Volkstheater Das Leben ein Traum von Pedro Calderón de la Barca
Nein, war nur ein Witz!
Schein oder Sein, was ist unsere Welt? Viele Geschichten ranken sich um diese Fragestellung, wohl, weil eine objektive Antwort nicht möglich zu sein scheint. Der katholische Theologe und Theaterautor Calderón de la Barca gab eine Antwort. Er meinte, die Welt sei Schein, ein Traum von der Welt, und der endet mit dem Erwachen im Tod und dem Sein in Gott. Gut zwanzig Jahre vor la Barcas „Das Leben ein Traum“ orakelte schon ein gewisser Shakespeare zum Thema: „Wir sind vom Stoff, / Aus dem die Träume sind; und unser kleines Leben / Beginnt und schließt ein Schlaf.“ (Der Sturm, Prospero, 4. Akt, 1. Szene) Mit einem solchen Weltbild kann in der heutigen Welt kaum noch ein Blumentopf gewonnen werden, nicht, weil zu wenig Religiosität und Glaube in der Welt ist, sondern weil keine Zeit und kein Wille mehr ist, sich auf diese Erlösung vorzubereiten. Dabei haben „Stoffe, aus denen die Träume sind“ Hochkonjunktur wie noch nie! Allerdings wurde auch der Tod noch nie so konsequent ausgeblendet wie heute, und der Verheißung eines Lebens der unsterblichen Seele nach dem physischen Ableben schenken nur noch wenige Zeitgenossen Glauben. Aus dem Glauben an die Scheinhaftigkeit auch noch Tugend zu ziehen, ist eine andere, längst unmoderne Dimension. Heute würde Mephistopheles Triumphe feiern, denn die Mehrheit unserer Mitbürger ist längst bereit, die Seele für eine Bühne, für Besitz, für banale Fetische, für die Liebe oder für eine simple, fühlbare Zweisamkeit zu verkaufen.
Was fängt man nun mit so einem Stück an, in dem der mittelalterliche polnische König Basilius seinen Sohn Sigismund wegen des Orakel, der Sohn werde ein Tyrann, wegsperrte, wie zuvor Laios seinen Sohn Ödipus. Das Grandiose an den Geschichten ist, dass, in dem das Orakel ernst genommen und darauf reagiert wird, sich die Prophezeiung überhaupt erst erfüllen kann. Warum auch immer, Basilius beschließt, seinem Sohn eine Chance zu geben. Der wird unter Drogen gesetzt, in den Palast gebracht und man erklärt ihm, er sei nun König und seine furchtbare Erinnerung an das Leben zuvor nur ein Traum gewesen. Sigismund folgt der Prophezeiung der Sterne und wird Tyrann. Wie auch nicht, wo er doch sein ganzes bisheriges Leben ein Gefangener war ohne soziale Kontakte und Bildung. Doch um Entwicklungspsychologie ging es dem katholischen Priester Calderón gar nicht. Ihm ging es darum, sich in diesem Schein, welcher sich Leben nennt, sittlich zu bewähren. Sigismund wird wieder weggesperrt und hat nun Zeit, alles zu überdenken. Er kommt zu der Einsicht, dass er den freien Willen besitzt, trotz der Prophezeiung der Sterne sittlich zu handeln. Als ein Aufstand losbricht und das Heer von Basilius geschlagen wird, berufen die Aufständischen Sigismund erneut zum König. Der, sittlich geläutert, beugt demütig das Knie vor dem Vater. Basilius erkennt, dass der Sohn jetzt reif ist für die Königswürde. Georg Hensel sagte über den Dichter Calderón: „Der an die Gnade Gottes glaubende Calderón hat die sittlich befriedigendsten, tiefsten Happy-Ends der Weltliteratur geschrieben.“ Mit Verlaub, Herr Hensel, wohl aber auch die realitätsfremdesten.
Schein oder Sein, was ist unsere Welt? Viele Geschichten ranken sich um diese Fragestellung, wohl, weil eine objektive Antwort nicht möglich zu sein scheint. Der katholische Theologe und Theaterautor Calderón de la Barca gab eine Antwort. Er meinte, die Welt sei Schein, ein Traum von der Welt, und der endet mit dem Erwachen im Tod und dem Sein in Gott. Gut zwanzig Jahre vor la Barcas „Das Leben ein Traum“ orakelte schon ein gewisser Shakespeare zum Thema: „Wir sind vom Stoff, / Aus dem die Träume sind; und unser kleines Leben / Beginnt und schließt ein Schlaf.“ (Der Sturm, Prospero, 4. Akt, 1. Szene) Mit einem solchen Weltbild kann in der heutigen Welt kaum noch ein Blumentopf gewonnen werden, nicht, weil zu wenig Religiosität und Glaube in der Welt ist, sondern weil keine Zeit und kein Wille mehr ist, sich auf diese Erlösung vorzubereiten. Dabei haben „Stoffe, aus denen die Träume sind“ Hochkonjunktur wie noch nie! Allerdings wurde auch der Tod noch nie so konsequent ausgeblendet wie heute, und der Verheißung eines Lebens der unsterblichen Seele nach dem physischen Ableben schenken nur noch wenige Zeitgenossen Glauben. Aus dem Glauben an die Scheinhaftigkeit auch noch Tugend zu ziehen, ist eine andere, längst unmoderne Dimension. Heute würde Mephistopheles Triumphe feiern, denn die Mehrheit unserer Mitbürger ist längst bereit, die Seele für eine Bühne, für Besitz, für banale Fetische, für die Liebe oder für eine simple, fühlbare Zweisamkeit zu verkaufen.
Was fängt man nun mit so einem Stück an, in dem der mittelalterliche polnische König Basilius seinen Sohn Sigismund wegen des Orakel, der Sohn werde ein Tyrann, wegsperrte, wie zuvor Laios seinen Sohn Ödipus. Das Grandiose an den Geschichten ist, dass, in dem das Orakel ernst genommen und darauf reagiert wird, sich die Prophezeiung überhaupt erst erfüllen kann. Warum auch immer, Basilius beschließt, seinem Sohn eine Chance zu geben. Der wird unter Drogen gesetzt, in den Palast gebracht und man erklärt ihm, er sei nun König und seine furchtbare Erinnerung an das Leben zuvor nur ein Traum gewesen. Sigismund folgt der Prophezeiung der Sterne und wird Tyrann. Wie auch nicht, wo er doch sein ganzes bisheriges Leben ein Gefangener war ohne soziale Kontakte und Bildung. Doch um Entwicklungspsychologie ging es dem katholischen Priester Calderón gar nicht. Ihm ging es darum, sich in diesem Schein, welcher sich Leben nennt, sittlich zu bewähren. Sigismund wird wieder weggesperrt und hat nun Zeit, alles zu überdenken. Er kommt zu der Einsicht, dass er den freien Willen besitzt, trotz der Prophezeiung der Sterne sittlich zu handeln. Als ein Aufstand losbricht und das Heer von Basilius geschlagen wird, berufen die Aufständischen Sigismund erneut zum König. Der, sittlich geläutert, beugt demütig das Knie vor dem Vater. Basilius erkennt, dass der Sohn jetzt reif ist für die Königswürde. Georg Hensel sagte über den Dichter Calderón: „Der an die Gnade Gottes glaubende Calderón hat die sittlich befriedigendsten, tiefsten Happy-Ends der Weltliteratur geschrieben.“ Mit Verlaub, Herr Hensel, wohl aber auch die realitätsfremdesten.
Lenja Schultze, Roman Hemetsberger, Max Wagner, Pascal Houdus, Oliver Möller, Xenia Tiling, Johannes Meier © Arno Declair |
Noch einmal gefragt: Was fängt man nun mit so einem Stück an? Regisseur Christopher Rüping machte aus dem Schauspiel in drei Akten, oder aus dem, was er davon übrig ließ, eine rasante Action-Komödie. Bühnenbildner Jonathan Merz baute ihm dafür eine Viertel-Pipe, also ein halbe Halfpipe, wie sie Skater oder Biker für Freestylesport-Event nutzen. Damit war klar, hier handelte es sich auch um eine Sportveranstaltung. Die wurde dann auch locker von Oliver Möller anmoderiert, der die Akteure vorstellte, die z.T. noch in der Maske saßen und per Video auf die weiße Fläche übertragen wurden. Zuletzt stellte er sich selbst vor und naseweiste das Publikum, in dem er behauptete, König Lear, Dschingis Kahn oder auch King Arthur zu sein. Nein, war nur ein Witz! Zum Ende der Anmoderation, der Gag war längst überstrapaziert, gab er dann doch zu, König Basilius zu sein. So blödelte man sich langsam in die Geschichte hinein, die mehr und mehr Fahrt aufnahm und leider immer wieder durch den Text von Calderón (Übersetzung von J. D. Gries, 1775-1843) ausgebremst wurde. Schade, denn besser wäre es gelaufen, hätte man den lästigen Calderón nicht immer wieder mal gebraucht, um dem Titel des Abends gerecht zu werden. So radikal, wie Christopher Rüping (Er wurde im Festival „radikal jung“ auffällig!) das Stück auf Rahmen und Räder heruntergebrochen hatte, um das Vehikel am Laufen zu halten, da wäre es ratsam gewesen die Fragmente der barocken Sprache auch noch zu tilgen. Wie lästig Autoren doch manchmal sein können.
Sei’s drum, es war ein tolle Hatz, in der die jungen, durchtrainierten, athletischen Schauspieler die Wände hinauf und hinunterwetzen, als könnten sie die Gesetze der Physik außer Kraft setzen. Schöne Körper waren zu sehen. Der Anblick von Pacal Houdus (Sigismund - Er machte aus dem Stand einen Flickflack!) und Max Wagner (Astolfo) oder Johannes Meier (Clarin) konnten David Backham und seine Unterwäsche vergessen machen. Auch das Studium ihrer Genitalien und ihrer „Knackärsche“ war möglich. Angesicht soviel männlicher Schönheit, verbot sich die Frage nach dem Warum. Radikalität allenthalben. Alles wurde Opfer der sprachlichen oder mimischen Verballhornung, - die Liebe, die Politik und das, was man Persönlichkeit nennt. Und die Darsteller waren willfährig und begeistert mit von der Partie, liefen zu großer Form auf und waren durchweg sehenswert. Das junge Ensemble des Volkstheater ist bekanntermaßen wie Dynamit, wenn man es einmal entzündet, fliegen die Fetzen. Dabei schuf Christopher Rüping große bewegliche, nicht immer bewegende, Bilder, die für sich genommen, durchaus ästhetischen Reiz hatten. Es wären durchaus kurzweilige 100 Minuten gewesen, wenn man nicht immer wieder den moralisch aufgeblasenen Calderón hätte ertragen müssen.
Trotzdem war es unbedingt eine sehenswerte Arbeit. O-Ton einer Besucherin: „Hast du schon mal so was abgefahrenes gesehen?“ Regisseur Christopher Rüping brachte mit einem fast vierhundertjährigen Drama (UA 1635) heutiges Lebensgefühl auf die Bühne, das vornehmlich in verbissener Ausbeutung von Zeit, oder auch Raserei genannt, besteht, die Tiefe ignoriert. Es war wie Surfen. Man muss nur schnell genug sein, dann holt Einen die Welle auch nicht ein und Adrenalin ist garantiert. Nach dem Sinn gefragt, kann man wohl ganz im heutigen Zeitgeist antworten: Der Sinn besteht in der Sinnsuche. Es ist, als bestünde eine natürliche Scheu vor Erkenntnissen, vor Werten, vor dem Ankommen. Man müsste ja vielleicht mal innehalten. Und Calderón? Den brauchte es, wie bereits angedeutet, eigentlich gar nicht. Aber irgendeinen Namen muss eine Inszenierung ja haben, warum also nicht den von Calderón und seinem Stück. Namen sind ohnehin nur Schall und Rauch.
Sei’s drum, es war ein tolle Hatz, in der die jungen, durchtrainierten, athletischen Schauspieler die Wände hinauf und hinunterwetzen, als könnten sie die Gesetze der Physik außer Kraft setzen. Schöne Körper waren zu sehen. Der Anblick von Pacal Houdus (Sigismund - Er machte aus dem Stand einen Flickflack!) und Max Wagner (Astolfo) oder Johannes Meier (Clarin) konnten David Backham und seine Unterwäsche vergessen machen. Auch das Studium ihrer Genitalien und ihrer „Knackärsche“ war möglich. Angesicht soviel männlicher Schönheit, verbot sich die Frage nach dem Warum. Radikalität allenthalben. Alles wurde Opfer der sprachlichen oder mimischen Verballhornung, - die Liebe, die Politik und das, was man Persönlichkeit nennt. Und die Darsteller waren willfährig und begeistert mit von der Partie, liefen zu großer Form auf und waren durchweg sehenswert. Das junge Ensemble des Volkstheater ist bekanntermaßen wie Dynamit, wenn man es einmal entzündet, fliegen die Fetzen. Dabei schuf Christopher Rüping große bewegliche, nicht immer bewegende, Bilder, die für sich genommen, durchaus ästhetischen Reiz hatten. Es wären durchaus kurzweilige 100 Minuten gewesen, wenn man nicht immer wieder den moralisch aufgeblasenen Calderón hätte ertragen müssen.
Trotzdem war es unbedingt eine sehenswerte Arbeit. O-Ton einer Besucherin: „Hast du schon mal so was abgefahrenes gesehen?“ Regisseur Christopher Rüping brachte mit einem fast vierhundertjährigen Drama (UA 1635) heutiges Lebensgefühl auf die Bühne, das vornehmlich in verbissener Ausbeutung von Zeit, oder auch Raserei genannt, besteht, die Tiefe ignoriert. Es war wie Surfen. Man muss nur schnell genug sein, dann holt Einen die Welle auch nicht ein und Adrenalin ist garantiert. Nach dem Sinn gefragt, kann man wohl ganz im heutigen Zeitgeist antworten: Der Sinn besteht in der Sinnsuche. Es ist, als bestünde eine natürliche Scheu vor Erkenntnissen, vor Werten, vor dem Ankommen. Man müsste ja vielleicht mal innehalten. Und Calderón? Den brauchte es, wie bereits angedeutet, eigentlich gar nicht. Aber irgendeinen Namen muss eine Inszenierung ja haben, warum also nicht den von Calderón und seinem Stück. Namen sind ohnehin nur Schall und Rauch.
Wolf Banitzki
Das Leben ein Traum
von Pedro Calderón de la Barca
Johannes Meier, Oliver Möller, Lenja Schultze, Xenia Tiling, Max Wagner, Roman Hemetsberger, Pascal Houdus Regie: Christopher Rüping |