Theater ... und so fort Gretchen 89ff. von Lutz Hübner
Allein man läßt’s auch alles sein; man lobt euch ...“ keineswegs mit halber, nein mit voller Begeisterung und vergibt durchaus goldene Sterne an Schauspieler und Regie, Regie und Schauspieler des Ateliertheater München für die Inszenierung von „Gretchen 89ff.“. Diese führte gemütvoll die Liebe zum Theater auf den Boden der Tatsachen zurück und begegnete dem allgegenwärtigen Pathos mit einer Portion gesundem Humor. Publikum was willst du mehr?!
Johann Wolfgang von Goethe (Titelzitat) entwickelte „Faust“ um die Wende des 19. Jahrhunderts und seit der Uraufführung im Jahre 1829 auf der Bühne des alten Opernhauses in Braunschweig gab es wohl tausende Aufführungen des Werkes. Jede dem zeitlosen Anliegen huldigend und jede in ihrer Zeit verhaftet. Der Zeremonie des Inszenierens liegt die Wechselwirkung zwischen Regie und Schauspielern, Schauspielern und Regie zugrunde. Der Text gleicht dem Fels, dem Fels der in einem künstlerischen Akt zum theatralen Monument geformt wird. Und, dass sich in einem solchen Akt eine Fülle von Gedanken und Gefühlen breit machen, sich aufplustern, sich erheben, sich eitel sonnen, sich aufreiben, ist wohl selbstredend. Selbstredend. Unzählbar viele Gretchen standen auf Bühnen und alle, alle versuchten sich in der Kästchenszene – Seite 89 und folgende. Und, dass die Szene, diese Szene jemals den Inhalt einer brilliant amüsanten Komödie bilden würde, haben sich sicherlich weder Goethe noch Darsteller, weder Regisseure noch Goethe jemals träumen lassen.
Lutz Hübner schrieb die amüsante Komödie „Gretchen 89ff.“ welche 1997 in der Baracke am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt wurde.
„Es ist so schwül, so dumpfig hie ..“ beginnt Goethes Gretchen und dieser Satz drückt wie kaum ein anderer die Befindlichkeit in der Gesellschaft auch im Juni 2013 aus. Die Zielsicherheit mit welcher Hübner gerade diese Szene auswählte, zeugt von klarem Geist und unbestechlichem Fingerspitzengefühl. Es ist bedrückend und erhellend zugleich, der tragische Hintergrund einer bis ins Lächerliche überspitzten Eigenschaft – Ergriffenheit. Ergriffenheit von ... „Was ist das? Gott im Himmel! Schau ... Ein Schmuck!“ Das Pathos mit dem in der Gesellschaft dem Gott, dem Gold gehuldigt wird, sucht wohl seinesgleichen in der Welt und wird es wohl kaum finden. Zu ernst nimmt man das Spiel. Bester Stoff für humorvolle Unterhaltung, der hier doch nur im Hintergrund schwelt.
Daniela Voß, Uwe Kosubek © Ateliertheater |
Denn im Vordergrund stehen die neun kurzweiligen Szenen, in welchen auf die unterschiedlichsten Charakterkonstellationen eingegangen wird, die exemplarisch am Theater zur Interpretation von Geschehen beitragen. Welten tun sich auf: Ob Gretchen nun mehr für den Mann Faust entbrennt, oder doch eher für die Ohrringe liegt in der Intention des, doch stets auch faustschisch agierenden Regisseurs und/oder dem Gretchen in jeder Schauspielerin, in jeder Diva. Die Darstellung der vielen möglichen, zutiefst menschlichen, lokale Grenzen überwindenden Facetten geriet zum ergreifenden Spiel, Schauspiel. „Wenn man’s im Blut hat, spielt es sich von allein.“, so der Autor. Daniela Voß und Uwe Kosubek, Uwe Kosubek und Daniela Voß erspielten in der Regie von Marion Niederländer, in kleinen Gesten auf mustergültige Professionalität bedacht, eine Fülle höchst erheiternder Augenblicke. Mögen diese ihren angemessenen Platz in der Geschichte um Gretchen und Faust einnehmen.
„Hoffentlich spielen sie es, so wie es ist.“, schrieb Lutz Hübner an den Beginn seines Stückes und die Künstler des Ateliertheater München taten dies, fraglos.
C.M.Meier
Gretchen 89ff.
von Lutz Hübner
Daniela Voß, Uwe Kosubek |