Volkstheater Eros nach Helmut Krausser



In den Spiegel geschaut

Der Autor Helmut Krausser, Jahrgang 1964, also ein Kind der fetten Nachwirtschaftswunderjahre, wollte viel in seinem Werk und holte zu diesem Zweck herbei, was so in einen Jahrhundertroman einzufügen wäre. Ein Bild der Nation und der Zeit konstruierte er. Das ist ihm meiner Ansicht nach auch gelungen, so treffend, dass es bereits schmerzen müsste, wäre man noch Mensch, der sich darin erkennen soll. Denn es ist viel Geschichte, allgemeine Geschichte, doch wenig Inhalt, und wenn, meist allgemeiner Inhalt in der Geschichte um eine unerfüllbare Liebe. Erfahren wir wirklich etwas Neues, oder eine neue Perspektive. Die Frage muss klar mit Nein beantwortet werden. Reden, ja, reden lässt es sich gut über die Geschichte und Daten und Fakten zusammentragen kann auch Zusammenhalt vorgaukeln.

Deutschland ein Kraftprotz der körpermaschinellen funktionalen Potenz – so suggeriert es das Bild am Programmheft. Und das Bild passt, um es mit dem Volksmund zu sagen, wie die Faust aufs Auge. Die Verlagerung des Eros (ursprünglich der Gott der Liebe, das Weltprinzip der Zeugung) auf Industrie und Macht durch Geld kann kaum deutlicher vorgebracht werden. Demonstration von Potenz? Oder Offenlegung menschlichen Versagens? Diese Frage zu beantworten bleibt dem Einzelnen überlassen.

Das Bühnenbild, eine ausladende Sitzgruppe aus ockerfarbenem Leder, ein kleiner Glastisch mit Gläsern, Weinflasche, Zigaretten und Aschenbecher bildeten den Mittelpunkt um den geredet und agiert wurde. Der Zuschauer kennt diese Kulisse aus den zahlreichen Gesprächsgruppen im Fernsehen und dennoch stimmten die Auswahl und Anordnung.




Wolfram Kunkel, Mareile Blendl, Friedrich Mücke, Xenia Tiling

© Arno Declair


Wie schon der Roman kaum inhaltliche Tiefe aufkommen lässt, oder Personen ausformuliert und der Autor die Protagonistin schildert mit den Worten „Ich werde Ihnen Sofie nicht genau beschreiben. Beschreiben Sie sie, aber so, dass jeder sich angesprochen fühlt. Sie war ja nichts Besonderes, damals bestimmt nicht ...“, so setzt sich dieser Umstand auf der Bühne fort. Der Zuschauer erfährt nichts über Alexander von Brücken. Die Hauptfigur blieb ein eigenschaftsloser Mechanismus, funktional im Sinne eines Systems, doch außer eine Spur Romantik um einen Kuss fehlte ihr menschliche und männliche Art. In den wenigen folgenden Begegnungen mit Sofie versuchte dieser linkisch über die Beschützerfunktion das Vertrauen seiner Sternengeliebten, bezeichnend gewollt die Ferne ausgedrückt, zu gewinnen. Macht und Geld auf der einen Seite und Ideologie auf der anderen, trennten ihre Welten.

„Ich wollte Sofie nichts Böses, wollte mich nicht in ihr Leben drängen, nur hier und da ein wenig helfen, sie schützen, umsorgen. Das ist doch nicht verwerflich? Nicht? Sie schweigen? Sie geben mir keine Antwort? Gibt es eine Ethik der Liebe?“ Die Inszenierung gab, wie der Roman, darauf keine Antwort, noch ging sie entfernt darauf ein. Vielmehr stellte sich der Schluss her: Die Liebe gilt dem Unerreichbaren, das spart den eigentlichen Konflikt aus, gibt ein Ideal, das es zu verfolgen gilt, ohne wirklich an sich arbeiten zu müssen. Einfach komfortabel.

Die Bühnenfassung ist über weite Strecken an allgemeinen Beschreibungen festgemacht. Das Haus der von Brückens vor dem Krieg, die Familie unter dem Zeichen des Nationalsozialismus und der altdeutschen Tradition, der Krieg, der erst durch sein Näherrücken Schrecken auszulösen vermag, die zerbombten Häuser und Kirchen, die Daten der Geschichte, in Jahreszahlen und Aufzählung allgemein bekannter Ereignisse von Kriegsende bis zu Machtübernahme Castros in Kuba.

Die konventionell gekleideten Darsteller verinnerlichten eine Menge Prosa, die sie vortrugen. Diese Textform hat es an sich, dass der Gestaltung auf der Bühne sehr enge Grenzen gesetzt sind. Dialoge waren im Verhältnis dazu äußerst sparsam eingestreut. Dennoch, die Schauspieler taten ihr Bestes und ordentlicher lebendiger Vortrag, bisweilen mit viel Körpereinsatz, abgesehen vom Alexander von Brücken in den späten Jahren (Wolfram Kunkel), der konsequent auf seinem Platz verharrte, brachte den Stoff an den Zuhörer. Die Szenen in denen unter Aktionismus Prosa vorgetragen wurde, bildeten die Stützen der gleichmäßigen Inszenierung.

Textfassung und Regie erarbeiteten weder eine besondere Perspektive, noch setzten sie auf einen Schwerpunkt. Christine Eder und Katja Friedrich versuchten alle Aspekte des Romans zu bedienen und schafften so über eine Stunde und fünfzig Minuten keine Höhepunkte. Was entstand war das realistische Bild: Wenn es ums Feiern geht, bewegt sich die Nation, ansonsten sitzt, talkt und schildert sie. „Wie wir alles mit Anstand hinter uns bringen.“ , um es mit den Worten des Autors zu sagen.


C.M.Meier

 

 


Eros

nach Helmut Krausser

Wolfram Kunkel, Friedrich Mücke, Stefan Murr, Jean-Luc Bubert, Xenia Tiling, Mareile Blendl

Regie: Christine Eder


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