Volkstheater Felix Krull nach Thomas Mann


 

 

 
… wäre … wenn

Was wäre, wenn Mensch sich auf die bloße Natur seines Seins beschränkte? Was wäre, wenn der „schöne Schein“ fehlte? Was wäre, wenn Mensch seine Eigenschaften unkultiviert vegetieren, wuchern ließe?

Nun, darüber wollen wir nicht weiter nachdenken. Geht es doch in dem Schelmenroman „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ von Thomas Mann um die Kultivierung spezieller menschlicher Eigenschaften und die damit im Dasein verbundenen Erlebnisse. Felix Krull, Sohn eines Sektfabrikanten, erfasst sehr früh seine schauspielerischen Fähigkeiten und beginnt diese gezielt einzusetzen. So gelingt es ihm beim Wehrdienst, ausgemustert zu werden. Danach sucht er sein Glück in Paris, steigt, wenn auch vorerst als Liftboy, in die Hotelbranche ein. Er kauft den ersten feinen Anzug und begibt sich auf die „andere“ Seite. Ein vorübergehender Rollentausch mit dem Marquis de Venosta  eröffnet ihm den Einstieg in die Gesellschaft und als er am Ende die Rolle nicht mehr spielt, sondern lebt, steht er persönlich an seinem eigenen Ende.

Drei Kindheitserlebnisse prägen den Protagonisten. Bastian Kraft begann mit diesen seine Inszenierung. Es sind wesentliche Grundmerkmale, die der Erfahrung von Aufmerksamkeit folgen und deren Wirkung rezipieren. Die Nachahmung, die Vorspiegelung und die umfassende Erkenntnis. Drei beleuchtete Rahmen füllten die schwarze Bühne, als wären sie Ebenen einer Persönlichkeit, die hier erkennbar werden. Am Protagonisten Felix Krull machte Bastian Kraft auch eine Sicht auf ein gesellschaftliches Phänomen fest, denn die Hochstapelei ist auf dem Vormarsch, und das in mehr Bereichen, als man auf den ersten Blick hin annehmen möchte. (Siehe dazu auch das Programmheft.)

Es sind oftmals Verrenkungen, die Mensch ausführt um ein Lebensprogramm zu erfüllen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden und einzunehmen, indem er ein „Bedürfnis“ ebendieser bedient. Nach dem Bibelwort „… im Schweiße deines Angesichts …“ bringen sich die Krull’s  über die Runden des Lebens. Denn auch Hochstapler, Betrüger und Diebe schwitzen. Natürlich nicht so offensichtlich wie ein Schmied,  oder die drei brillanten Schauspieler angesichts der körperlichen Leistungen in der Inszenierung, sondern eher subtil.

Was wäre, wenn wir nicht mehr sehen wollten, wie Menschen sich krümmen? Wenn diese aufhörten sich zu verbiegen, zu spreizen, zu jonglieren, zu schwitzen, zu buckeln in dem Bemühen, anderen zu gefallen. Wenn sie aufhören könnten, über die Maßen einen „schönen Schein“ zu bedienen, diesem ja geradezu zu huldigen, um Applaus in Form von Geld, Anerkennung und falschem Beifall zu ernten und damit zu überleben, in diesen Zeiten des Geldkrieges. Doch noch ist Schadenfreude eine Triebfeder der Unterhaltung, und erst wenn das Gebäude des Selbstbetrugs …  Dann würde es wieder zum Selbstverständnis gehören, wie Ford Madox Ford es in dem Buch über den 1. Weltkrieg schrieb, und: „…ein Mann wieder einmal aufrecht auf einem gottverdammten Hügel stehen können. …“  Und die Kunst sich zu verbiegen, würde wieder zu Kunst.
 

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Justin Mühlenhardt, Nicola Fritzen, Pascal Fligg

© Yvonne Kall

 

Pascal Fligg, Nicola Fritzen, Justin Mühlenhardt, sind drei grandiose Darsteller, die mimisch, sprachlich und körperlich zu Höchstform fanden und in der konsequenten Umsetzung keine Geste, keine Sekunde verschenkten. Hochartifiziell, unterhaltsam und ebenso veranschaulichend aufklärend war die Aufführung unter der Regie von Bastian Kraft. Mehr zu verraten, würde die Spannung vor dem Theaterbesuch mindern. Denn, um es mit Trendworten auszudrücken: Man muss es gesehen haben. Fünf Sterne Applaus aus dem Publikum für Darsteller und Regie.



C.M.Meier

 

 


Felix Krull

nach Thomas Mann

nach Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull von Thomas Mann
Fassung Bastian Kraft

Pascal Fligg, Nicola Fritzen,Justin Mühlenhardt

Regie: Bastian Kraft

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