Teamtheater Freak Dinner von Francis Veber




Von einem Idiotenjäger und wie er selbst Opfer wurde

Es ist schon ein recht absonderlicher Spleen, den Verleger Pierre Brochant und seine Freunde pflegen. Einmal in der Woche, zumeist dienstags trifft man sich zu einem außergewöhnlichen Dinner. Jeder der Teilnehmer bringt einen Gast mit. Es ist aber nicht irgendein Gast, es muss ein totaler „Idiot“ sein. Nach dem Dinner wird dann der Teilnehmer zum Sieger gekürt, der mit dem schrägsten Vogel aufwarten konnte. Pierre Brochant ist sich sicher, dieses Mal zum Champion der Idiotenjäger ernannt zu werden. Er hat Francois Pignon, einen Finanzbeamten mit einem Faible für Streichholz-Modellarchitektur, eingeladen. Ein Freund Brochants hatte zuvor das zweifelhafte Vergnügen gehabt, eine fünfstündige Bahnfahrt mit Pignon zu verbringen. Danach schwor er Brochant glaubhaft, einem unüberbietbaren Trottel begegnet zu sein. Doch am Abend des Dinners ereilt den Verleger ein Hexenschuss. Es ist bereits zu spät, um Pignon abzusagen. Pignon, derart entzückt vom Verleger Brochant, der Interesse für die Bastelleidenschaft des Finanzbeamten heuchelt, läuft in seiner Hilfsbereitschaft zu ganz großer Form auf. Von nun an beginnt die unaufhaltsame Demontage des Lebens von Brochant. Um nicht als Spielverderber dazustehen, sei an dieser Stelle nicht mehr verraten. Nur soviel: Am Ende besteht Brochant darauf, das Dinner zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Doch dann werde Brochant, der inzwischen einsehen musste, was für ein Idiot er selbst ist, die Begleitung für Pignon sein.

Francis Veber schrieb neben der hier besprochenen Komödie das Drehbuch zu „Die Filzlaus“. Billy Wilder machte aus dieser filmischen Vorgabe von Edouard Molinaro (mit Lino Ventura und Jacques Brel) seinen Komödienfilm „Buddy Buddy“. Veber zeichnete gleichsam verantwortlich für „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ (1972 von Yves Robert verfilmt) und für „Ein Käfig voller Narren“ (I und II). Wer wenigstens einen dieser Filme kennt, weiß um das Erfolgsrezept Verbers. Es ist eine Mischung aus einem auf die spitze getriebenen Plot, dialogischer Situationskomik und nicht selten auch Slapstick. In Deutschland ist der Film um den Verleger Brochant und den Finanzbeamten Pignon unter dem Titel „Dinner für Spinner“ bekannt geworden. Ähnlich wie in „Die Filzlaus“ treffen auch hier zwei Charaktere aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein können. Auch in dieser Komödie ist der vermeintliche Idiot in höchstem Maße liebenswert.

Regisseur Oliver Zimmer hatte sich in seiner Inszenierung vornehmlich auf den Dialogwitz verlassen. Darüber hinaus gelang es ihm aber, die Rollen der Protagonisten mit Heiko Dietz (Brochant) und Philipp Weiche (Pignon) in ihrem Wesen und ihren Erscheinungen kongenial zu besetzten. Heiko Dietz gab einen weltgewandten, von sich selbst überzeugten und auch ein wenig zynischen, aber zerknirschten und genervten, weil unter starken Schmerzen und der Anwesenheit Pignons leidenden Verleger. Die Geschichte verlangte von ihm die Darstellung des durchgängig Leidenden, also eine Rolle mit einem permanenten Handicap. Dietz gelang es bei aller Beschränkung, sich Räume für Varianten im Spiel offen zu halten, ohne dabei schmerzfrei zu wirken. Komödiantisch getragen wurde das Stück aber von Philipp Weiche. Die Dramaturgie sah vor, dass die Figur des Pignon jedermann und –frau im Spiel in kürzester Zeit und ohne Umwege in die fatalsten Situationen bringen musste. Alle wurden in den Strudel der skurrilen Ereignisse gezogen, die aus Pignons physischer und geistiger Tollpatschigkeit resultierten. Das wirklich Witzige dabei war, dass Pignons Motive seines Handelns stets lauter und gutartig waren. Dennoch machte er im entscheidenden Augenblick stets das Falsche, manchmal im Eifer, manchmal in Unbesonnenheit. Die Folgen seines „hilfreichen“ Handelns vermochte er dabei nie abzusehen, weil er geradlinig dachte und nicht in den Kategorien des Hinters-Licht-führens, wie sie in der Welt Brochant eher die Regel waren.

freakdinner

Lance Girard, Ravi Rege, Heiko Dietz,

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Philipp Weiche hatte eine Figur erarbeitet, die wirklich zum Brüllen komisch sein konnte. Dabei war die Figur des Pignon eigentlich ein am Leben und auch an sich selbst Gescheiterter. In seiner seltsamen Gelecktheit, ein Finanzbeamter ist eben ein ordentlicher Mensch, die über die sich aufdrängende Spießigkeit per se weit hinausging, war er an sich schon komisch. Sein Spleen, großartige Architektur mit Streichhölzern nachzubilden, hatte hingegen schon wieder eine ernsthafte Tiefe, die erst dadurch komisch erschien, weil sie von einer unglaublichen (und durchaus liebenswerten) Begeisterung getragen wurde. Pignon war stets von dem unbändigen Drang beseelt, sich und seine Begeisterung anderen mitzuteilen. Er hatte allerdings längst gelernt, mit der steten Ablehnung umzugehen und bekam dadurch einen traurig-clownesken Zug.

Es ist eine wunderbare Boulevardkomödie, die sich von anderen darin unterschied, dass hier ein intelligentes Dialogfeuerwerk abgebrannt wird, das bis zum Ende hin immer heller leuchtet. Das Stück kommt ohne Türenklappen und die üblichen zahllosen Verwechselungen aus. Es gab nur eine einzige Verwechselung, die allerdings folgenschwer war. Türen konnten nicht klappen, da es keine gab und hier fiel leider ein kleiner Wehmutstropfen in den Kelch, den das Publikum gern zu leeren bereit war. Das Bühnenbild von Aylin Kaip, Wände und Möbel, alles andere als elegant, bestanden aus zusammen geschraubten Aluminiumprofilen, wirkten sperrig und verhinderten das Aufkommen von Atmosphäre. Immerhin handelte es sich um die Wohnung eines gutbetuchten Verlegers mit Geschmack. Nachdem die Kunstwerke (bemalte Tücher und an Giacometti erinnernde Skulpturen) vor Pignons Finanzamtskollegen Lucien Cheval, Daniel Pietzuch spielte ihn komischen wie einen Terrier, versteckt worden waren, fühlte man sich eher wie in einer Schlosserwerkstatt. Doch mit diesem Manko kann man leben. Die Inszenierung ist absolut sehenswert und vermag es, gerade in Zeiten tiefster Depression und Negativnachrichten, zu hemmungslosem Lachen zu verführen. Man wünschte sich mehr davon.

Wolf Banitzki

 

 

 


Freak Dinner

von Francis Veber

Ute Pauer, Heiko Dietz, Daniel Pietzuch, Ravi Rege, Lance Girard, Philipp Weiche

Regie: Oliver Zimmer