Volkstheater Prinz Friedrich von Homburg von Heinrich v. Kleist



 

Salutiert d.. ...

Prinz Friedrich von Homburg sitzt im Park unter einer Eiche. Er träumt, träumt von einem Lorbeerkranz und dem damit verbundenen Sieg. Auch träumt er von der schönen Prinzessin Natalie von Oranien und als der Traum zu Ende  geht und der Kranz geflochten ist, liegt da ein Handschuh der Prinzessin neben ihm. Traum, Realität, oder ein schlechter Scherz der Obrigkeit? Doch schon stehen die Kameraden um ihn und es gilt die Order für den Angriff auf die Schweden entgegenzunehmen. In Mareike Mikats Inszenierung geschah dies auf lockere Art, es wurde gescherzt, parodiert und auf höchst ungewohnte Weise salutiert. Die Reuterei steppte auf der Bühne und die Schauspieler in den blauen Uniformen hinterließen einprägsame Bilder. Prinz Friedrich von Homburg ist ein Zerrissener zwischen Idealen, Träumen und einer militanten Realität. Robin Sondermann gab einen umgänglichen schlafwandlerisch wirkenden Prinzen, dem der Traum näher als die Realität schien. Allein die Kleist’sche Sprache wurde auf das Faktische reduziert und verstärkte so den Kontrast zwischen Spielhaltung und Text (Dramturgie Katja Friedrich). Auch Kurfürst Friedrich Wilhelm (Jean-Luc Bubert) war ein freundlich umgänglicher Mann, stand stets kerzengerade. Die Schlacht wurde durch Männchenrituale, Kräftemessen in Körperausdruck und eine Balgerei veranschaulicht. Schwarze Bälle, die Kanonenkugeln glichen, regneten auf die Bühne (Marie Roth). Sie waren Projektile und später trugen sie Botschaften ebenso wie Bittgesuche. Papiere und Kugeln folgen einem Ziel und es ist unerheblich wodurch der Tod kommt, verfügt wird. Zwischen den Männern agierte Prinzessin Natalie, Chefin eines Dragonerregimentes (wie das Programmheft die Figur bezeichnet). Die Rolle war vielseitig angelegt und Mara Widmann stand ebenso überzeugend stramm, wie sie andererseits zart gefühlvoll Prinz Friedrich über das Haar strich, oder beim Kurfürsten um Gnade bat. Xenia Tilling als Graf Hohenzollern stand für Freundschaft und Aufrichtigkeit, spielte beides in Idealform. Max Wagner, Pascal Riedel, Stefan Ruppe  und Lenja Schultze verkörperten jugendlich enthusiastisch die Obersten.

Der soldatische „Heil! Heil! Heil!“  Ruf, den schon Kleist kannte, blieb in der Inszenierung aus. Der Gruß allerdings wurde mit der eindeutigen Armbewegung begleitet, doch die Hände fuhren weiter hoch. Salutiert wurde mit dem Finger. Sie hoben ihn gegen die Decke, stimmten zu in der Abstimmung. Es lebe der Militarismus, wir geben uns demokratisch ...  

In der Gegenwart werden nicht nur Söldner für ein Berufsheer, sondern auch Mitarbeiter rekrutiert, wie aus den Abteilungs- und Firmenbezeichnungen nur allzu deutlich erkennbar ist. Man erwartet von ihnen Hacken zusammenschlagen und blinden Gehorsam. Die Firmenphilosophie steht für  Ideologie, ersetzt Vaterlandsliebe und bedingungslose Aufopferung. Die Zusammenarbeit ist strengen Ritualen unterworfen und die hierarchische Ordnung unumstößlich. Die Bekleidungsordnung schreibt einheitliches Grau vor. Wer sich zu widersetzen wagt, wird gleich einem Deserteur gebrandmarkt und gesellschaftlich ausgelagert. Die Hinrichtungen finden still und durch Sanktionen der selbstherrlichen Führungsobrigkeit statt. Verhungert Deserteure. An seinem Militärwesen ist noch nie ein Land genesen. Fliegt man über die Erde sieht man: Es ist bereits die ganze Welt krank und an der Natur kann jeder Mensch die Zerstörung durch die gewalttätige Ausbeutung erkennen. Naturgemäß nur, wenn er nicht völlig ideologisiert und damit geistig verblendet, erblindet ist.

Prinz Friedrich von Homburg erkannte, Heinrich von Kleist wusste, dass die Freiheit in der Anerkennung und Befolgung von Recht liegt. Auch wenn er sich für seine Person diesem herrschenden militärischen Recht, als Humanist konsequenter Weise entzog. Das Recht kennt keine Gnade, Gnade kennt nur der Mensch. Krieg als Recht, Kriegsrecht, widerspricht den Menschenrechten und dürfte als solches keine Anwendung mehr finden. Der Ausgang der beispielhaften Schlacht gegen die Schweden verdeutlicht, dass blinder Gehorsam zu Niederlage führt, und nur durch intuitives Eingreifen und realistisches Erkennen der aktuellen Lage ein Sieg, Durchbruch errungen werden kann. Das strategische Denken und Handeln allein führt in die Irre, es erkennt nur kausale Zusammenhänge und agiert in diesen. In der Inszenierung trugen die Darsteller Federn im Haar, gleich den Indianern, die durch Federn ihren Gedanken Flügeln geben und gleich Vögeln in der Luft, der verbindenden Traumwelt, oder dem kollektiven Unbewussten mit sich und den anderen kommunizierten. Dieses dialektische Denken und Handeln grenzt Mensch dann aus, wenn er Erkenntnis verweigert oder sich wie in einem Schockzustand befindet. Krieg und Überforderung in jeder Form rufen einen solchen Lähmungszustand hervor. Männchenspiele, Kräftemessen, Macht und Konkurrenzwahn haben längst die Übermacht im Wirtschafts- und Ausbeutungskrieg. Diesen Krieg gegen die Erde wird die Menschheit verlieren. Daran besteht kein Zweifel.

Das Problem liegt in den Inhalten der herrschenden Ordnung, nicht in Ordnung per se. Militarismus als Staatsform, Produktionszwang zur Ausbeutung der Erde und Waffenverkauf für Blutgeld sollten in einer entwickelten zivilisierten Gesellschaft keinen Stellenwert mehr haben. Dennoch laufen viele diesen Weg mit, salutieren täglich an und vor den Schreibtischen und Drehbänken, einfach weil es schon immer so war und ... Es gibt sie, die aufgeschlossenen Homburgs, die andere Werte anführen, neue Inhalte für eine menschliche Gesellschaftsordnung. Darin liegt ein Wert der Inszenierung. Hören, schauen, lesen ... aufwachen ... Die Träume von Liebe und Gemeinsamkeit, in der Inszenierung auch die Federn in den Haaren und die farbenfrohe hübsche Maske der Prinzessin Natalie, brauchen Freiheit zur Entfaltung.

Es war eine zeitgemäß unterhaltende, nach Hoffnung suchende und einen Weg aufzeigende Inszenierung – gegen Ende ein wenig aufgelockert, heutig in Sprache und Habitus, in den Szenen der Versöhnung. Moritz Krämer, der in einem Turmzimmer mit biederen Vorhängen am Rande der Bühne die Vorgänge beobachte und musikalisch kommentierte, sang von Freundschaft als die Träume in Form von schillernden Luftballons an den Theaterhimmel stiegen. Oder waren es am Ende die begrabenen Träume die hier im Licht verblassten?


C.M.Meier

 

 

 


Prinz Friedrich von Homburg

von Heinrich v. Kleist

Jean-Luc Bubert, Mara Wiedmann, Robin Sondermann, Max Wagner, Lenja Schultze, Pascal Riedel, Xenia Tiling, Stefan Ruppe
Musik: Moritz Krämer

Regie: Mareike Mikat
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