Volkstheater Port von Simon Stephens
Es gibt sie noch, die wirklichen Helden
"Aber ein Stück muss von Menschen handeln", so das Credo von Jungdramatiker Simon Stephens, Jahrgang 1971. Dieser Selbstverpflichtung wird Stephens uneingeschränkt gerecht. Seine Arbeitsweise bezüglich "Port" hat denn auch etwas Reportagehaftes. Er war ausgezogen in seinen Geburtsort Stockport, um diese Menschen literarisch einzufangen. Heraus kam ein Stück, das sowohl Lokalkolorit wie auch Verallgemeinerungswürdiges beinhaltet.
Die Geschichte ist alltäglich, scheinbar beliebig auswechselbar. Und doch berührt sie, denn Stephens schuf mit der Lebensbeschreibung der Racheal Keats (Stephanie Schadeweg) eine exemplarische Geschichte, die das Leben derer erzählt, die keinen Eingang in die Gazetten finden, deren Leben unauffällig bleibt. Es ist ein echtes Volkstheaterstück, in dem sich der Zuschauer schnell wieder findet.
Als Racheal elf Jahre alt ist, verlässt die Mutter die Familie. Die Vorstellung vom Vater beschränkt sich auf einen Mann am Tresen. Die einzige Bezugsperson, der Großvater, stirbt beizeiten. Racheals Bruder gerät im Strudel kindlichen Aufbegehrens auf die schiefe Bahn und durchläuft die Karriere eines Kleinkriminellen. Die erste Liebe Racheals lässt Hoffnung keimen, doch erfüllt sie sich nicht, denn der erste Ehemann ist ein anderer, brutal und lieblos. Am Ende der Geschichte, Racheal ist vierundzwanzig Jahre alt, hat sie nicht aufgegeben. Das ist heldenhaft im theatralischen Sinn. Dieses lebensbejahende Prinzip macht Stephens dramatischen Entwurf nicht nur liebenswert, sondern auch glaubhaft. Einziger Mangel im Text ist das völlige Fehlen analytischer Ansätze, die Rückschlüsse darauf zulassen, warum der Lebensweg der Racheal Keats so und nicht anders verläuft. Aber die gesellschaftliche Analyse ist ohnehin nicht unbedingt die Stärke der zeitgenössischen Jungdramatiker. Sie begnügen sich häufig mit zweidimensionalen Bildern.
"Aber ein Stück muss von Menschen handeln", so das Credo von Jungdramatiker Simon Stephens, Jahrgang 1971. Dieser Selbstverpflichtung wird Stephens uneingeschränkt gerecht. Seine Arbeitsweise bezüglich "Port" hat denn auch etwas Reportagehaftes. Er war ausgezogen in seinen Geburtsort Stockport, um diese Menschen literarisch einzufangen. Heraus kam ein Stück, das sowohl Lokalkolorit wie auch Verallgemeinerungswürdiges beinhaltet.
Die Geschichte ist alltäglich, scheinbar beliebig auswechselbar. Und doch berührt sie, denn Stephens schuf mit der Lebensbeschreibung der Racheal Keats (Stephanie Schadeweg) eine exemplarische Geschichte, die das Leben derer erzählt, die keinen Eingang in die Gazetten finden, deren Leben unauffällig bleibt. Es ist ein echtes Volkstheaterstück, in dem sich der Zuschauer schnell wieder findet.
Als Racheal elf Jahre alt ist, verlässt die Mutter die Familie. Die Vorstellung vom Vater beschränkt sich auf einen Mann am Tresen. Die einzige Bezugsperson, der Großvater, stirbt beizeiten. Racheals Bruder gerät im Strudel kindlichen Aufbegehrens auf die schiefe Bahn und durchläuft die Karriere eines Kleinkriminellen. Die erste Liebe Racheals lässt Hoffnung keimen, doch erfüllt sie sich nicht, denn der erste Ehemann ist ein anderer, brutal und lieblos. Am Ende der Geschichte, Racheal ist vierundzwanzig Jahre alt, hat sie nicht aufgegeben. Das ist heldenhaft im theatralischen Sinn. Dieses lebensbejahende Prinzip macht Stephens dramatischen Entwurf nicht nur liebenswert, sondern auch glaubhaft. Einziger Mangel im Text ist das völlige Fehlen analytischer Ansätze, die Rückschlüsse darauf zulassen, warum der Lebensweg der Racheal Keats so und nicht anders verläuft. Aber die gesellschaftliche Analyse ist ohnehin nicht unbedingt die Stärke der zeitgenössischen Jungdramatiker. Sie begnügen sich häufig mit zweidimensionalen Bildern.
Leopold Hornung, Stephanie Schadeweg © Arno Declair |
Die Inszenierung von Matthias Kaschig zeugt von Kongruenz zum Text. Ihm gelang es, dessen Stärke, nämlich die Psychologie der Personen, raumgreifend zu gestalten. Die einfachen Lösungen haben sich in dieser Inszenierung als die wirkungsvollen entpuppt. Szenenwechsel wurden über eine bemerkenswerte Lichtregie von Günther E. Weiß eingeläutet. Zudem fand der Kostümwechsel, dezent und erklärend, auf offener Bühne statt. Das Bühnenbild von Marc Weeger und Silke Willrett beschränkte sich auf eine Straße, metaphorisch das Leben als Weg beschreibend, die sich gegen Ende sinnvoll zur schiefen Ebene neigt. Der Absturz ist möglich und der Kampf dagegen immer mühsamer. Ohne inszenatorischen Schnickschnack überließ es Regisseur Kaschig mit kluger Hand den Schauspielern, die Geschichte zu erzählen.
Die herausragende Leistung des Abends gelang Stephanie Schadeweg. Physisch eher unauffällig, brachte sie den inneren Lebenshunger, das Ankämpfen gegen Apathie, den Willen zu einem eigenen selbstgestalteten Leben, kurz, die Schönheit der Figur unübersehbar zum Leuchten. Sie weiß um ihre künstlerischen Mittel und setzte sie in dieser Rolle treffsicher ein. Auf Augenhöhe zu ihrer künstlerischen Leistung agierte Nicholas Reinke als Danny Miller, Racheals erste Liebe. Insbesondere in den leisen Szenen gelang es ihm im Zusammenspiel mit Stephanie Schadeweg wirklichen Zauber zu entfesseln. Bemerkenswert war auch die Arbeit Leopold Hornungs, ein Akteur, der zu einem Spiel mit Überspannung neigt. Hier entsprach die Rolle dem Temperament des Darstellers und seine Verkörperung eines Getriebenen war sehr glaubhaft.
Die Inszenierung des Stückes "Port" am Münchner Volkstheater ist keine spektakuläre. Und das ist auch gut so, denn Stephens Botschaft, selbst unspektakulär, wird deutlich. Es ist ein lohnenswerter Theaterabend, der uns den verlogenen, allgegenwärtig gepriesenen Glamour vergessen macht und Leben wieder spürbar werden lässt.
Die herausragende Leistung des Abends gelang Stephanie Schadeweg. Physisch eher unauffällig, brachte sie den inneren Lebenshunger, das Ankämpfen gegen Apathie, den Willen zu einem eigenen selbstgestalteten Leben, kurz, die Schönheit der Figur unübersehbar zum Leuchten. Sie weiß um ihre künstlerischen Mittel und setzte sie in dieser Rolle treffsicher ein. Auf Augenhöhe zu ihrer künstlerischen Leistung agierte Nicholas Reinke als Danny Miller, Racheals erste Liebe. Insbesondere in den leisen Szenen gelang es ihm im Zusammenspiel mit Stephanie Schadeweg wirklichen Zauber zu entfesseln. Bemerkenswert war auch die Arbeit Leopold Hornungs, ein Akteur, der zu einem Spiel mit Überspannung neigt. Hier entsprach die Rolle dem Temperament des Darstellers und seine Verkörperung eines Getriebenen war sehr glaubhaft.
Die Inszenierung des Stückes "Port" am Münchner Volkstheater ist keine spektakuläre. Und das ist auch gut so, denn Stephens Botschaft, selbst unspektakulär, wird deutlich. Es ist ein lohnenswerter Theaterabend, der uns den verlogenen, allgegenwärtig gepriesenen Glamour vergessen macht und Leben wieder spürbar werden lässt.
Wolf Banitzki
Port
von Simon Stephens
Ursula Burkhart, Tobias van Dieken, Leopold Hornung, Thomas Kylau, Elisabeth Müller, Nicholas Reinke, Stephanie Schadeweg, Benjamin Utzerath Regie: Matthias Kaschig |