Teamtheater Tankstelle Das Jagdgewehr von Yasushi Inoue




Feuer am Meer oder Die Ausgrenzung

Eine weiße Fläche, Bühne und Rückwand empfing die Zuschauer des Interaktionsprojektes von bggnung. Die Erzählung „Das Jagdgewehr“ des japanischen Schriftstellers Yasushi Inoue, oder genauer, die darin enthaltenen Briefe wurden umgesetzt. Aus der Sicht dreier Frauen, der Tochter der Geliebten, der Ehefrau und der Geliebten ersteht die Geschichte einer verbotenen Liebe.

Florian Marschall, ganz in Weiß gekleidet, betrat aus dem Zuschauerraum die Bühne, der Scheinwerfer folgte ihm, bis er zur schwarzen Kreide griff. Karen Breece trug als Shoko San, Midori San und Saiko San nacheinander die Briefe in freier Rede und vom Blatt gelesen vor. Ebenfalls ganz in Weiß gekleidet,  wechselte sie geschickt mit wenigen Handgriffen und Utensilien die Figur und wurde zur über die Form der Liebe erschrockenen Heranwachsenden, wurde zur enttäuschten jungen Ehefrau und wurde zur im Sterben liegenden Geliebten. Ihre Darstellungen wirkten überzeugend, vielseitig und glaubhaft nicht zuletzt durch ein großes Repertoire von Körpersprache und Mimik. Die Seiten der Briefe bedeckten mehr und mehr den Bühnenboden. Die Einfälle der Regisseure waren sparsam, doch sehr sinnfällig gesetzt und unterstützten den Vortrag und die darstellende Aktion.


jagdgewehr


Die herausragende Erzählung lebt auch von den sprachlichen Bildern welche Inoue immer wieder einflicht. In ihnen wird das Wesen der formlosen Emotionen wie Liebe und Einsamkeit anschaulich. „… und da entdeckten wir auf hoher See ein Fischerboot, das so hell brannte, als hätte man eine Fackel entzündet. … Das Boot war jedoch wohl schon verbrannt, ich entdeckte keine Spur mehr von ihm auf den Wellen, es breitete sich eine ungeheure, trübe Ruhe auf der dunklen Wasserfläche.“ Linien, Kurven, dicke und dünne Striche waren gegen diese Bilder nur ein kraftloser Versuch auf weißer Fläche. Sie muteten an wie die Kurven von Messgeräten, die emotionale Schwingungen in begrenztem Rahmen zu Papier bringen. In den Skizzen des Haori-Umhanges mit den eingewebten Disteln und der Fackel steckte dagegen mehr Kunst und Leben. Florian Marschall agierte jedoch hauptsächlich im formlosen Bereich und so erstand auf der weißen Wand eine abstrakte Zeichnung, das Chaos der Gefühle, unterbrochen durch deutliche und weniger deutlich erkennbare Buchstaben V E R B R E  und den Schatten der Geliebten.

Es war ein Versuch, der auf die Bühne kam – die Verbindung von Zeichnung und Schauspiel, und als solcher sollte es auch gewertet werden.

Ohne Kenntnis der gesamten Erzählung blieb der Zuschauer am Ende in einem einseitigen Erlebnis zurück. Es waren allein die Erfahrungen und Bilder der Frauen, die den Weg auf die Bühne und die Wand fanden. Das Buch jedoch enthüllt in der Rahmenhandlung auch die andere Seite, die des Erzählers und die des Mannes. Erst im Zusammenwirken der Elemente erfasst man das Bild der Einsamkeit, welche sich hinter dem Jäger ausbreitet „… ein verödetes, weißes Flussbett.“ in der menschlichen Dimension.


C.M.Meier

 

 


Das Jagdgewehr

von Yasushi Inoue

Karen Breece, Florian Marschall (Zeichner)

Regie: Claudia Seigmann, Nicholas Hohmann
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