Ein Sommernachtstraum

Volkstheater  Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare


Nichts Neues aus dem Zauberwald

„Ein Sommernachtstraum“, eines der beliebtesten Stücke von Shakespeare, ist ein komplexes Gebilde. Möglicherweise für drei Aristokratenhochzeiten geschrieben, sollte es den Bräutigamen eine Warnung sein, ihr flatterhaftes Leben zu beenden und Verantwortung für die andere eheliche Hälfte zu übernehmen. Zugleich war es vermutlich ein Seitenhieb auf das grassierende Amateurtheater, das auf penetrante Weise die Einnahmen der professionellen Theater schmälerten. Erzählt wird von den Vorbereitungen zu der Hochzeit von Theseus, Herzog von Athen, mit der Amazonenkönigin Hippolyta. Da tritt unvermittelt ein Mann namens Egeus vor den Herrscher und fordert einen Richtspruch. Seine Tochter Hermia, die für eine Ehe mit Demetrius vorgesehen ist, liebt Lysander. Die Strafe für die Nichtbefolgung des väterlichen Willens: Tod oder Verbannung in ein Kloster. Die jungen Liebenden fliehen in den Athener Wald, verfolgt von Demetrius, der Hermia liebt. Er wiederum wird von Helena verfolgt, die ihn liebt, und um die Sache noch weiter zu verkomplizieren, liebt Lysander auch mal Helena. Kurz gesagt, jeder liebt irgendwann in dem Zauberreigen mal jeden. Parallel zu dieser Geschichte hat Oberon, der Elfenkönig Stress mit seiner Gattin Titania. Es geht um Eifersucht und Seitensprünge. Um Titania zu bestrafen, schickt Oberon seinen Diener Puck aus, um den Saft einer Wunderblume zu beschaffen.

Dieser Saft bewirkt, dass die mit ihm infizierte Person sich in das erstbeste Geschöpf verliebt, dessen sie ansichtig wird. Puck, ein eigenwilliger Geselle, findet Vergnügen daran, die Paare zu verwirren. Höhepunkt ist die Vereinigung der verblendeten Titania mit dem Handwerker Zettel, der allerdings verzaubert und eselköpfig ist. Zettel ist Akteur der Handwerkertruppe, die das tragische Spiel von „Pyramus und Thisbe“ im Wald proben, um es zur Hochzeit des Athener Souveräns zur Aufführung zu bringen. Am Ende entzaubern Oberon und Puck alle Beteiligten wieder, außer Demetrius, der nun Helena liebt. Drei Paare heiraten zuletzt in wonniger Eintracht: Theseus und Hippolyta, Lysander und Hermia und Demetrius und Helena. Oberon und Titania versöhnen sich wieder nach der Theateraufführung und segnen die zukünftigen Sprösslinge der Paare.

Wer nun glaubt, dieser Theaterabend sprenge alle Grenzen, der sei vorab schon beruhigt, denn Regisseur Kieran Joel hat kräftig gestrichen und die aufgeblasene dreisträngige Geschichte auf die ständigen Verwirrungen und Verblendungen der vier jungen Leute Lysander, Hermia, Demetrius und Helena eingedampft. Oberon und Titania kamen vor und auch die Theatertruppe, bei Shakespeare Handwerker-Rüpel genannt. Von sechs an der Zahl im Text waren nur drei auf der Bühne übrig geblieben, die immer wieder scheinbar grundlos durch das Geschehen geisterten. Auf viele Personen wurde verzichtet und auch auf etliche, erklärende Szenen.

 

 
  Sommernachtstraum Volksthea  
 

Carolin Hartmann, Nina Steils, Jakob Geßner, Sebastian Schneider, Timocin Ziegler

© Arno Declair

 

Als Bühnenbild übernahm Belle Santos, sie zeichnete auch für die Kostüme verantwortlich, das Sycamore Grove Theater aus dem Film „Romeo & Juliet“ (Regie: Baz Luhrmann 1996), ein die Antike beschwörendes abbruchreifes Amphitheater. Die vier jugendlichen Protagonisten, gespielt von Nina Steils, Carolin Hartmann, Sebastian Schneider und Timocin Ziegler steckten in identischen Kostümen und unter identischen, ziemlich blöd aussehenden Pagenkopfperücken, so dass das Verwechselungsspiel schon mal an individueller Bedeutung verlor. Egal, wer mit wem… Tatsächlich wurden auch immer wieder dieselben Texte gesprochen, wenn es um Liebesschwüre, Anbetungen oder Ablehnungen ging. Die eigentliche Hauptfigur war indes Puck, der exemplarisch vor Augen führte, wie wenig verlässlich die Liebe doch im Grunde sei. Max Wagner, bewaffnet mit seiner Wunderblume, in überwiegend zeitlosen Kostümen, nur zuletzt erschien er im Harlekinkostüm, mischte das Spiel immer wieder auf, distanziert, herablassend und emotionslos, ein wahrer Advocatus Diaboli.

Zwischendrin die drei Handwerker-Rüpel: Jakob Geßner als Zettel, Mauricio Hölzemann als Squenz und Oleg Tikhomirov in der Rolle des Flaut. Ihre Kostüme verwiesen auf sehr elegante und fantasievolle Weise auf das elisabethanische Theater. Allein, ihre Augen hatte etwas unterweltlerisches oder alienhaftes. Visuell war es ein illusterer eklektizistischer Entwurf, der sich auf nichts wirklich festlegen ließ. Es wurde quer durch die Kunstgeschichte zitiert. Noch einmal konterkariert wurde das zivilisatorische Ganze durch Pascal Fligg in der Rolle des Oberon und Luise Deborah Daberkow als seine Gattin Titania. Die beiden hätten gut und gerne Caliban (Das in der Unterwelt lebende Monster aus „Der Sturm“!) und dessen Schwester abgeben können. Beide gebärdeten sich ebenso animalisch und zügellos, wie sie scheußlich aussahen.

Nun kann man schwerlich behaupten, die Inszenierung hätte dem großen und großartigen Stück neue Offenbarungen entlockt. Das Regiekonzept zielte vielmehr auf das Spiel mit den altbekannten Wahrheiten über die Subjektivität von Liebenden, von der Wechselhaftigkeit der Gefühle und von dem Leiden, das Liebe häufig mit sich bringt. Es war eine sehr kurzweilige Inszenierung, die allerdings den Shakespeareschen Entwurf weder in der Breite der Handlung, noch in der Auslotung der psychologischen Tiefen umfänglich transportierte. Aber wem kann man schon vorwerfen, wenn er sich bei dem gut vierhundert Jahre alten Text bedient, um sich, seinen Mitstreitern und auch dem Publikum einen echten Spaß zu bereiten. Schon gar nicht, wenn er es schafft und das muss man Regisseur Kieran Joel und seinen Mitstreitern bescheinigen.

Wenngleich manche sich nur in anderer Figurenkonstellation mehrfach wiederholenden monotonen Szenen um den Kampf der Paare grenzwertig lang erschienen, waren doch die Auftritte von Max Wagner immer wieder erfrischend und belebend für das Spiel. Zudem hatten die Szenen der drei Handwerker-Rüpel oftmals zirzensischen Charakter, die einerseits das Zauberhafte des von Geistern, Feen, Trollen etc. beseelten Waldes lebendig werden ließ, die andererseits Slapstick nicht scheute. Einer der Höhepunkte war selbstredend die irrsinnig komische Aufführung des tragischen Spiels von „Pyramus und Thisbe“, an dessen Ende sich Zettel, gespielt von Jakob Geßner, in sein Schwert stürzte. Zettel, der ambitionierteste aller Handwerker-Darsteller, starb einen endlosen blutigen Operntod, der Steine zu Tränen gerührt hätte, wäre er nur irgendwann damit zu Ende gekommen.

Man mag geteilter Meinung darüber sein, ob eine so minimalistische Vorstellung vom Kosmos des gewaltigen Stückes gerechtfertigt oder dem toten Dichter gegenüber verantwortbar sei. Der Dichter ist tot und kann nicht mehr befragt werden. Und was den Kosmos des Stücks anbelangt, so ist es doch in erster Linie eine Komödie und soll unterhalten. Das war unbestritten der Fall. Zudem muss man den Machern eine ästhetische Geschlossenheit bestätigen, bei der auch die Videoprojektionen von Krzysztof Honowski und die Musik von Lenny Mockridge keinesfalls unerwähnt bleiben dürfen. Als sich das Stück mit einem (Playback) Gesangsduett Luise Deborah Daberkow als brünstige Titania und Jakob Geßner als ihr eselsköpfiger Liebhaber mit „Non Amarmi“ von Francesco Alotta verabschiedete, waren alle Vorbehalte ausgelöscht. In München ist Wies´n, also locker bleiben und Spaß haben.

Wolf Banitzki


Ein Sommernachtstraum

von William Shakespeare
Deutsch von Jürgen Gosch, Angela Schanelec und Wolfgang Wiens

Mit: Pascal Fligg, Luise Deborah Daberkow, Max Wagner, Nina Steils, Carolin Hartmann, Sebastian Schneider, Timocin Ziegler, Jakob Geßner, Mauricio Hölzemann, Oleg Tikhomirov

Regie: Kieran Joel

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