiel von Irene Rovan. Sie gestaltete die Rolle der Jeanne leicht unterkühlt, doch nicht emotionslos und trieb so ihren Ehemann Maxime immer wieder aus der Reserve und auch vor sich her. Am dritten im Bunde, Freund Claude, arbeitete sich das Ehepaar geradezu ab, denn der bedauernswerte Mann hatte über weite Strecken keine Ahnung, worum es tatsächlich ging. Uwe Kosubek spielt das Erstaunen und die Verwirrung, in die er immer wieder getrieben wurde, äußerst feinsinnig und gänzlich ohne Plattitüde. Das Spiel der drei Darsteller war eine wahre Augenweide. Es war auch leicht, sich darauf zu konzentrieren, denn das Bühnenbild von Monika Staykova, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnete, wahr simpel und praktisch. Fünf Sitzwürfel wurden auf die unterschiedlichsten, vom Spiel diktierte Positionen gerückt. Die zwei weißen runden Wände formten eine Trichter, in dessen Zentrum das Familienuniversum kreiste und brodelte und den Blick bannte.
Die Inszenierung von „Illusionen einer Ehe“ kann keine letzten Antworten zum Thema geben und vermutlich gibt es darauf auch gar keine allgemeingültigen. Aber es zeigt sehr glaubhaft menschliche Verhaltensweisen auf, die uns bei allem Spaß immer auch an das 6. Gebot erinnern und daran, dass wir letztlich die Konsequenzen, die sich auch in uns selbst einstellen werden, tragen müssen. Sicher ist, dass die Wahrheit nicht immer das probateste Mittel ist, denn sie will ausgehalten sein. Und da zeigt sich ein echter Schwachpunkt im System Mensch.
Die Inszenierung ist ein unbedingtes Muss für jeden Theatergänger. Und die, die es noch nicht sind, könnten sich bei diesem Spiel den Theatervirus einfangen!
Übrigens, wer sich diese Inszenierung lieber in französischer Sprache anschauen möchte, bekommt ab dem 9. November 2012 die Gelegenheit dazu. Das Doppelprojekt „Illusionen“ verspricht: Ein Stück, eine Bühne, zwei Inszenierungen!
„Lass uns die Zähler zurückstellen, wieder auf Null.“ Die Zähler zurückstellen? Ganz recht. Diesen Vorschlag unterbreitet Jeanne ihrem Ehemann Maxime und meint damit, dass man sich gegenseitig alle Seitensprünge eingesteht und verzeiht. Um die Betrügereien wissend, kann man wieder bei Null anfangen. So einfach. ... So einfach? Mitnichten, denn wer ist schon gern bereit und in der Lage, sich selbst zu bezichtigen. Dennoch, die beiden gehen diesen Schritt. Nach der Offenbarung: Es steht 12 zu 1 für Maxim und eigentlich sollte er nun demütig in sich gehen und sich vielleicht auch ein wenig schämen. Doch augenblicklich befindet Maxime, dass dieses eine Mal viel gewichtiger zu Buche schlägt, als seine zwölf Affären, von denen nicht einmal mehr die Erinnerung lebendig ist, wie er vorgibt. Dieser eine Seitensprung Jeannes, hört, hört, dauerte nämlich neun Monate. Da liegt es doch auf der Hand, dass es nicht nur eine flüchtige Affäre war, sondern eine ausgewachsene Beziehung. Vermutlich hat man sich dabei sogar über Themen wie Theater, Galerien, Restaurants etc. ausgetauscht. Mann ist entsetzt über Frau und will jetzt mit allem Nachdruck wissen, wer der Schurke war, der so skrupellos in sein Leben einbrach? Er will um jeden Preis den Namen wissen. Jeanne erklärt ihm unumwunden, dass das nicht die Spielregeln entspricht und er den Namen nie erfahren wird. Jetzt wird Maxime zum erbarmungslosen Maulwurf. Das erste Opfer ist der beste Freund Claude, der sanft aber nachdrücklich zum gemeinsamen Essen geladen wird. Nun beginnen die Wahrheiten zu purzeln wie reifes Obst.
Das Stück „Illusionen einer Ehe“ des 1956 in Tunis geborenen Autors Eric Assous erlebte 2009 seine Uraufführung am Pariser Théâtre de I’Oeuvre und lief dort mit riesigem Erfolg. Das ist nicht verwunderlich, denn es ist ein äußerst geschickt gebautes, blitzgescheites und spritzig verfasstes Boulevardstück, das höchsten Ansprüchen genügt. Das Feuerwerk an Situationskomik und Wortwitz hält bis zur letzten Minute an. Da brauchte es keiner künstlichen Zusätze von Seiten der Regie, um die Unterhaltung aufrecht zu erhalten. Es bedurfte lediglich eines lockeren, aber sicheren Händchens für Komödiantik. Dass Oliver Zimmer über eben jenes Händchen verfügt, bewies er bereits in Inszenierungen wie „Fasten Seat Belts“ oder „Freak Dinner“.
Mit „Illusionen einer Ehe“ übertraf er allerdings die oben genannten Inszenierung, denn diese neueste Arbeit war nahezu perfekt. Regisseur Zimmer verschenkte nichts und führte die Schauspieler zu exzellenten Leistungen. Allen voran Philipp Weiche als Maxime. Er hatte, zugegebenermaßen, die ergiebigste Rolle, denn der sonst so souveräne Macher, der erfolgreiche Unternehmer, der überlegene Lebemann entpuppte sich sehr schnell als emotional ziemlich instabil, von Eitelkeiten gehetzt und beinahe neurotisch im Umgang mit der Wahrheit. Phillip Weiche gestaltete die Rolle des Maxims mit nachtwandlerischer Sicherheit. Da war keine menschliche Regung, die er nicht sichtbar machen konnte. Es war ein ausgeklügeltes Spiel, das, ob seiner intelligenten Vielfalt, gleichsam einen Stab brach für den (mehr oder wenig) reuigen Sünder. Die Figur des Maxime blieb, dank Weiches überzeugend menschlicher, allzumenschlicher Gestaltung, bis zum Ende hin sympathisch. Möglich war diese Leistung nicht zuletzt durch das kongeniale Gegenspiel von Irene Rovan. Sie gestaltete die Rolle der Jeanne leicht unterkühlt, doch nicht emotionslos und trieb so ihren Ehemann Maxime immer wieder aus der Reserve und auch vor sich her. Am dritten im Bunde, Freund Claude, arbeitete sich das Ehepaar geradezu ab, denn der bedauernswerte Mann hatte über weite Strecken keine Ahnung, worum es tatsächlich ging. Uwe Kosubek spielt das Erstaunen und die Verwirrung, in die er immer wieder getrieben wurde, äußerst feinsinnig und gänzlich ohne Plattitüde. Das Spiel der drei Darsteller war eine wahre Augenweide. Es war auch leicht, sich darauf zu konzentrieren, denn das Bühnenbild von Monika Staykova, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnete, wahr simpel und praktisch. Fünf Sitzwürfel wurden auf die unterschiedlichsten, vom Spiel diktierte Positionen gerückt. Die zwei weißen runden Wände formten eine Trichter, in dessen Zentrum das Familienuniversum kreiste und brodelte und den Blick bannte.
Die Inszenierung von „Illusionen einer Ehe“ kann keine letzten Antworten zum Thema geben und vermutlich gibt es darauf auch gar keine allgemeingültigen. Aber es zeigt sehr glaubhaft menschliche Verhaltensweisen auf, die uns bei allem Spaß immer auch an das 6. Gebot erinnern und daran, dass wir letztlich die Konsequenzen, die sich auch in uns selbst einstellen werden, tragen müssen. Sicher ist, dass die Wahrheit nicht immer das probateste Mittel ist, denn sie will ausgehalten sein. Und da zeigt sich ein echter Schwachpunkt im System Mensch.
Die Inszenierung ist ein unbedingtes Muss für jeden Theatergänger. Und die, die es noch nicht sind, könnten sich bei diesem Spiel den Theatervirus einfangen!
Übrigens, wer sich diese Inszenierung lieber in französischer Sprache anschauen möchte, bekommt ab dem 9. November 2012 die Gelegenheit dazu. Das Doppelprojekt „Illusionen“ verspricht: Ein Stück, eine Bühne, zwei Inszenierungen!
Wolf Banitzki
Illusionen einer Ehe
von Éric Assous
Philipp Weiche, Irene Rovan, Uwe Kosubek
Regie/Dramaturgie: Oliver Zimmer