Teamtheater Tankstelle Paarungen von Eric Assous
Und täglich grüßt die Libido
Wie verhält man sich, wenn sich ein befreundetes Ehepaar, mit dem man jahrzehntelang vertraut war und Intimstes geteilt hat, scheiden lässt. Man ist definitiv in der Zwickmühle und zwar dergestalt, dass die eigene Ehe sehr schnell in die Krise geraten kann. So geschehen bei Delphine und Xavier, die nunmehr seit zwanzig Jahren Bett, Tisch und Dach teilen. Freund Bob hat sich von seiner Frau getrennt, mit der er seinerseits nunmehr seit zwanzig Jahren … Und zwar auf den Tag genau, denn beide Paare habe am selben Tag geheiratet. Nun hat sich Bob zum Abendessen angesagt und er kommt nicht alleine. Er hat seine neue Flamme, eine dreißig Jahre jüngere, atemberaubende Frau im Schlepptau: Garance. Delphine ist empört über die Geschichte an sich und über die vermeintliche Rückgradlosigkeit ihres Mannes, denn Bob hat sich mit der Trennung von seiner Frau in Delphines (und aller Frauen!) Augen vollkommen und total diskreditiert. Wie konnte er einem Besuch nur zustimmen! Dabei ist das längst nicht das Ende der Fahnenstange ihrer Empörung.
Eric Assous ist mit seinem 2011 in Paris uraufgeführten Text nicht nur eine unterhaltsame Komödie gelungen, sondern gleichermaßen ein Gemälde über den (ideologischen) Geschlechterkampf in heutiger Zeit. Dabei sind seine Argumente philosophisch und witzig zugleich und er enthält sich eines abschließenden Urteils, denn vieles ist nicht so, wie es scheint. Aber manches eben doch. In Zeiten, wo Sexualität zum Prüfstein von Menschlichkeit und Anstand geworden ist, sprießen die fantastischen Blumen der Gesinnungen. Momentan hat sich ein gewaltiger Kriegsschauplatz aufgetan, der die übrigen, wirklich blutigen Schauplätze fast in den Hintergrund treten lässt. Da haben Männer Frauen ans Knie gefasst und der mächtigste Mann dieser Welt hat sie mit seinen Äußerungen dazu auch noch ermuntert. Ein Satz aus dem Munde Kevin Spaceys in der Rolle des zum amerikanischen Präsidenten aufsteigenden Abgeordneten Francis Underwood in „House of Cards“ machte die Runde: „Es geht immer um Sex, außer beim Sex, da geht es um Macht.“ Das ist ein Satz, der Gänsehaut macht, weil er die ganze Perfidität der mächtigen Männer, von der alle Verschwörungstheoretiker überzeugt sind, offenbart. Und so leben wir langsam aber zunehmend mit dem unschönen Bild, in dem mächtige alte Männer vor Geilheit sabbernd durch die Wildbahn streifen und alles (sexuell) unterwerfen, was zwei Beine hat und nicht rechtzeitig auf dem Baum ist. Auch Kevin Spacey hat seine Vergangenheit eingeholt. Er wird jetzt zur Ader gelassen, soviel ist sicher.
Pia Kolb, Florian Fisch, Uwe Kosubek und Daniela Voß © Ludo Vici |
Und so drängte sich zwangsläufig der Gedanke auf, dass Delphine, von einer herb, selbstbewusst und streitbar spielenden Daniela Voß gestaltet, durchaus Mitbegründerin von „Hashtag: Me Too“ sein könnte. Sie befragte ihren heiteren Ehemann Xavier, Uwe Kossubek beschwörte vergeblich die Vernunft und die Toleranz, geradezu inquisitorisch. Als jedoch Pia Kolb als Garance, perfekt schlank, betörend schön und lasziv, erschien, wusste man, dass Männer ihr gegenüber unbedingt zur Übergriffigkeit neigen. Einer tat es, nämlich Bob. Florian Fisch gab ihn überzeugend besessen von der jungen Frau, obgleich er wahrlich nicht mehr ganz taufrisch war, wie Delphine, nicht unbedingt der Fairness verpflichtet, anzumerken wusste. Es soll indes nicht verraten werden, warum er sich berufen fühlte, um die Gunst der Schönheit zu werben, wenngleich der Grund nur eine Facette von vielen ist, die das Leben so schillernd machen kann.
Eric Assous schuf eine grandiose Vorlage, reich an Wortwitz, überbordend an verblüffenden szenischen Wendungen und voller Wahrheiten, mit denen wir uns alle tagtäglich herumschlagen müssen. Regisseur Philipp Jescheck enthielt dem Publikum kein Wort und auch keinen Hauch des Subtextes vor und brachte die Komödie zur vollkommenen Entfaltung. Jeschek hat sich auch am Teamtheater längst den Ruf eines exzellenten Komödien-Regisseurs erworben, dem er auch an diesem Abend umfänglich gerecht wurde. Das elegant minimalistische Bühnenbild von Michele Lorenzini war ein Raum, der dem Wesentlichsten diente, dem Wort und der Geste, ohne selbst irgendetwas zu behaupten. Einen besseren Rahmen hätten die vier Darsteller kaum haben können und so wirkungsvoll und nahezu perfekt war auch ihr Spiel. Auffällig war die exzellente Sprechkultur, etwas was bei (Boulevard-) Komödien nicht selten auf der Strecke bleibt. Das Publikum bedankte sich schlussendlich mit anhaltendem Applaus und zahlreichen Bravos.
Ohne Frage ist das Thema Liebe, und dabei geht es naturgemäß immer auch um Sex, unverzichtbar für Komödien. Das liegt auch daran, weil wir, immerhin ist der Sexualtrieb der stärkste natürliche Trieb, in Bezug darauf keinesfalls auffällig, nicht peinlich werden wollen. Dahinter steht natürlich auch die Angst vor Zurückweisung. Das führte nicht selten zu Prüderie und Selbstverleugnung und vergiftete bislang ganze Menschheitsepochen. Und das ist schade, denn abgesehen davon, dass der Geschlechtsverkehr die einzige von der Natur für den Menschen gestellte Aufgabe ist, ist er auch noch schön. Es wird sogar gemunkelt, es sei das Schönste überhaupt. Selbstverständlich steht es außer Frage, dass dazu Einvernehmlichkeit herrschen muss. Vielleicht sollten wir mal daran arbeiten, ein verbales und auch nonverbales Vokabular zu entwickeln, das Klarheit darüber schafft, wann Einvernehmlichkeit herrscht und wann nicht. Eric Assous Stück leistet auch einen Beitrag zum Thema Macht, Macht des Sexes oder auch Macht des Geldes und darüber, dass beides in den Widerstreit geraten kann. Immerhin können wir uns glücklich schätzen, dass wir ein brauchbares juristisches Instrumentarium haben, das Willkür unter Strafe stellt.
Um all das ging es an diesem Abend auch, aber auch um noch viel mehr, denn egal was passiert: Täglich grüßt die Libido! und da sind Probleme vorprogrammiert und die Menschen tun gut daran, diesen Problemen positiv zu begegnen. Die Brunnenvergifter lauern stets im Hintergrund, die die körperliche Liebe verteufeln wollen.
Wolf Banitzki
Paarungen
von Eric Assous
Daniela Voß, Pia Kolb, Florian Fisch, Uwe Kosubek Regie: Philipp Jescheck |