Theater Viel Lärm um Nichts Was ihr wollt von William Shakespeare


 

 


Wenn Musik Nahrung für Liebe ist: mehr!

Es ist Winter in Illyrien, auch im Theater Viel Lärm um Nichts, denn es ist der 6. Januar, oder die „Zwölfte Nacht“ (nach Weihnachten). Die weihnachtlichen Lustbarkeiten neigen sich dem Ende zu. Zu diesem Zweck war das Stück geschrieben und 2. Februar 1602 aufgeführt worden, ein dramatischer Kehraus. Darin: Eine junge Frau mit Namen Viola ist an den Strand gespült worden und sucht nun ihren Platz im „fabelhaften“ Land. Ein Narr gibt ihr Auskunft über Personen und Zustände, zuallererst über Orsino, „ein Nobler von Gemüt wie von Geblüt“. Als Mann und als Kastrat getarnt, begibt sich Viola in den Dienst des Grafen und verliebt sich augenblicklich in ihn. Er jedoch glüht vor Liebe zu Olivia, die sich wegen des Todes des Bruders eine siebenjährige Trauer auferlegt hat und die den Offerten Orsinos gegenüber beinhart bleibt. Orsino ernennt Viola zur Liebesbotin, befielt ihr, äußerst penetrant zu sein und nicht eher nachzulassen, bis Oivia bereit ist, ihn zu erhören. Olivia ist willens zu erhören, doch nicht den Grafen, sondern dessen jugendlichen Boten. Nun wäre das Chaos perfekt, wenn da nicht die üblichen Verdächtigen wären, die bei Shakespeare die Verwirrung ins Absonderliche treiben. Es ist kaum zu glauben, doch auch in dieser Komödie findet zusammen, was zusammen gehört. Hier durch das Auftauchen des Zwillingsbruders Sebastian, von dem Viola glaubt, er sei ertrunken.

Es ist Shakespeares letzte Komödie und gerade diese erweckt den Anschein, als hätte sich der Dichter in einem Anflug von Verdrossenheit vom komischen Genre abgewandt. Die nachfolgenden Komödien „Troilus und Cressida“ und „Maß für Maß“ sind so düster, dass sie schwerlich als Komödien angesehen werden dürften. Eine Schlüsselfigur im Stück ist der Narr, der hier einen ungewöhnlichen Typus repräsentiert. Seine Narreteien sind absurde Interpretationen und philosophische Bonmots mit traurig-realistischem Hintersinn. Margrit Carls, die die Übersetzung besorgte und die Spielfassung erarbeitete, bereitete sich mit der Rolle des Narren selbst ein Geschenk. Ihre Texte gehen weit über eine Vorlage zum Spiel hinaus. Ihr Spielhabitus war durchgängig leidmütig, jedoch ohne plakative weltliche Bitterkeit. Die ausgefeilten, auf höchstem intellektuellem Niveau gestalteten Texte erhoben diese Figur zu einem abgeklärten Weltweisen, den die Traurigkeit allerdings nie verließ.

Sie stand in krassem Gegensatz zu den anderen Rollen, vornehmlich denen, die den Lustbarkeiten nahe standen wie Sir Toby, komödiantisch und derb epikureisch gestaltet vom großzügig bebauchten, bramarbasierenden Andreas Seyferth. Der wiederum hatte seine Hände in den Taschen des trotteligen Sirs Andrew von Bleichenwang, „Dreihunderttausend schwer Per anno“, gleichsam ein Kandidat im Liebesspiel um Olivias Gunst. Hannes Berg gab einen herrlich gespreizten Laffen, dessen Realitätsbezug überwiegend seinen Wunschvorstellungen unterlag, und der die Grenze zur peinlichen Albernheit wohlweislich unverletzt ließ. Der letzte aufrechte Hüter von Moral und Anstand war Malvolio. Über diese Figur wird bei Shakespeare letztlich immer herzerfrischen gelacht. Hubert Bail blies sie denn auch soweit auf, dass Malvolio, als der Pfropfen gezogen wurde, zu aller Anwesenden Amüsement seine hysterischen Kreise zog wie ein entfesselter Luftballon. Und den Pfropfen zog Maria, die spaßverliebte Kammerzofe. Theresa Bendel gab ein sexy Mädchen, das sich die Freier vom Hals zu halten wusste, und die, wenn es darum ging, einen Schabernack auszuhecken, ein Herz und eine Seele mit Sir Toby wurde. Katrin Wunderlich spielte sowohl die angebetete Olivia, als auch den anbetenden Orsino. Olivia, das dekolletierte Weibsbild, verhalten lasziv, unterschied sich immerhin deutlich vom hochgeschlossen bemäntelten, dunkelstimmigen Landesgrafen. Das Problem hatte Deborah Müller erst gegen Ende des Stückes zu bewältigen, wo sie Viola und deren Zwillingsbruder Sebastian gestalten musste. Sie tat es redlich, aber leider ein wenig nüchtern, ohne deutlichen Anflug von Komik. Dabei war die Situation, in der sie sich befand, doch wahrhaft komisch.
 
wasihrwollt

Theresa Bendel , Andreas Seyferth , Hannes Berg

© Hilda Lobinger

 

Alles blieb übersichtlich und deutlich, wohl auch Dank der sowohl praktischen, als auch atmosphärischen Ausstattung von Stephan Joachim. Der Spielraum war an den zwei Hintergrundwänden mit großen Spiegeln ausgestattet. Damit folgte Stephan Joachim der metaphorischen Deutung des Stückes durch den Literaturwissenschaftler Harold Bloom, der dazu schrieb: „Man stelle sich einen Zerrspiegel in unruhig kreiselnder Bewegung vor, so hat man das Spielzeug, das Shakespeare mit ‚Was ihr wollt’ geschaffen hat.“ Die Bühne war schneebedeckt und auf den Spiegeln hatten Wind und Frost Reifkrusten hinterlassen. Ein Klavier neben der Gasse fungierte als Musikinstrument und als Rückzugsfeste, von der aus das Spiel von den gespannten Darstellern beobachtet wurde. Aus einem Berg übereinander geschichteter Stühle wurden peu à peu die Orte geschaffen, an denen die Handlungen stattfanden. Die Szenerie atmete die Poesie eines Wintermärchens.

 

Dass die ganze Geschichte nicht in die Bumsfidelität kippte, zu der Inszenierungen dieses Shakespeare-Juwels nicht selten neigen, lag in erster Linie am Text von Margit Carls, der Derbes ebenso wenig aussparte wie Frivoles, der zeitgenössischer Sprache und Denken viel Raum zugestand. Dieser Text atmet intellektuelle Kühle, was der Wortkomik keinen Abbruch tat, jedoch verhinderte, dass Kicherkomik aufkam. Es wäre leicht gewesen, dass Publikum zum hemmungslosen Schenkelklatschen zu verführen. Stattdessen erlebten die Zuschauer eine zauberhafte Geschichte, deren Komik mit dem Salz der Erkenntnis gewürzt war. Die Lieder und Musik- und Klangeinlagen (Komposition: Marcus Tronsberg) waren organisch ins Gesamtbild eingebettet und entsprachen den Harmonien der Inszenierung des wohl musikalischsten Stückes von Shakespeare. Es gab zudem etliche besinnliche Momente, insbesondere durch Margit Carls als Narr, was die besondere Qualität unterstrich.

 

Mit dem Premierenabend feierte das Theater Viel Lärm um Nichts fünfundzwanzigjähriges Bestehen. Es war ein guter Wurf, den die Regisseure Seyferth und Carls zuwege brachten. Zudem war an dieser Inszenierung sehr deutlich ein Theaterkonzept abzulesen, wie ich es seit nunmehr zehn Jahren kenne. Dazu gehört, dass die Theatermacher im Viel Lärm um Nichts stets einen sehr hohen Anspruch in der Auswahl der Stücke und in der ästhetischen Umsetzung verfolgen. Damit gingen sie immer ein erhöhtes Risiko ein, das jedoch kein künstlerischer Hochmut war, sondern ehrliches Ringen um Theater, das dem Zuschauer nicht hinterher läuft. Wer hoch pokert, kann viel verlieren. Auch im Viel Lärm um Nichts gab es solche Abende. Doch die sind längst vergessen. Im Gedächtnis sind Inszenierungen geblieben, die trotz beschränkter Mittel den Rahmen auf erstaunlichste Weise sprengten, ohne jemals vordergründig spektakulär sein zu wollen. Im Bewusstsein der Münchner Theatergänger hat das Theater in der Pasinger Fabrik einen festen Platz. So sei den Machern für die Zukunft frei nach Shakespeare zugerufen: Wenn Theater der Seele Nahrung ist, spielt weiter! Viel Erfolg weiterhin!

 

 

Wolf Banitzki

 

 


Was ihr wollt (Die zwölfte Nacht)

von William Shakespeare

Übersetzung: Margrit Carls

Hubert Bail, Theresa Bendel, Hannes Berg, Margrit Carls, Deborah Müller, Andreas Seyferth, Katrin Wunderlich

Regie: Andreas Seyferth / Margrit Carls
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