Volkstheater Frühlings Erwachen von Frank Wedekind
Wissen statt Leben
Es ist eine Inszenierung in Schwarz-Weiß, mit der Frank Wedekinds Erstling "Frühlings Erwachen" auf die Bühne des Münchner Volkstheaters kam. Sowohl Schwarz als auch Weiß enthält alle Farben des Spektrums. Die Mischung von Schwarz und Weiß jedoch ergibt mitnichten Frühlingsbunt sondern Grau - und Grau ist alle Klischeehaftigkeit gegenüber dem Lebendigen. Frank Wedekind nannte sein Werk "... ein sonniges Abbild des Lebens, in dem ich jeder einzelnen Szene an unbekümmertem Humor alles abzugewinnen suchte, was irgendwie daraus zu schöpfen war."
"Skandalstück", "... reine Pornografie ...", "Lehrstück" und ähnliches mehr wurde die Kindertragödie in der Vergangenheit genannt. Für Frank Wedekind, Schriftsteller an der Schwelle zwischen Naturalismus und Expressionismus, war die Sexualität "...eine Absonderlichkeit, der ich alles übrige verdanke" und er widmete ihr nicht nur seine erste Arbeit. Die bürgerliche Moral seiner Zeit, vor allem deren heuchlerischen Umgang mit der Sexualität aufzudecken und diese von der Verlogenheit zu befreien, war sein Anliegen. Die Prüderie wohnte damals in fast allen Häusern.
Heute, über hundert Jahre später, ist Prüderie "in" in den jüngeren Generationen. Dort ist man zwar sexuell aufgeklärt, weiß Bescheid, wenn auch die entscheidenden Fragen nach wie vor offen sind, wie eine Umfrage der bekanntesten deutschsprachigen Jugendzeitschrift ergab. Und Grau ist alle Theorie gegenüber der Erfahrung, der man sich verweigert. Doch nicht aus diesem Grunde wählten Regisseurin Christine Eder und die Intendanz das Stück aus, sondern einfach, weil es Frühling ist und das Ensemble des Hauses aus jungen Schauspielern besteht. Was blüht ist eine bürgerliche Scheinmoral und sie tut dies, wie ehedem, in Schwarz-Weiß.
Es ist eine Inszenierung in Schwarz-Weiß, mit der Frank Wedekinds Erstling "Frühlings Erwachen" auf die Bühne des Münchner Volkstheaters kam. Sowohl Schwarz als auch Weiß enthält alle Farben des Spektrums. Die Mischung von Schwarz und Weiß jedoch ergibt mitnichten Frühlingsbunt sondern Grau - und Grau ist alle Klischeehaftigkeit gegenüber dem Lebendigen. Frank Wedekind nannte sein Werk "... ein sonniges Abbild des Lebens, in dem ich jeder einzelnen Szene an unbekümmertem Humor alles abzugewinnen suchte, was irgendwie daraus zu schöpfen war."
"Skandalstück", "... reine Pornografie ...", "Lehrstück" und ähnliches mehr wurde die Kindertragödie in der Vergangenheit genannt. Für Frank Wedekind, Schriftsteller an der Schwelle zwischen Naturalismus und Expressionismus, war die Sexualität "...eine Absonderlichkeit, der ich alles übrige verdanke" und er widmete ihr nicht nur seine erste Arbeit. Die bürgerliche Moral seiner Zeit, vor allem deren heuchlerischen Umgang mit der Sexualität aufzudecken und diese von der Verlogenheit zu befreien, war sein Anliegen. Die Prüderie wohnte damals in fast allen Häusern.
Heute, über hundert Jahre später, ist Prüderie "in" in den jüngeren Generationen. Dort ist man zwar sexuell aufgeklärt, weiß Bescheid, wenn auch die entscheidenden Fragen nach wie vor offen sind, wie eine Umfrage der bekanntesten deutschsprachigen Jugendzeitschrift ergab. Und Grau ist alle Theorie gegenüber der Erfahrung, der man sich verweigert. Doch nicht aus diesem Grunde wählten Regisseurin Christine Eder und die Intendanz das Stück aus, sondern einfach, weil es Frühling ist und das Ensemble des Hauses aus jungen Schauspielern besteht. Was blüht ist eine bürgerliche Scheinmoral und sie tut dies, wie ehedem, in Schwarz-Weiß.
Benjamin Mährlein, Timur Isik, Bettina Schwarz, Elisabeth Müller, Gabriel Raab, Nicholas Reinke © Arno Declair |
Im Programmheft zitiert man jedoch den schillernden Kurt Cobain: "... nicht mehr bloß auf meinem Dach zu sitzen und darüber nachzudenken, runterzuspringen, sondern mich wirklich umzubringen, aber ich wollte nicht aus dieser Welt gehen, ohne zu wissen, wie es ist zu bumsen."
Das Bühnenbild nahm Bezug auf seine Aussage und Monika Rovan gestaltete zwei Dachflächen die ein schwarzer tiefer Abgrund trennte, den die Darsteller wieder und wieder überwinden mussten. Dachluken in Form von kleinen lichten Kuppeln unterbrachen die Spielfläche. Schwarze Netze an den Wänden zeugten von Gefangenschaft im Leben und dem doch nicht sicher aufgefangen sein.
Das Stück handelt von einer Gruppe vierzehnjähriger Gymnasiasten. Melchior Gabor ist Klassenbester, sein Mitschüler und Freund Moritz Stiefel schafft es ohne seine Hilfe nicht. Melchior nutzt dies, um ihn in seine Weltsicht einzuweihen und ihn unverblümt sexuell aufzuklären. Moritz leidet unter seinem erwachenden Geschlechtstrieb, dem Unverständnis seitens der Eltern und der Angst zu versagen. Nachdem er den Aufstieg nicht bewältigt, erschießt er sich. Der Schuldirektor benennt als Todesursache die Aufklärungsschrift Melchiors. Dieser schwängert die Klassenkameradin Wendla, die an den Folgen der Abtreibung stirbt. Melchior begegnet dem toten Moritz und findet über ihn seinen Weg zum Leben.
Für Frank Wedekind waren seine Bühnenfiguren fleischgewordene Leidenschaft, die Frauen in Ihrer Sinnlichkeit, die Männer im konsequenten Verfolgen ihrer Gedanken. Die Verleugnung dieser Sinnlichkeit war ihm zeitlebens der Dorn in der Moral, den er stets der Gesellschaft vor Augen hielt.
Regisseurin Christine Eder inszenierte brav und artig und die Darsteller trugen klar den Text Wedekinds vor. Ihre Leistungen waren harmonisch und die Arbeit des Ensembles wirkte ausgeglichen. Dies alles spiegelte unmissverständlich die zeitgenössische bürgerliche Prämisse - Leben ohne den Gefahren, welche Erfahrungen bergen, ausgeliefert zu sein - exzellent wieder. Die Pubertät, der Tod, Jungsein und Erwachsen werden sind Klischees, Alternativen, die man beliebig anlegen oder vermeiden kann, als wären es Kleider. Frank Wedekind ist tot.
C.M.Meier
Das Bühnenbild nahm Bezug auf seine Aussage und Monika Rovan gestaltete zwei Dachflächen die ein schwarzer tiefer Abgrund trennte, den die Darsteller wieder und wieder überwinden mussten. Dachluken in Form von kleinen lichten Kuppeln unterbrachen die Spielfläche. Schwarze Netze an den Wänden zeugten von Gefangenschaft im Leben und dem doch nicht sicher aufgefangen sein.
Das Stück handelt von einer Gruppe vierzehnjähriger Gymnasiasten. Melchior Gabor ist Klassenbester, sein Mitschüler und Freund Moritz Stiefel schafft es ohne seine Hilfe nicht. Melchior nutzt dies, um ihn in seine Weltsicht einzuweihen und ihn unverblümt sexuell aufzuklären. Moritz leidet unter seinem erwachenden Geschlechtstrieb, dem Unverständnis seitens der Eltern und der Angst zu versagen. Nachdem er den Aufstieg nicht bewältigt, erschießt er sich. Der Schuldirektor benennt als Todesursache die Aufklärungsschrift Melchiors. Dieser schwängert die Klassenkameradin Wendla, die an den Folgen der Abtreibung stirbt. Melchior begegnet dem toten Moritz und findet über ihn seinen Weg zum Leben.
Für Frank Wedekind waren seine Bühnenfiguren fleischgewordene Leidenschaft, die Frauen in Ihrer Sinnlichkeit, die Männer im konsequenten Verfolgen ihrer Gedanken. Die Verleugnung dieser Sinnlichkeit war ihm zeitlebens der Dorn in der Moral, den er stets der Gesellschaft vor Augen hielt.
Regisseurin Christine Eder inszenierte brav und artig und die Darsteller trugen klar den Text Wedekinds vor. Ihre Leistungen waren harmonisch und die Arbeit des Ensembles wirkte ausgeglichen. Dies alles spiegelte unmissverständlich die zeitgenössische bürgerliche Prämisse - Leben ohne den Gefahren, welche Erfahrungen bergen, ausgeliefert zu sein - exzellent wieder. Die Pubertät, der Tod, Jungsein und Erwachsen werden sind Klischees, Alternativen, die man beliebig anlegen oder vermeiden kann, als wären es Kleider. Frank Wedekind ist tot.
C.M.Meier
Frühlings Erwachen
von Frank Wedekind
Dirk Bender, Timur Isik, Benjamin Mährlein, Elisabeth Müller, Gabriel Raab, Nicholas Reinke, Stephanie Schadeweg, Bettina Schwarz, Sophie Wendt Regie: Christine Eder |