Theater Viel Lärm Um Nichts Der Widerspenstigen Zähmung von William Shakespeare
Komödiantisch und klug
Es ist wohl nicht das bedeutendste Stück Shakespeares, aber es ist ganz sicher eine der umstrittensten Komödien, zumindest in heutiger Zeit, denn es ruft stets aufs Neue geballte Frauenpower auf den Plan. Man stelle sich das einmal vor: Shakespeare entwickelt eine sehr maskuline Taktik, dessen Strategie es ist, eine Widerspenstige zu beugen, zu brechen, zu unterwerfen. Diese Taktik ruft, wir lieben drastische Verweise und Zitate, den Skandal von Abu-Ghuraib wach, denn die Widerspenstige wird mit Schlafentzug, Nahrungsverweigerung und entsetzlicher Demütigung bestraft. Waterboarding gab’s zwar schon, kam aber in diesem Fall nicht zur Anwendung und die Elektrizität für Elektroschockbehandlung war noch nicht erfunden. Die Widerspenstige, im heutigen Sprachgebrauch ist das Wort durchaus positiv besetzt, denn widerspenstige Frauen sind in einer männerdominierten Welt ohnehin stets im Recht, wird am Ende „einsichtig“ und Mann ist glücklich und stolz auf sein vorzeigbares Eigentum. „Zicke“ ist ja laut Umfragen längst kein Schimpfwort mehr, sondern ein ideologischer Ritterschlag. Also, wie kann man nur…
Man kann und sollte auch! Frauenfeindlichkeit in einem Theaterstück auszumachen, ist heute völlig unproblematisch, denn in Bezug auf Gleichberechtigung scheint (für den Otto-Normal-Mann) political correctness inzwischen beinahe unerreichbar zu sein. Dafür ist Mann in seiner simplen Strickart einfach nicht mehr gemacht. Dabei sitzen wir heute zuallererst einem Irrtum in Bezug auf „The Taming of the Shrew“ auf, denn Shrew ist in der ersten Bedeutung nicht die Widerspenstige, sondern die Keiferin. Es hieße also richtiger: „Die Zähmung der Keiferin“. Hinzu kommt, dass Shakespeare in der zweiten Fassung eine Rahmenhandlung für die Geschichte schuf. Darin findet ein Lord den Kesselflicker Sly sturzbetrunken auf der Straße. Sie schaffen das schlichte Gemüt in das Schloss des Lords, staffieren ihn reich aus und suggerieren ihm, er sei ein hochherrschaftlicher Adliger. Dann erlebt Sly in einer Theateraufführung die „Die Zähmung der Keiferin“. Nach einem weiteren Besäufnis im Anschluss des Theaterabends legen ihn die Diener des Lord in seiner Kesselflickermontur vor einer Schenke ab. Der verwirrte Sly muss sich vom (Dünnbier-)Zapfer erklären lassen, wer er ist und dass sein „keifendes Weib“ bereits daheim die Haare auf den Zähnen bürstet. Sly erinnert sich an das Theaterstück, das er nun für einen Traum hält: (…) „Ich weiß jetzt, wie man Drachen zähmt, / Ich hab davon geträumt die ganze Nacht/ (…) Doch ich will / Zu meinem Weib und will sie zähmen auch, / Wenn sie mich plagt.“
Im Übrigen stammt der Plot zum Stück von Ariost, der sich seinerseits durch Motive von Plautus und Terenz inspirieren ließ. Lässt man nun den Ernst beiseite (Sollte man, wenn man eine Komödie schaut!), hält es sich mit der Frauenfeindlichkeit in den Grenzen der stinknormalen bürgerlichen Gesellschaft. Die Existenz zänkischer Weiber ist ebenso unbestritten wie die der machohaften Männer, deren Primatendenken überall in der Gesellschaft spürbar ist. Man sollte die deutsche Tugend, alles auf ein philosophisches Niveau zu heben, gelegentlich beiseitelassen und sich einfach nur dem Vergnügen hingeben. In Andreas Seyferths Inszenierung der spritzigen und sehr heutigen Spielfassung von Margit Carls gelang das umfänglich. Regisseur Seyferth setzte auf Komödiantik und konnte sich auf seine Darsteller zu Recht verlassen. Maria Magdalena Rabls Katharina war durchaus eine widerspenstige Frau, aber sie war auch die donnernde Keiferin. Rabls beeindruckende physische Präsenz erlaubte es ihr, schrill und ungebärdig zu sein. Dem Selbstverständnis als Frau tat das keinen Abbruch. Da bedurfte es schließlich eines darstellerischen Formates wie das von Rainer Haustein, um als Petruchio eine gnadenlose Unterwerfung glaubhaft zu gestalten. Haustein verlor bis zum Ende niemals ernstlich die Oberhoheit, wobei sein geschicktes psychologisches Spiel die Spannung des Stücks durchgängig befeuerte.
Rainer Haustein, Maria Magdalena Rabl © Hilda Lobinger |
Timo Alexander Wenzel hatte zwar keine Hauptrolle zu bewältigen, doch wohl die Hauptarbeit auf der Bühne zu leisten. Als Tranio, Grumio, Pope, Curtis, Couturier und Witwe brachte er eine nicht unerhebliche Menge Fleisch auf das dramatische Skelett. Dabei wurde sichtbar, dass Wenzel über mehr als ein Gesicht verfügt. Im Gegensatz zur durchgängigen Getragenheit Sebastian Kalhammers in der Rolle Baptistas, des integeren Vaters der beiden so unterschiedlichen Töchter Katharina und Bianca (Elisabeth Grünebach), brillierte Alexander Wagner als Hortensio mit vielfältigen, das Zwerchfell reizende figürlichen Posen. Und last but not least überzeugte Mario Linder als ein ungestüm auf den Pfaden der Minne wandelnder junger Student, der von der Liebe einfach nur überwältigt wurde.
Für Andreas Seyferths gradlinige, klare und witzige Inszenierung hatte Peter Schultze einen kongenialen Raum geschaffen, bestehend aus zwei unterschiedlichen quadratischen, leicht geneigten Spielflächen, deren Böden mit Renaissancemustern bedeckt waren. Unterschiedliche Beleuchtung rückte die topografischen Orte mehr oder weniger zusammen oder auseinander. Zwei weiße Tische und vier Stühle zwischen den Spielflächen erfüllten sämtliche Anforderungen an Innenräume. Es war schön zu sehen, wie wenig es bedarf, wenn die Räume wirklich erspielt und nicht nur behauptet werden.
Es war eine überaus kurzweilige und spannende Inszenierung, deren zwei Stunden Dauer wie im Flug vergingen. Doch kehren wir zum Schluss noch einmal auf das Thema Frauenfeindlichkeit des Stückes zurück. Selbst bei größter Toleranz oder auch Ignoranz dieses orakelhaften Urteils über dieses Werk Shakespeares, könnte wohl kein Regisseur diesem Dilemma einfach durch Nichtbeachtung entkommen. Und so hatte auch Andreas Seyferth das letzte, sehr deutliche Wort. Doch wie sich dieser kluge Schachzug ausnimmt, das muss der Leser dieser Kritik schon selbst ergründen. Dass es sich lohnt, kann jedenfalls garantiert werden.
Wolf Banitzki
Der Widerspenstigen Zähmung
(The Taming of the Shrew)
von William Shakespeare
Maria Magdalena Rabl, Rainer Haustein, Timo Alexander Wenzel, Elisabeth Grünebach, Sebastian Kalhammer, Alexander Wagner, Mario Linder Regie: Andreas Seyferth |