Siegfried

Volkstheater Siegfried von Feridun Zaimoglu / Günter Senkel


 

Empörend!

Das waren noch Zeiten, als wissende, humanistisch und meist auch national gesinnte Lehrer mit feuchten Augen aus der „Edda“ vorlasen. Nehmen wir den deutschen Autor Snorri Sturluson (gest. 1241), der seine Fassung der „Edda“ um 1220 für den norwegischen König Hákon Hákonarson niederschrieb. (Er wusste leider nicht, dass er Deutscher war!)  Die deutsche Fassung der „Nibelungen“ entstand ebenso in dieser Zeit und der meistgehandelte Autorenname war Konrad. Konrad – Was für ein Name! Obwohl die so genannten „seriösen“ Wissenschaften diesen Namen immer wieder in Frage stellen, sollten wir uns zu ihm bekennen, denn es war im Mittelalter der zweithäufigste Name neben Heinrich und somit hat er durchaus Symbolcharakter. Ursprünglich handelte es sich hier um den keltisch-germanischen Sagenkreis, identitätsstiftender Kleister einer völkischen Idee, die letztlich auch das deutsche Volk amalgamierte. Und die Ursprünge?  Prosper Tiro von Aquitanien, ein Zeitzeuge, überlieferte uns die geschichtlichen Vorgänge des Jahres 435: „Zu dieser Zeit besiegte Aetius den Gundichar (Gunther) vernichtend, der als Rex (gemeint ist nicht der Schäferhund von Tobias Moretti, sondern der König) der Burgunden in Gallien eingedrungen war. Auf sein Flehen gewährte ihm Aetius Frieden, den der Rex aber nicht lange genießen konnte. Denn wenig später ließ man ihn und sein Volk von den Hunnen mit Stumpf und Stiel ausrotten.“

Diese völkische Katastrophe wurde zum Brandmal auf der deutschen Seele, unauslöschlich und schmerzhaft durch alle Zeiten. Was sollte sich also besser eignen zum nationalen Mythos als der Untergang eines ganzen Geschlechtes? Zugegeben, eine Geschichte, bei der ein paar Helden überleben, würde sich schon wegen der Fortsetzung (2. Staffel) besser eignen. Aber es geht um Deutschland (Oder sollte ich Germanien sagen?), und kein Land kennt sich besser mit Untergängen und Katastrophen aus als die Deutschen. Da muss man die Geschichte mit „Nibelungentreue“ und Stalingrad gar nicht erst zitieren. Spätestens seit Hölderlin wissen wir, dass Heros und Tod eineiige Zwillinge sind. Auch um 1200 gab es die reale Gefahr durch die Hunnen. Zwar hatte Heinrich I. (933) ihnen eine deutliche Abfuhr erteilt, doch diese hinterlistigen und unkultivierten Gesellen lagen noch lange Zeit auf der Lauer. Es ist unbestritten: die Bedrohung aus dem Osten ist historisch verbürgt und permanent. Seit 800 Jahren haben wir (Gottlob!) unseren Heldenepos, der mit den wundervollen Worten eingeleitet wird:
„Uns wird in alten Erzählungen viel Wunderbares berichtet, / von rühmenswerten Helden, großer Kampfesmühe, / von Freuden, Festen, von Weinen und von Klagen; / von den Kämpfen kühner Helden könnt ihr nun Wunderbares erzählen hören.“

Schön wäre es, wenn man „nun Wunderbares erzählen hören“ könnte. Was im Volkstheater über die Bühne ging, war alles andere als wunderbar. Es war empörend! Soweit ist es mit diesem „multikulturellen“ Land schon gekommen, dass Menschen mit türkischer Abstammung, sich an deutschem Geistesgut vergehen dürfen. Der Name: Feridun Zaimoglu, 1964 im asiatisch-türkischen Bolu geboren. Die Kollaborateure: Coautor Günter Senkel (Bekennender Wehrkraftzersetzer!) und Regisseur Christian Stückl.

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Jakob Geßner

© Arno Declair

 

Die Lichtgestalt der deutschen Hochkultur, Siegfried, schöner und edler Held königlichen Geblüts, wurde von Jakob Geßner gegeben, einem jungen, blonden und blauäugigen Mann, dessen Antlitz in fünf Meter hohen Marmor geschlagen und vor dem Haus der Kunst aufgestellt werden sollte. Stückel verführte ihn dazu, einen groben, dümmlichen, geilen, ordinären Schlagetot auf die Bühne zu bringen, vor dessen Anblick wir unsere Kinder schützen sollten. Nicht weniger entsetzlich anzuschauen war Frederic Linkemanns Sigmund, Vater Siegfrieds, der sich als tyrannischer, bildungsfeindlicher Flachkopf gerierte. Hier hatte die Familie, Hort und Ziehstätte von Geist und edler Gesinnung gar nichts, was den wundervollen Charakter des Helden erklären könnte. In der Rolle des Burgunderkönigs Gunther gestaltete Linkemann einen lächerlichen Popanz, der von seiner Ehefrau Brunhild auch verbal immer wieder zusammengefaltet wurde. Robert Joseph Bartl spielte eine isländische Königin, der es gänzlich an Anmut und holder Weiblichkeit mangelte. Wo bleibt da der Bildungsauftrag des Theaters, fragte man sich unwillkürlich, wenn ein derartiges Frauenbild propagiert wird? Kaum einen Deut besser gelang Magdalena Wiedenhofer die Gestaltung der eigentlich bezaubernden, sich in Zurückhaltung übenden Kriemhild. Die hatte ihre sexuellen Begehrlichkeiten in ihrem ordinär-rotem Kleid nicht einmal ansatzweise im Griff und der Zuschauer war immer wieder gezwungen schamhaft den Blick abzuwenden. Bei dem Versuch, die Darstellung Hagen von Tronjes durch Paul Behren zu beschreiben, versagten dem Kritiker die Kräfte …

Weit schlimmer, als die despektierlichen schauspielerischen Leistungen, die zu beschreiben jeden Feingeist und Ästheten in den Wahnsinn treiben muss, war die Sprache des Spektakels. Der „gute Geschmack“, egal auf welcher Ebene angesiedelt, wurde nicht nur verletzt, er konnte unbeschadet nicht überleben. Selbst wenn es sich dabei um deutsches Wortgut handelte, man muss nicht alles in den Mund nehmen, was man kennt. Ästhetisch völlig inakzeptabel, wenngleich zugestanden werden muss, dass der Drache von Stefan Hageneier (Bühne und Kostüme) durchaus trefflich und wohl auch recht realitätsnah gelungen war, war es auch akustisch eine Anfechtung. Die Musiker unter der Leitung von Tom Wörndl erinnerten nicht im Geringsten an die alten, verehrungswürdigen Skalden oder Barden. Sie musizierten laut und diabolisch rhythmisch und rissen so immer auch große Teile des Publikums mit sich in die Abgründe des schlechten Geschmacks. Es wurde dabei nicht selten in fremden Sprachen gesungen.

Der heutige Theatergänger ist ja eine recht hartgesottene Spezies. Allein, wenn diese Institution der Erbauung und Erhebung der menschlichen Seele und des Geistes zur Brutstätte von Renitenz und Subordination degeneriert, ist der Bürger unbedingt gefordert. Quintessenz dieses Machwerkes ist nämlich die Unterstellung, dass die Edlen, die Eliten, die Protagonisten der Gesellschaft, also Politiker und Wirtschaftskapitäne (Ein wunderbares Wort!), die sich früher durch ihre Geburt über uns erhoben, und denen wir uns heute durch demokratische Wahlen willig und vertrauend ergeben, kritikwürdig sein könnten! Es wird ihnen nicht nur Unfähigkeit und Desinteresse unterstellt, sondern auch Egoismus und Eitelkeit. Das geht zu weit, und darum sei jeder teutonische Patriot dringendst aufgefordert, in das Volkstheater zu gehen und durch Präsenz Widerstand zu leisten. Wenn dieser empörende Vorgang Schule macht, werden wir bald Döner statt Kartoffeln essen und der Untergang des Abendlandes ist besiegelt.

 

Wolf Banitzki

 


Siegfried (UA)

von Feridun Zaimoglu / Günter Senkel

Jakob Geßner, Jona Bergander, Magdalena Wiedenhofer, Frederic Linkemann, Ursula Maria Burkhart, Robert Joseph Bartl, Oliver Möller, Mehmet Sözer, Paul Behren

Regie: Christian Stückl