Werkraum LILJA 4-EVER nach dem Film von Lukas Moodysson
Nichts Neues von der Front der Zwangsprostitution
Lilja ist 16 Jahre alt und hatte das Pech, irgendwo in middle of nowhere der ehemaligen Sowjetunion geboren zu sein. Hier zählt nur eins: Überleben im Angesicht der Verheißungen des glücklichen Europas, die über die Bildschirme flimmern. Liljas Mutter hat es geschafft, sich günstig an den Mann zu bringen. Der ist zwar auch Russe, doch lebt er in den USA. Im letzten Augenblick wird Lilja von der Mutter zurückgelassen. Die eigene Familie bestielt sie zudem noch und bald ist Lilja an dem Punkt, wo nur noch ihr eigener Körper sie vor dem Verhungern retten kann. Lilja kämpft und behauptet sich: Lilja 4-ever! Dabei hat sie einen Verbündeten, Volodya, der sie mag und der versucht, sie zu beschützen. Aber Volodya ist nicht weniger verletzlich. Als Lilja Andrei kennen lernt, scheint ihr Leben eine Wendung zu nehmen. Er will sie nach Schweden bringen, wo er eine gut bezahlte Arbeit hat. Er verspricht ihr all das, wovon der bürgerliche Mensch träumt. Volodya warnt sie, beschwört sie, Andrei nicht zu glauben. Dann tritt ein, was der Zuschauer längst weiß. In Schweden angekommen, hat Lilja einen neuen Besitzer, der sie unverzüglich zur Arbeit anhält: zur Prostitution. An einem Sylvesterabend gelingt Lilja die Flucht. Die gewonnene Freiheit nutzt sie, um ihrem Leben, wie vordem Volodya in Russland, ein Ende zu setzen.
Der schwedische Schriftsteller und Filmemacher Lukas Moodysson genießt nach seinen Filmen "Fucking Åmål" und "Zusammen" den Ruf, auf schlichte und zugleich poetische Weise zu verstören und zu desillusionieren. In "Lilja 4-ever", seinem dritten Film, geht er soweit, mit dem Bild von Lilja und Volodya, die hoch über den Dächern der Stadt unter dem Himmel sitzen, ein ikonografisch anmutendes Symbol zu setzen. Kinder sind, selbst wenn sie untergehen, unantastbar! Lukas Moodysson ist kein neues Filmgenie, das die cineastische Welt revolutioniert. Er ist einer, der die Geschichten unspektakulär und verständlich erzählt und das ist viel. Seine Lösungen liegen immer im Bereich des Vorstellbaren, soweit sie überhaupt Lösungen sind. In "Lilja 4-ever" gibt es keine. Erzählt wird einmal mehr das Schicksal einer jungen Frau aus Osteuropa, die im Europa der EU zur Zwangsprostitution gezwungen wird. Es ist nicht mehr als eine weitere Variante eines Themas, das inzwischen an den Münchner Theatern in Serie läuft. Dabei hatten die Kammerspiele mit "Kebab" von Gianina Cãrbunariu eine wirklich überragende Leistung geboten, die nicht zuletzt dadurch zustande kam, dass es sich um ein gutes Theaterstück handelte und die Autorin wirklich wusste, worüber sie schrieb.
Lilja ist 16 Jahre alt und hatte das Pech, irgendwo in middle of nowhere der ehemaligen Sowjetunion geboren zu sein. Hier zählt nur eins: Überleben im Angesicht der Verheißungen des glücklichen Europas, die über die Bildschirme flimmern. Liljas Mutter hat es geschafft, sich günstig an den Mann zu bringen. Der ist zwar auch Russe, doch lebt er in den USA. Im letzten Augenblick wird Lilja von der Mutter zurückgelassen. Die eigene Familie bestielt sie zudem noch und bald ist Lilja an dem Punkt, wo nur noch ihr eigener Körper sie vor dem Verhungern retten kann. Lilja kämpft und behauptet sich: Lilja 4-ever! Dabei hat sie einen Verbündeten, Volodya, der sie mag und der versucht, sie zu beschützen. Aber Volodya ist nicht weniger verletzlich. Als Lilja Andrei kennen lernt, scheint ihr Leben eine Wendung zu nehmen. Er will sie nach Schweden bringen, wo er eine gut bezahlte Arbeit hat. Er verspricht ihr all das, wovon der bürgerliche Mensch träumt. Volodya warnt sie, beschwört sie, Andrei nicht zu glauben. Dann tritt ein, was der Zuschauer längst weiß. In Schweden angekommen, hat Lilja einen neuen Besitzer, der sie unverzüglich zur Arbeit anhält: zur Prostitution. An einem Sylvesterabend gelingt Lilja die Flucht. Die gewonnene Freiheit nutzt sie, um ihrem Leben, wie vordem Volodya in Russland, ein Ende zu setzen.
Der schwedische Schriftsteller und Filmemacher Lukas Moodysson genießt nach seinen Filmen "Fucking Åmål" und "Zusammen" den Ruf, auf schlichte und zugleich poetische Weise zu verstören und zu desillusionieren. In "Lilja 4-ever", seinem dritten Film, geht er soweit, mit dem Bild von Lilja und Volodya, die hoch über den Dächern der Stadt unter dem Himmel sitzen, ein ikonografisch anmutendes Symbol zu setzen. Kinder sind, selbst wenn sie untergehen, unantastbar! Lukas Moodysson ist kein neues Filmgenie, das die cineastische Welt revolutioniert. Er ist einer, der die Geschichten unspektakulär und verständlich erzählt und das ist viel. Seine Lösungen liegen immer im Bereich des Vorstellbaren, soweit sie überhaupt Lösungen sind. In "Lilja 4-ever" gibt es keine. Erzählt wird einmal mehr das Schicksal einer jungen Frau aus Osteuropa, die im Europa der EU zur Zwangsprostitution gezwungen wird. Es ist nicht mehr als eine weitere Variante eines Themas, das inzwischen an den Münchner Theatern in Serie läuft. Dabei hatten die Kammerspiele mit "Kebab" von Gianina Cãrbunariu eine wirklich überragende Leistung geboten, die nicht zuletzt dadurch zustande kam, dass es sich um ein gutes Theaterstück handelte und die Autorin wirklich wusste, worüber sie schrieb.
Daniela Britt © Arno Declair |
Regisseur Roger Vontobel ging das Risiko ein, einen weiteren Film auf die Bühne zu bringen. Man sollte meinen, angesichts der Schwierigkeiten und der nicht unerheblichen Flopprate, käme man zur Vernunft. Aber wenn es denn mal Mode ist, muss es ausgelebt werden. Natascha von Steiger verzichtete in ihrem Bühnenbild weitestgehend auf Bildhaftigkeit. Eine erhöhte verschiebbare Spielfläche, ein Metallschrank und ein paar Utensilien des täglichen Lebens waren genug. Der Rest, und hier unterscheidet sich Theater von Film, musste erspielt werden. Lediglich vier Schauspieler hatte die Aufgabe, den filmischen Personenreigen darzustellen. Da verlor man schon Mal die Übersicht, was aber von untergeordneter Bedeutung blieb. Beispielsweise spielte Jochen Noch alle Männer, die für kriminelle Brutalität, Perversion und Gefühllosigkeit standen. Katharina Schubert musste sich auf alle Rollen festlegen lassen, in denen es um schwache, käufliche und eigensüchtige Frauen ging. Daniela Britt hatte hingegen nur die Rolle der Lilja zu geben und wie ihre anderen Kollegen auch, gestaltete sie diese beeindruckend, anrührend und verstörend. Ihr zur Seite spielte Lasse Myhr einen Volodya, dessen kindliche Zerbrechlichkeit unter die Haut ging. Allen Darstellern muss höchstes Lob gezollt werden. Regisseur Vontobel verlangte ihnen sehr viel ab. Das Publikum war betroffen und erschüttert.
Allein, dabei blieb es denn auch. Diese Betroffenheit rührte nicht aus einer Geschichte, die eigentlich die Grenzen des Klischeehaften nicht durchbrach. Sie rührte auch nicht aus der Einsicht, dass es Menschen gibt, die wie Sklaven missbraucht werden, denn dass ist systemimmanent und sollte uns nicht verwundern. Die Betroffenheit rührte aus dem eindringlichen, physisch aufwendigen und hingebungsvollen Spiel der Darsteller, das durch die Gitarrenklänge von Murena zusätzlich suggestiv überhöht wurde.
Diese Inszenierung erzählte dem Zuschauer nichts Neues. Diese Inszenierung klärte also nicht einmal auf. Sie gab keine Antworten. Und sie mobilisierte nicht wirklich etwas im Betrachter. Wenn eine Inszenierung keine diese Ansprüche erfüllt, dann befriedigt sie nur den Voyerismus der Gutmenschen, die den Schauer des "Abartigen" genießen. Wieder einmal wurde "realistisch" eine Welt ausgestellt und mit den Fingern darauf gezeigt, als hätte sie mit uns nichts zu tun. Und wenn eine Antwort in dem Symbol, wie im Film geschehen, zu suchen sein soll: "Kinder sind, selbst wenn sie untergehen, unantastbar!", sträuben sich mir die Nackenhaare. Das ist übelster Kitsch, mit dem wir uns auf religiöse Weise zu trösten suchen. Und wenn sich die Welt mit diesen Symbolen begnügt, hat sie bereits kapituliert vor Barbarei und Perversion. Dann sind wir nicht besser als die Menschen, die diesen Kindern Gewalt antun. Wer es nicht glaubt, versetze sich für eine Minute in die Situation dieser "unantastbaren Kinder". Kunst sollte sein, wenn wir das Leid nicht vorgeführt bekommen, sondern durch dieses Leid hindurch müssen.
Wolf Banitzki
Allein, dabei blieb es denn auch. Diese Betroffenheit rührte nicht aus einer Geschichte, die eigentlich die Grenzen des Klischeehaften nicht durchbrach. Sie rührte auch nicht aus der Einsicht, dass es Menschen gibt, die wie Sklaven missbraucht werden, denn dass ist systemimmanent und sollte uns nicht verwundern. Die Betroffenheit rührte aus dem eindringlichen, physisch aufwendigen und hingebungsvollen Spiel der Darsteller, das durch die Gitarrenklänge von Murena zusätzlich suggestiv überhöht wurde.
Diese Inszenierung erzählte dem Zuschauer nichts Neues. Diese Inszenierung klärte also nicht einmal auf. Sie gab keine Antworten. Und sie mobilisierte nicht wirklich etwas im Betrachter. Wenn eine Inszenierung keine diese Ansprüche erfüllt, dann befriedigt sie nur den Voyerismus der Gutmenschen, die den Schauer des "Abartigen" genießen. Wieder einmal wurde "realistisch" eine Welt ausgestellt und mit den Fingern darauf gezeigt, als hätte sie mit uns nichts zu tun. Und wenn eine Antwort in dem Symbol, wie im Film geschehen, zu suchen sein soll: "Kinder sind, selbst wenn sie untergehen, unantastbar!", sträuben sich mir die Nackenhaare. Das ist übelster Kitsch, mit dem wir uns auf religiöse Weise zu trösten suchen. Und wenn sich die Welt mit diesen Symbolen begnügt, hat sie bereits kapituliert vor Barbarei und Perversion. Dann sind wir nicht besser als die Menschen, die diesen Kindern Gewalt antun. Wer es nicht glaubt, versetze sich für eine Minute in die Situation dieser "unantastbaren Kinder". Kunst sollte sein, wenn wir das Leid nicht vorgeführt bekommen, sondern durch dieses Leid hindurch müssen.
Wolf Banitzki
LILJA 4-EVER
nach dem Film von Lukas Moodysson
Deutsch von Hansjörg Betschart Daniela Britt , Lasse Myhr, Jochen Noch, Katharina Schubert, Murena Regie: Roger Vontobel |