Teamtheater Tankstelle Die Stühle von Eugéne Ionesco
Tragische Heiterkeit garantiert!
"Unglückliches Beginnen: von der Anhäufung … (von) Wortleichen erdrückt und von den Automatismen der Konversation abgestumpft, erlag ich beinahe dem Ekel und einer unnennbaren Traurigkeit, einer nervösen Depression und einer richtigen Erstickung. Trotzdem konnte ich die mir selbst gestellte unsinnige Aufgabe zu Ende führen. Ein junger Spielleiter, in dessen Hände dieser Text ganz zufällig geriet, hielt ihn für ein Theaterstück und führte ihn auf." (Eugène Ionesco in "Arts" 1956) Es wurde kein Erfolg, diese erste Aufführung von "Die kahle Sängerin". Erst sieben Jahre später, 1957, in der Inszenierung von Nicolas Bataille, war dem Stück der Durchbruch beschieden. Ionesco selbst gab vor dem kleinen "Théâtre de la Huchette" im Quartier Latin den Anreißer, wie es bei den zwielichtigen Etablissements üblich ist. Für den theaterliebenden Parisreisenden ist der Besuch des 80 Plätze zählenden Theaters ein Muss, denn dort kann sie oder er noch immer die Uraufführungsfassungen von "Die kahle Sängerin" und "Die Unterrichtsstunde" bewundern.
Mit "Die kahle Sängerin" drang ein neuer Begriff in das gesellschaftliche Bewusstsein: "Antitheater". Dieser Begriff ist eben so irreführend, wie die Bezeichnung "Absurdes Theater" falsch ist. "Antitheater" meint nicht "Gegen das Theater", sondern anderes Theater als beispielsweise das didaktische Theater von Brecht. Falsch ist der Begriff "Absurdes Theater", weil das Theater nicht absurd ist, sondern weil es die Absurditäten des Daseins zum Gegenstand hat. Folglich heißt es richtig: "Theater des Absurden". Es wäre schön, wenn sich dieser nicht unbeträchtliche Unterschied im Bewusstsein durchsetzen würde. Diese Einsicht könnte doch ein besseres Verständnis vom Geschehen auf der Bühne befördern.
"Die Stühle", eine tragische Farce, erlebte 1952 im Théâtre du Nouveau Lancry in Paris das Licht der Bühne und fiel durch. Erst 1956 erreichte es den Zuschauer, nachdem Jean Anouilh das Drama im "Figaro" mit den Worten rühmte: "Ich glaube, es ist besser als Strindberg, weil es einen ‚schwarzen Humor' à la Molière hat, auf eine manchmal irre komische Art, weil es entsetzlich, drollig, ergreifend, immer wahr ist und weil es (…) klassisch ist."
"Unglückliches Beginnen: von der Anhäufung … (von) Wortleichen erdrückt und von den Automatismen der Konversation abgestumpft, erlag ich beinahe dem Ekel und einer unnennbaren Traurigkeit, einer nervösen Depression und einer richtigen Erstickung. Trotzdem konnte ich die mir selbst gestellte unsinnige Aufgabe zu Ende führen. Ein junger Spielleiter, in dessen Hände dieser Text ganz zufällig geriet, hielt ihn für ein Theaterstück und führte ihn auf." (Eugène Ionesco in "Arts" 1956) Es wurde kein Erfolg, diese erste Aufführung von "Die kahle Sängerin". Erst sieben Jahre später, 1957, in der Inszenierung von Nicolas Bataille, war dem Stück der Durchbruch beschieden. Ionesco selbst gab vor dem kleinen "Théâtre de la Huchette" im Quartier Latin den Anreißer, wie es bei den zwielichtigen Etablissements üblich ist. Für den theaterliebenden Parisreisenden ist der Besuch des 80 Plätze zählenden Theaters ein Muss, denn dort kann sie oder er noch immer die Uraufführungsfassungen von "Die kahle Sängerin" und "Die Unterrichtsstunde" bewundern.
Mit "Die kahle Sängerin" drang ein neuer Begriff in das gesellschaftliche Bewusstsein: "Antitheater". Dieser Begriff ist eben so irreführend, wie die Bezeichnung "Absurdes Theater" falsch ist. "Antitheater" meint nicht "Gegen das Theater", sondern anderes Theater als beispielsweise das didaktische Theater von Brecht. Falsch ist der Begriff "Absurdes Theater", weil das Theater nicht absurd ist, sondern weil es die Absurditäten des Daseins zum Gegenstand hat. Folglich heißt es richtig: "Theater des Absurden". Es wäre schön, wenn sich dieser nicht unbeträchtliche Unterschied im Bewusstsein durchsetzen würde. Diese Einsicht könnte doch ein besseres Verständnis vom Geschehen auf der Bühne befördern.
"Die Stühle", eine tragische Farce, erlebte 1952 im Théâtre du Nouveau Lancry in Paris das Licht der Bühne und fiel durch. Erst 1956 erreichte es den Zuschauer, nachdem Jean Anouilh das Drama im "Figaro" mit den Worten rühmte: "Ich glaube, es ist besser als Strindberg, weil es einen ‚schwarzen Humor' à la Molière hat, auf eine manchmal irre komische Art, weil es entsetzlich, drollig, ergreifend, immer wahr ist und weil es (…) klassisch ist."
Ludo Vici, HP Trauschke © Stephan Rumpf |
Das Stück erzählt die Geschichte zweier Alten, die die gesamte Menschheit zu einer Abendgesellschaft eingeladen haben. Unentwegt läutet die Türglocke und man schafft eifrig unzählige Stühle herbei, auf denen die unsichtbaren Gäste Platz nehmen. Man macht einseitig Konversation mit den Erschienen und kündigt die große Rede an, die Aufschluss geben soll über die noch ungeklärten Fragen des Daseins. Allerdings bleibt diese einem Redner vorbehalten, der sich schließlich als taubstumm entpuppt und dessen schriftliche Niederlegungen unleserlich sind. Noch ehe die Rede stattfindet, stürzen sich die beiden Alten aus dem Fenster.
Was sich in der einstündigen Vorstellung im Teamtheater Tankstelle abspielte, kann getrost als theatralisches Ereignis gewertet werden. Selten bekommt man ein Stück von Ionesco so glaubhaft, so suggestiv, so hochartifiziell aufgelöst geboten. HP Trauschke, der für die Regie verantwortlich zeichnete, und Ludo Vici transkribieren Absurditäten und Sinnentleerungen in eine Körpersprache, die deutlicher kaum sein kann. Es ist die physische und sprachliche Komik, die den Zuschauer unablässig davon abhält, das Unverständliche verstehen zu wollen, um so am Ende unerschütterlich zu wissen, wie absurd große Teile unseres Denkens und Handelns sind. Gerade an dieser Stelle wird deutlich, wie wichtig es ist, den Unterschied zwischen "Absurdes Theater" und "Theater des Absurden" verstanden zu haben, denn schließlich wirkt nur letzteres aufklärend.
HP Trauschke schuf eine Bühne, die durch eine Ersetzung von Stühlen durch Obstkisten einen starken Kunstraumcharakter erhielt. Der Bühnenentwurf war gleichsam auch ein bildnerisches Ereignis, ging weit über die Ansprüche des Stückes und einer Funktionalität hinaus. Eingangs noch Raum schaffend, verwandelte sich die Szenerie alsbald in Chaos, Raum zerstörend, irritierend, sogar bedrohlich.
Beide Figuren waren Unpersonen, in rote Overalls gewandet, die ihre Oberhaut verloren und mehr und mehr in Schwarz übergingen. Sie verflüchtigten sich in ihrer Sichtbarkeit, bis sie ins schwarze Wasser der Vergänglichkeit stürzten. Zwischendrin Gesichter, aus denen Menschlichkeit kündete, bisweilen simpel, nicht selten pathetisch. Eine ausgefeilte Lichtregie zauberte eine Entrückung, die den kleinen, von Unzulänglichkeiten behafteten Raum im Teamtheater vergessen ließ.
Wer sich das "Theater des Absurden" noch nicht recht erschließen konnte und es nach wie vor für "Absurdes Theater" hält, dem sein diese Inszenierung dringend angeraten. Denen, die Ionesco lieben, sei vorab versichert, dass diese bravouröse Inszenierung dem Meister in jeder Hinsicht gerecht wird. Eine große tragische Heiterkeit ist garantiert.
Was sich in der einstündigen Vorstellung im Teamtheater Tankstelle abspielte, kann getrost als theatralisches Ereignis gewertet werden. Selten bekommt man ein Stück von Ionesco so glaubhaft, so suggestiv, so hochartifiziell aufgelöst geboten. HP Trauschke, der für die Regie verantwortlich zeichnete, und Ludo Vici transkribieren Absurditäten und Sinnentleerungen in eine Körpersprache, die deutlicher kaum sein kann. Es ist die physische und sprachliche Komik, die den Zuschauer unablässig davon abhält, das Unverständliche verstehen zu wollen, um so am Ende unerschütterlich zu wissen, wie absurd große Teile unseres Denkens und Handelns sind. Gerade an dieser Stelle wird deutlich, wie wichtig es ist, den Unterschied zwischen "Absurdes Theater" und "Theater des Absurden" verstanden zu haben, denn schließlich wirkt nur letzteres aufklärend.
HP Trauschke schuf eine Bühne, die durch eine Ersetzung von Stühlen durch Obstkisten einen starken Kunstraumcharakter erhielt. Der Bühnenentwurf war gleichsam auch ein bildnerisches Ereignis, ging weit über die Ansprüche des Stückes und einer Funktionalität hinaus. Eingangs noch Raum schaffend, verwandelte sich die Szenerie alsbald in Chaos, Raum zerstörend, irritierend, sogar bedrohlich.
Beide Figuren waren Unpersonen, in rote Overalls gewandet, die ihre Oberhaut verloren und mehr und mehr in Schwarz übergingen. Sie verflüchtigten sich in ihrer Sichtbarkeit, bis sie ins schwarze Wasser der Vergänglichkeit stürzten. Zwischendrin Gesichter, aus denen Menschlichkeit kündete, bisweilen simpel, nicht selten pathetisch. Eine ausgefeilte Lichtregie zauberte eine Entrückung, die den kleinen, von Unzulänglichkeiten behafteten Raum im Teamtheater vergessen ließ.
Wer sich das "Theater des Absurden" noch nicht recht erschließen konnte und es nach wie vor für "Absurdes Theater" hält, dem sein diese Inszenierung dringend angeraten. Denen, die Ionesco lieben, sei vorab versichert, dass diese bravouröse Inszenierung dem Meister in jeder Hinsicht gerecht wird. Eine große tragische Heiterkeit ist garantiert.
Wolf Banitzki
Die Stühle
von Eugéne Ionesco
Ludo Vici, HP Trauschke, Bugs Regie: HP Trauschke |