Hofspielhaus Rosenkranz und Güldenstern sind tot von Tom Stoppard
Blick in die Gegenwart
Richtungswechsel im Hofspielhaus, so könnte die Überschrift zur Besprechung des Theaterstückes „Rosenkranz und Güldenstern sind tot“ von Tom Stoppard ebenfalls lauten. Denn ganz wie im Stück probiert und angespielt - „Wo ist Süden?“ - wurden auch die Bühne und die Zuschauerreihen in eine andere neue Ordnung aufgestellt. Zeitgemäß. Sind doch längst alle in der Gesellschaft permanent dabei nach neuen Möglichkeiten, Bildern, Vorstellungen und/oder Spielregeln zu suchen. Absurd. Keineswegs, gilt es doch der Langeweile ein Schnippchen zu schlagen und der hochgepriesenen Kreativität zu huldigen. Unter anderem natürlich, unter anderem … denn was ist schon wirklich oder gar optimal?
Das Theaterstück folgte den, ihm eigenen Elementen. Die Ausrichtung zwischen Darsteller und Publikum blieb unverändert, wie seit Jahrtausenden gepflegt und ob der Platzierung der Augen im Kopf des Menschen unabänderlich. Und doch kann man sagen, die neue Perspektive bot neue Einblicke. „Kaviar für’s Volk.“, hieß es einer Stelle im Text.
Die Geschichte von Hamlet, Prinz von Dänemark, ist wohlbekannt. Das Theaterstück von Tom Stoppard ist eine Tragikomödie - mit dem Happy End des Todes. Wie mit einem roten Faden verbunden, zieht sie die an den Fäden des Charakters hängenden Marionetten ins Licht. Der Schriftsteller knüpft an den beiden Freunden Hamlets an und rückt sie aus dem Abseits in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dominik Wilgenbus inszenierte dieses Werk mit inspiriertem Verve und gebildetem Weitblick. Sein Schwerpunkt lag auf den Wortspielen und Auseinandersetzungen zwischen den Protagonisten, ohne den Faden der Geschichte zu verlieren. Besonders wurde darauf geachtet, dass bei allem Spiel die Wichtigkeit im Tun unverkennbar war. Mit ihr brillierte das Ensemble, ganz dem Zeitgeist entsprechend. „Total irre normal.“
Naivität, jugendlicher Leichtsinn und künstlerischer Spieltrieb zeichneten die darstellerische Umsetzung durch die Schauspieler darüber hinaus aus. Von stets erheiternder Lebendigkeit gezeichnet, vollführten Rosenkranz (Niels Kaunick) und Güldenstern (Max Beier), bzw. Güldenstern und Rosenkranz einen verbalen Tanz um die Wichtigkeiten im Leben. Immer wieder spielten sie einander die Namen zu, tauschten die Rollen und suchten Verwirrung, Verirrung zu stiften. Absurd. Keineswegs, denn es ist bereits wissenschaftlich erwiesen, dass im Einzelnen mehrere Rollen schlummern, die wahlweise zum Einsatz kommen. Da wurde von schauspielerischem Talent noch gar nicht gesprochen, und über ein geradezu wundervolles Maß davon verfügten die drei Darsteller. Jeder auf seine Weise und doch im Habitus erkennbar als einer Generation entstammend. Und all die anderen Figuren auch, die von David Hang verkörpert wurden, vom Schauspieler bis Hamlet und König Claudius, von Ophelia bis Königin Gertrud brachten die Facetten einer Person zum Ausdruck. Absurd. Keinesfalls, lediglich Spiegel des Lebens mit zeitgemäßem Mittelpunkt. „Wir sind Schauspieler, wir setzen uns selbst auf's Spiel.“
Ein Abend um die bunte Welt vor und auf der Bühne, auf der sich Mensch behaupten und darstellen muss, bis zur Erschöpfung, wurde geboten. Die Form, klassisches Theater sowohl in Text und Inhalt, als auch in handwerklich künstlerischer Umsetzung. Es war eine überaus sehenswerte, gelungene Inszenierung mit einem besonders beachtenswerten Schlussbild, der fantastischen Umsetzung eines wirklich realen, sich also gegenseitig bedingenden Vorgang.
|
|
|
|
CMax Beier, David Hang, Niels Kaunick
© Nikolai Marcinowski
|
|
Das Innen und das Außen des Menschen sind die bewegenden Pole des Daseins. In seinem Schwanken zwischen Geschehen und Erkenntnis taumelt er gleich einem Schauspieler oder einer Schachfigur des Schicksals, gleichgültig ob bewegte Schachfigur oder selbst Schauspieler. Theater wird schon immer als Spiegel für Selbsterkenntnis gespielt, auf der Bühne im Fokus allgemeinen Interesses, das Interesse von Einzelnen entblößend, im Alltag den eigenen Vorteil voran zu bringen. Es sind die immer selben Muster für Manipulation, Intrige und Mord, die wiederholt wiederholt werden in die Handlungsweise, der Mensch sich als unausweichliches Schicksal unterwirft. Zu Beginn des 21. Jhdt. stehen die Zeichen auf Änderung (siehe Textbeginn). Doch Änderung kann nur geschehen, wenn durch Erkenntnis eine neue Basis geschaffen wird. Die Inhalte des Spiels, die Regeln und deren Umsetzung sind zentrales Thema - im Stück.
Es ist Hamlet, der in Tom Stoppards Tragikomödie dem Spiel eine Wendung zu geben sucht. Er flüchtet, wechselt im Kampf um Überleben auf die Seite von Korsaren und gibt die inneren Freunde aus der Jugend, Rosenkranz und Güldenstern preis. Es ist ein Angriff auf die etablierten und eingespielten Regeln des gepflegten Systems und der Natur. Glaube und Materialismus - Rosenkranz und Güldenstern - stehen sich in seiner Person unvereinbar gegenüber. Solange diese, den Traditionen folgenden Vorstellungen - Gedanken- und Erfahrungskonstrukte - in den Köpfen herrschen, solange ist erst der Tod das glückliche Ende. Denn wer sonst könnte die Gehirne von den vielen Einbahnstraßen der Gedanken die permanent durchlaufen werden, freischalten?
Die Intelligenz sucht nach immer neuen Spielen, um sich den immer neuen Fragen zu stellen. Es folgen nur Fragen auf Fragen - und jeder Fehler zählt - es gilt möglichst viele Punkte zu sammeln. Wort gegen Wort. Rhetorik gegen Logik. Wie Pingpong statt auf dem Tisch wird in der Luft gespielt. Die Stand- und Liegepunkte über Schicksal und Tod werden sekündlich neu verhandelt, allein der Körper bleibt sperrig. Oder obliegt es der Wahrscheinlichkeit, dass Schicksal und Tod in die passende Kiste führen? Was wäre, wenn die Erde doch keine Scheibe ist, und die Welt ein Hologramm um eine Kugel in der sich alles in allem spiegelt? Wahnsinn?
Mit dem Wahnsinn der Gleichzeitigkeit allen Seins in der Welt nicht zurechtkommend, schuf der gewitzte Mensch im Kopf die Zeit und die Regeln und Gesetze die als unumstößlich gelten, sich selbst ein DenkMal setzend. Doch stimmen diese wirklich, oder sind es nur Vorstellungen des Möglichen, Inszenierungen, in dem was tatsächlich ist. Die Einigung auf diese Regeln, im Schauspiel, im Schachspiel, im geregelten Alltag bestimmen die Schicksale. Und wie absurd - unsinnig - diese mitunter sind, erkennt man im nachgestellten Spiel. Es ist ein Spiel um des Spielens Willen.
Hamlet wendet die ihm zugedachten Rolle und delegiert seinen Tod an Rosenkranz und Güldenstern. Er lässt Glauben und Materialismus öffentlich an den Pranger stellen, hängen. Damit befreit er sich von den falschen Freunden, die ihn ausgehorcht und verraten haben. Hamlet könnte sich auch befreit haben von überholten Ideologien, die sich gegenseitig in Schach halten, von abgenutzten irreführenden Spielregeln und mit Korsaren die Weite des Meeres suchen … auf zu neuen Ufern. Funktionierte das tatsächlich oder wäre es nur eine weitere Variation, ein Spielzug eines Denkmusters, ein trotzdem zurück in die ihm zugedachte Rolle, die Gefolgschaft und den Tod?
Sich selbst wieder zu erkennen in der einen, der anderen Rolle bedeutet den wahren Gewinn.
Tom Stoppard gelang das Wundervolle, die Figuren Shakespeares von 1602 in die Gegenwart zu führen, seine Gegenwarten in den Jahren 1966 sowie 1990, und in dem Spiel weitere Dimensionen sichtbar, erkennbar zu machen. Und dies geschah auf höchst entlarvend erheiternde Weise, denn am Ende halten sich die Schauspieler doch an einem abgenutzten Buch mit „heilig gesprochenem“ Text und damit der Vergangenheit fest.
Dominik Wilgenbus inszenierte im Hofspielhaus mit dem Schwerpunkt auf den Dialogen im Stil des Theaters des Absurden. Modern, denn viele der heute geführten Diskurse sind nichts weiter als ein Austausch von ideologisierten Glaubenssätzen auf der Suche nach Bestätigung, religiös verhandelt im ökonomischen Umfeld. Auf dem Spiel- und Schlachtfeld von hierarchisch aufgestellten Schachfiguren, in einem königlich genannten Spiel, sind es die Gefolgsleute, die Bauernopfer, welche zuerst einem Tod übergeben werden. Die Bühne verlassen müssen und erstochen, doch wieder aufstehen … hier beginnt SpielKunst.
Es lebe das freie klassische Theater!
C.M.Meier
Rosenkranz und Güldenstern sind tot
von Tom Stoppard
Max Beier, Niels Kaunick, David Hang
Regie: Dominik Wilgenbus
|
Hofspielhaus Eine Sommernacht von David Greig / Gordon McIntyre
Komm Öde
Das spannendste an dem Abend war die Ankündigung im Programm, gelesen vor 20.00 Uhr, dem Beginn der Aktion. Zitat: „Die Scheidungsanwältin Helena und der Kleinkriminelle Bob lernen sich am verregneten Mittsommer-Wochenende in Edinburgh kennen. Nach einer durchzechten Nacht und einem mehr oder weniger glücklichen One-Night-Stand treffen sie sich am nächsten Tag zufällig wieder.“ Immerhin bestand hier noch die Aussicht auf die Begegnung zweier interessanter Charaktere in einer Komödie.
Doch schon mit den ersten Worten war diese Erwartung zunichte gemacht. Die erfolgreiche Anwältin Helena (Laura Cuenca Serrano) erklärte von der Bühne herab die Eingangssituation der Begegnung. Der Kleinganove Bob (Ferdinand Schmidt-Modrow) las derweilen ein unsichtbares Buch und die Klischees von Einsamkeit, Oberflächlichkeit und Alkohol wurden verbal blankgeputzt und aufgestellt. Eine spannende Beziehung zwischen den Textprotagonisten stellten die beiden Bühnenaktivisten nicht her. Der Dialog, der gelegentlich vorgebracht wurde, taugte allenfalls um als direkte Rede ans Publikum bezeichnet zu werden. Oder vielmehr war es, als würden Beide übers Smart chatten, wenn sie nebeneinander saßen.
Das sogenannte Stück mit Musik (welches als Komödie angekündigt ist) war eine Geschichte mit etwas Krimi-Elementen unterlegt, wie sie in vielen der tonnenweise verbreiteten Unterhaltungsbüchern und im Fernsehen vorkommt, mit Realismus, Romantik, Psychologie und Erklärung, vor allem viel Erklärung. Beispielsweise die Erklärung der Funktion der Wahrnehmung eines auf einem Teller liegenden Eis durch Auge und Gehirn. Zumindest eine Begegnung und das in Bezug setzen. Die Sprache und Perspektive taugten allenfalls für einen Spaß. „Wer bin ich denn bitte. Fred Feuerstein?“
Dazu gab es dann von zwei Gesichtern moderne Dick & Doof–Grimmassen anzusehen und gleichzeitig gelegentlich „Scheiße … Scheiße … Vollidiot … blöde Sau“ zu hören, während man weiter versuchte durch Tonfall und Habitus ‚die Welt zu erklären‘. Hinlänglich abgenutzter Schlüsse und Meinungen bediente man sich dazu, wenn nicht gerade mit einer Personenbeschreibung eine Figur herbeigeredet wurde. Abwechslung bot da ein Emoji–Grinsen von den Aktivisten und ein Text, der da lautete, „Fragezeichen … Fragezeichen … Fragezeichen … Rufzeichen … Rufzeichen …“, und mit dem eine Handybotschaft vorgebracht wurde.
Für die Regie zeichnete Leni Brem verantwortlich, die mit Klamauk - wie das Hin- und Herhüpfen unter zwei Leintüchern als physische Darstellung von Sex, oder das überdeutliche Kotzen in die Bühnenhocker, oder das die Straßenbahn nachmachen und mit „bing … bing … bing“ in der Hocke über die Bühne krebsen und überhaupt dieses Demonstrative‚ das 'so tun als ob‘ alles Lustig wäre, was doch einfach nur kindisch ist - zu beeindrucken suchte.
Das ist bestenfalls noch nicht mal als abgeschmackt zu bezeichnen oder genaugenommen langweilig. Doch so ist es wohl, wenn alle nur noch aufs Smart starren und Funktionen ausführen. Ein Gemisch von Zeichen betätigen und ein ebensolches annehmen. Eine neue Generation – die ersten Cyborgs (Cyber-Organismen). Die die alten Welten nicht mehr kennen und sich auf der Straße finden, in Verweigerung und Partylaune die Lieder anderer nachsingen, ganz so wie es das Stück belegt.
|
|
|
|
Ferdinand Schmidt-Modrow, Laura Cuenca Serrano
© Stephan Kimmel
|
|
Dramatiker gibt es immer nur wenige. Autoren die Texte schreiben und sammeln gibt es mittlerweile viele. Manche werden auch besonders gefeiert, als Bühnenautoren, was sie noch lange nicht zu Dramatikern macht. Aber vielleicht liegt es auch an der Technik, dass der Dialog durch die Digitalkommunikation mit Sammeldateien abgelöst wurde und somit ausgerottet. Die menschliche Dimension entfällt, wenn das Gegenüber eine platte glatte Fläche ist. Wer ist dann noch in der Lage zu dialektischer Auseinandersetzung?
In einer Zeit, in der alle Form und aller Inhalt zu einem formlosen Gemisch zusammengetragen wird und dieses als ‚NEU‘ erklärt wird, in einer solchen Zeit wird das Traditionelle aufgelöst ohne ein echtes neues Angebot vorzustellen. „Habt ihr auch Cola zum Mischen?“ So, als würde man Schweinebraten und Knödel und Krautsalat in den Mixer geben und daraus einen Brei machen. Essen die Leute den Brei lange genug, so werden ihnen die Zähne ausfallen und das geschmackliche Unterscheidungsvermögen abhanden kommen.
Es war die anspruchslos oberflächliche Gewohnheit mit der Stück und Inszenierung überzeugten. Der begeisterte Applaus des Publikums bezeugte, dass die Menschen bereits von den Null-Acht-Fünfzehn-Geschichten so geplättet sind, dass sie alle Unterhaltung auf dieser Ebene entgeistert annehmen. Immerhin werden sie sieben Tage die Woche darauf trainiert.
C.M.Meier
Nachtrag: Die Inszenierung wurde mit der tz-Rose ausgezeichnet.
Eine Sommernacht
von David Greig/Gordon McIntyre
Laura Cuenca Serrano, Ferdinand Schmidt-Modrow
Regie: Leni Brem
|