Mei Fähr Lady

Theater Viel Lärm um Nichts Mei Fähr Lady von Joseph Berlinger


 

 

„Lecker“, geht gar nicht! - "Basst scho!"

Die Chinesin Mei Ding putzt eigentlich ganz gerne, doch die Arbeit im Asia-Shop ihres Bruders beginnt sie zu langweilen. Immer wieder zieht es sie zum Wasser, zur Donau. Dort entdeckt die aus Shanghai stammende Frau ihre eigentliche Leidenschaft. Sie würde gern eine Fähre betreiben, Einheimische und Touristen über den Fluss setzen. Eine kleine Fähre wäre sogar vakant, doch der Kauf ist mit einer Bedingung verknüpft: Die Fährfrau muss perfektes Bairisch sprechen. Also besucht sie einen (Crash-) Kurs beim bairischen Dialektpapst Professor Ludwig Zehetner. Der Mann ist keine Erfindung des Autors, Regisseurs und Bühnenbildners Joseph Berlinger, sondern ein gestandener Professor und Autor des populären dreibändigen Standardwerks "Basst scho!"

Mei Ding ist nicht die einzige Lernende. Ihr gesellt sich der gediegene Manager Striede hinzu, der ein Bauernhaus in ländlicher Umgebung erworben hat und nun um gute Nachbarschaft mit den Eingeborenen buhlt. Dabei gilt es erst einmal, die Sprachbarriere zu überwinden. Der dritte lernwillige Geselle ist ein „reifer“ französischer Rapper, gerade aus Paris zugezogen, der sich in eine Kellnerin verguckt (Das Wort geht auch gar nicht!) hat, jedoch keinen Draht zu ihr findet. Die Dame hat deutliche Vorbehalte gegen Ausländer, was für den Herrn Boulanger nicht nachvollziehbar ist, denn schließlich ist er ja gar kein Ausländer. Er ist Franzose! Während sich die beiden Herren, beeindruckend differenziert von Titus Horst gespielt, schwertun mit dem Erlernen des „schönsten Dialekts“ des Landes, macht Mei Ding rasante Fortschritte. Auch nach einem knappen Jahr kommt es zwischen dem Manager Striede und seinen Nachbarn zu gravierenden Missverständnissen. Der französische Rapper Boulanger verliert seine angebetete Kellnerin angesichts der zur wahren Bayerin mutierenden Mei Ding im Dirndl (von Norma) schließlich und naturgemäß aus den Augen. So kann das Leben spielen.

Eva Sixt als Mei Ding wird den Zuschauern noch lange in Erinnerung bleiben mit ihrer silberfarbenen Perücke und im Billigdirndl gewandet. Immer wieder gab es Szenenapplaus, denn Frau Sixt sprach bairisch, aber mit chinesischer Sprachmelodie. Als (Sau-) Preiß war es für mich schwer zu unterscheiden, worin die faszinierendere Leistung bestand. Der Abend war keine Theaterveranstaltung im üblichen Sinn. Zwar fanden immer wieder witzige Szenen mit den eigenwilligen Schülern und dem Herrn Professor statt, doch diese rahmten eigentlich nur einen sehr gründlichen und überaus interessanten Exkurs über die wahrlich zungenbrecherische Sprache.

Ludwig Zehetner wusste Kurioses über die Sprache, ihre Entstehung und ihre Mutationen zu berichten. Dinge, die selbst einem Nichtbayern durchaus bekannt sind, wie zum Beispiel der Spruch: Barthel weiß, wo er den Most holt, entpuppte sich zumindest für mich als ein gravierendes Missverständnis. Etymologie kann spannend wie ein Krimi sein, insbesondere wenn wir uns eingestehen müssen, wie sehr wir häufig im Verständnis von einem Wort oder einer Redewendung daneben liegen. Überraschend ist auch die Vielzahl von Lehnwörtern aus dem Englischen und dem Französischen. Sosehr „Hinterwald“ kann Bayern also nie gewesen sein. Man lernt bereits zu Beginn des Abends, was gar nicht geht, zum Beispiel „lecker“. Hat man aber doch einmal den Zorn der Eingeborenen mit seiner Unkenntnis erregt, gibt es eine Zauberformel, die stets versöhnlich stimmt: "Basst scho!" Wer also in Bayern überleben will, kommt an der Sprache der Einheimischen auf Dauer nicht vorbei. Wenn gar nichts mehr geht auf dem Lande, bleibt allerdings immer noch der Umzug nach München. Da reicht Englisch.

Fraglos ist diese Sprache eine echte Hürde für den, der neben den üblichen Fremdsprachen nichts anderes kann als Hochdeutsch. In der mehr als zweistündigen Vorstellung (eine Pause) wurden schließlich auch Sätze, nicht unbedingt sinnvollen Inhalts, auf eine Leinwand projiziert. Unkundige (wie ich) hätten jede Wette verloren, dass diese scheinbar sinnlosen Vokalanhäufungen überhaupt einen Sinn haben könnten. Weit gefehlt. Gesprochen klangen diese Sätze schließlich wie Gedichte von Ernst Jandl, dem Großmeister der onomatopoetischen Dichtung.

Joseph Berlingers theatralisch in Szene gesetzte Vorlesung von Ludwig Zehetner hatte echten Unterhaltungswert und komödiantische Momente. Darüber hinaus war der Abend ein bewegendes Plädoyer nicht nur für bayerische Dialekte und die Schönheit mundartlicher Sprache schlechthin. Zehetner beendete den Abend nicht ohne den deutlichen Hinweis, dass Dialekte in der heutigen Kommunikationsgesellschaft bedrohte Kulturen sind. Wer auch immer Freude an Sprache und insbesondere an mundartlicher hat, sollte sich diese Aufführung im Theater Viel Lärm um Nichts in der Pasinger Fabrik keinesfalls entgehen lassen. Theater sollte immer horizonterweiternd sein. In diesem Fall steht der Sprachwissenschaftler Prof. Ludwig Zehetner mit seiner eigenen Person dafür ein.

 

Wolf Banitzki

 

Weitere Termine: 10. / 11. / 16. / 17. / 23. / 24. / 25. / 30. / 31. Oktober 2014

 


Mei Fähr Lady
Der Bairisch-Crashkurs mit Prof. Zehetner
Ein Gastspiel des TURMTHEATER REGENSBURG

von Joseph Berlinger

Mit: Ludwig Zehetner, Eva Sixt, Titus Horst
Stimme der Sekretärin: Alba Falchi
In den Videotracks: Werner Rösch, Josef Ettl, Hans Steinberger, Jürgen Wiss, Eva Schmidbauer, Evi Steinberger

Regie: Joseph Berlinger

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